Die deutsche Biotechnologie-Branche 2014
Das Jahr 2013 war aus wirtschaftlicher Perspektive ein durchwachsenes Jahr für die Biotechnologie-Branche. Trotz verbesserter Finanzierungen an der Börse gingen die Umsatz- und Mitarbeiterzahlen zurück. Das belegen die Ergebnisse der aktuellen Biotechnologie-Firmenumfrage, die biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Anfang dieses Jahres durchgeführt hat. Diesmal wurden auch die Zahlen der Forschungslandschaft zur Biotechnologie in einer eigenen Erhebung erfasst.
Inhaltliche Schwerpunkte der Unternehmen
Wer sich mit den inhaltlichen Schwerpunkten der deutschen Biotech-Branche beschäftigt, der sieht ein seit Jahren konstantes Bild: Die Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen oder von neuen diagnostischen Methoden steht nicht nur hierzulande im Fokus der meisten Biotech-Unternehmen. 275 Firmen (48,2 %) sind dem Feld der „roten“ Biotechnologie zuzurechnen – eine über die Jahre konstante Zahl. Innerhalb der medizinischen Biotechnologie in Deutschland haben sich allerdings verschiedene Arbeitsschwerpunkte etabliert und über die Jahre Verschiebungen ergeben.
So geht die Zahl der Firmen zurück, die hauptsächlich Therapeutika entwickeln und bereits ein oder mehrere Produkte ab der klinischen Phase I in der Pipeline haben. Im Jahr 2013 waren es nur 48 Unternehmen, im Vorjahr gab es noch 55 Firmen in diesem Feld. Gestiegen hingegen ist die Zahl der Unternehmen, die sich mit neuen diagnostischen Anwendungen beschäftigen. Sie liegt aktuell bei 77, vier Firmen mehr als 2012. Die große Masse der Firmen in der medizinisch orientierten Biotechnologie befinden sich entweder noch im präklinischen Bereich der Therapeutika-Forschung oder bieten eine Technologieplattform als Dienstleistung im Bereich Gesundheit an. Im Jahr 2013 ist die Zahl um fünf Firmen auf 145 Unternehmen gestiegen. Dies wiederum zeigt die wachsende Bedeutung, die breit anwendbare Technologieplattformen – entweder bezogen auf Wirkstoffklassen oder auf Indikationen – inzwischen in der Arzneimittelentwicklung haben. Gerade in Deutschland sind die Firmen hierbei offenbar gut aufgestellt.
Mit 188 Firmen ist ein wachsender Teil der Branche (33 %) nach wie vor in keinem speziellen Feld aktiv (2012: 178). Hierzu gehören alle Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend Dienstleistungen für andere Biotech-Firmen erbringen oder als Zulieferer für diese tätig sind. In die von der OECD definierte Kategorie der nicht-spezifischen Anwendungen gehören auch reine Auftragsproduzenten von biologischen Molekülen ohne eigene Entwicklungsaktivitäten. Damit ist dieses Segment das zweitwichtigste der Branche und erreicht angesichts der wachsenden Gesamtzahl eine zunehmende Bedeutung.
Gemessen an der reinen Anzahl der Firmen stagniert der Anteil der industriellen oder „weißen“ Biotechnologie in Deutschland. 2013 waren hier insgesamt 58 Unternehmen tätig, drei Firmen weniger als noch im Vorjahr. Inhaltlich beschäftigten sich die hier gezählten Unternehmen z. B. mit der Entwicklung von technischen Enzymen, mit neuen Biomasse-Verwertungsstrategien oder anderen biotechnologischen Produktionsprozessen unterschiedlicher Industrien. Zum zweiten Mal wurde auch die Spezialisierung dieser Unternehmen erfasst (Mehrfachzuordnungen waren möglich). Demnach ist der Großteil dieser Firmen immer noch im Bereich Nahrungs-/Futtermittel (33) und Pharmaproduktion (29) aktiv. Auf den weiteren Plätzen folgen die Branchen Chemie (20), Kosmetik (18) und Energie (9). Dies zeigt auch, dass die Bedeutung der industriellen Biotechnologie deutlich größer einzuschätzen ist, als die kleine Gruppe an hier aktiven Firmen vermuten lässt. Denn in allen genannten Industriesektoren findet derzeit ein Wandel in Richtung biobasierte, nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft statt – der zum großen Teil von technologischen Neuentwicklungen der industriellen Biotechnologie getragen wird.
Eine weitere wichtige Säule für das biobasierte Wirtschaften stellen Landwirte und Pflanzenzüchter dar. So kann die Pflanzenbiotechnologie u. a. zur Entwicklung von robusteren Nutzpflanzen beitragen, die in Zeiten des Klimawandels nicht nur hierzulande dringend gebraucht werden. Dem Anwendungsfeld der „grünen“ Biotechnologie sind in Deutschland insgesamt 21 Firmen zuzurechnen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Sektor etwas geschrumpft (2012: 24). Ähnlich wie bei der industriellen Biotechnologie wird das Feld mehrheitlich von Großunternehmen dominiert, die langwierige Entwicklungen und Zulassungsprozesse schultern können, in der Statistik aber bei den sonstigen biotechnologisch-aktiven Unternehmen auftauchen. Sowohl die „weiße“ als auch die „grüne“ Biotechnologie sind damit der Teil der Branche, der für den nachhaltigen Wandel und für den Aufbau einer Bioökonomie eine wichtige Rolle spielt. Ihre geografische Verteilung wird daher in der Abb. 4 gemeinsam dargestellt.
Mit 28 Unternehmen (4,9 %) gibt es zudem in Deutschland eine stetig wachsende Gruppe, die sich vorrangig mit Bio-informatik beschäftigt. Diese ist beispielsweise bei der Entwicklung individualisierter Behandlungsstrategien von Bedeutung. So erfordern moderne Hochdurchsatzverfahren die systematische Erfassung und Analyse immer größerer medizinisch relevanter Datenmengen.
Ganze Genome einer steigenden Zahl von Menschen sind bereits sequenziert und liegen als Datensätze vor. Gleiches gilt im zunehmenden Maße für andere Informationsebenen, wie das Epigenom, das Proteom oder das Metabolom. Diese Datensätze haben einen enormen Informationsgehalt, dessen prognostischer, diagnostischer und therapeutischer Wert bislang nur wenig erforscht ist. Die Informationswissenschaften liefern den Schlüssel, um diesen Wissensschatz zu heben. Erste Analysen solcher Datensätze haben bereits erkennen lassen, dass die in ihnen enthaltenen, für jeden Einzelnen charakteristischen Muster und Signaturen ein Potential für individualisierte Prävention und umfassendere Diagnostik sowie daraus abzuleitende individualisierte Therapien darstellen.
Ob „rot“, „weiß“ oder „grün“: Sämtliche Spielarten der Biotechnologie gelten als wichtige Impulsgeber auf dem Weg hin zu einer biobasierten Wirtschaft, die auf natürliche Ressourcen setzt, um innovative Produkte zu entwickeln. Die Biotechnologie ist damit nicht nur ein wichtiger Eckpfeiler in der Gesundheitswirtschaft, sondern auch in der Bioökonomie.