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Die deutsche Biotechnologie-Branche 2014

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Das Jahr 2013 war aus wirtschaftlicher Perspektive ein durchwachsenes Jahr für die Biotechnologie-Branche. Trotz verbesserter Finanzierungen an der Börse gingen die Umsatz- und Mitarbeiterzahlen zurück. Das belegen die Ergebnisse der aktuellen Biotechnologie-Firmenumfrage, die biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Anfang dieses Jahres durchgeführt hat. Diesmal wurden auch die Zahlen der Forschungslandschaft zur Biotechnologie in einer eigenen Erhebung erfasst.

Finanzierung

Im Vergleich zu 2012 mehr Geld aus Kapitalerhöhungen, weniger aus Finanzierungsrunden und – einer langjährigen Tradition seit 2008 folgend – kein Geld aus Börsengängen. Dies ist das kurze Fazit zum Finanzierungsjahr 2013. Zusammen mit den öffentlichen Fördermitteln ergibt sich eine Gesamtsumme von 404 Mio. Euro, 16 % mehr als im Vorjahr.

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Finanzierungsquellen der dedizierten Biotechnologie-UnternehmenQuelle: biotechnologie.de

Während öffentliche Fördermittel mit 49 Mio. Euro zu Buche schlagen (+5 %), sind mit 354 Mio. Euro im Jahr 2013 deutlich mehr Eigenkapitalinvestitionen in Biotech-Firmen geflossen (2012: 300 Mio. Euro). Allerdings ist die Dynamik des Aufschwungs zwischen den privat finanzierten und börsennotierten Firmen unterschiedlich verteilt. So hat sich die Situation bei Wagniskapital-Finanzierungen gegenüber dem Vorjahr verschlechtert: 2013 konnten die privat geführten dedizierten Biotechnologie-Firmen 137 Mio. Euro an Finanzmitteln einwerben. Der Wert ist damit um 33 % geringer als noch 2012 (205 Mio), aber immerhin noch fast doppelt so hoch wie im Krisenjahr 2011. Ganz anders das Bild an der Börse: Hier konnte der bereits 2012 eingeläutete Aufwärtstrend deutlich fortgesetzt werden. Obwohl auch 2013 wieder keine Börsengänge stattfanden, lief das Jahr erfreulich für viele Biotech-Aktionäre. Unter den zwölf unterschiedlichen Unternehmen im Prime IG Biotech der Deutschen Börse gab es lediglich zwei Kursverlierer: 4SC AG und Medigene AG. Andere Firmen konnten ihre Werte erheblich erhöhen (z. B. MorphoSys AG, Epigenomics AG und Sygnis AG). Gegenüber 2012 (95 Mio. Euro) stiegen die Investitionen über Kapitalerhöhungen im Jahr 2013 um mehr als das Doppelte auf insgesamt 218 Mio. Euro (+128 %).

Investitionen in neue Medikamenten dominieren

Wie bereits im Vorjahr ist der Großteil des Investorengeldes in Medikamentenentwickler geflossen. So haben zwei Firmen der „roten“ Biotechnologie knapp zwei Drittel der Wagniskapitalfinanzierungen auf sich vereint, wenngleich die Summen im Vergleich zu den größten Runden im vergangenen Jahr geringer ausgefallen sind: 45 Mio. Euro gingen an die GANYMED Pharmaceuticals AG in einer Serie E-Runde; die immatics biotechnologies GmbH sicherte sich in einer Serie D-Runde 34 Mio. Euro. Beide Firmen haben Therapieansätze gegen Krebs in der Entwicklung und wollen mit der Finanzspritze ihre klinischen Kandidaten vorantreiben. GANYMED setzt dabei auf das Konzept der „Idealen Antikörper“, die eine nebenwirkungsarme Behandlung von soliden Tumoren wie Magen- und Speiseröhrenkrebs versprechen. Immatics wiederum fokussiert sich darauf, Krebserkrankungen mit Hilfe des körpereigenen Immunsystems zu bekämpfen. Ihr am weitesten fortgeschrittener Krebsimpfstoff-Kandidat soll bei Nierentumoren zum Einsatz kommen.

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Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2013Quelle: biotechnologie.de

Die beiden Investments zeigen, dass vor allem die Portfolio-Firmen der wenigen, in der Biotechnologie aktiven Family Offices profitieren. Bei GANYMED gab die ATS Beteiligungsverwaltung der Strüngmann-Brüder frisches Geld, bei immatics ebenfalls die Strüngmanns und die Dievini Hopp Biotech Holding des SAP-Gründers Dietmar Hopp. Eine kleinere Summe von 9,5 Mio. Euro konnte die ebenfalls zu Teilen durch die Strüngmann-Brüder finanzierte SuppreMol GmbH in Martinsried einwerben.

Mit 5 Mio. Euro von bestehenden Investoren will die Würzburger Vasopharm eine Phase III-Studie ihres Medikamentenkandidaten zur Behandlung von  Hirnschäden anstoßen. Weitere 15 Firmen freuten sich ebenfalls über frisches Venture Capital (VC). Dazu gehört unter anderem die Curetis AG in Holzgerlingen, die sich mehrheitlich über institutionelle VCs finanziert. Dem Molekulardiagnostik-Spezialisten war es bereits 2011 gelungen, 24 Mio. Euro von Forbion Capital Partners, dem Roche Venture Fonds sowie CD Venture einzusammeln, dem Fonds von Christoph Boehringer. 2013 wurde mit 12,5 Mio. Euro noch einmal nachgelegt und HBM als neuer Leadinvestor gewonnen. Mit dem Geld soll die weitere internationale Vermarktung des DNA-basierten Testsystems zur Untersuchung klinischer Proben gestärkt werden. Curetis hat spezielle Einweg-Kassetten entwickelt, die sämtliche Reagenzien für einen automatischen Erregernachweis enthalten und einfach ausgetauscht werden können.

Investitionen flossen aber nicht nur in die medizinische Biotechnologie. Mit Hilfe zweier kleinerer Runden über insgesamt 9,4 Mio. Euro verschaffte sich die DIREVO Industrial Biotechnology GmbH frisches Kapital, um ihre Enzymplattformtechnologien weiter in Richtung Markt zu entwickeln. Mit der evocatal GmbH (3,5 Mio. Euro) sowie der m2p-labs GmbH in Baesweiler (ungenannte Summe) gelang zwei weiteren Firmen im Bereich der industriellen Biotechnologie eine Finanzierung.

Start-ups sichern sich Seedfinanzierung

Darüber hinaus konnten sich einige Start-ups eine Seedfinanzierung sichern, teilweise mit Unterstützung des mit Bundesmitteln ausgestatteten High-Tech Gründerfonds (HTGF). Die aus dem Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin ausgegründete Omeicos Therapeutics GmbH gehört ebenso dazu wie die in Heidelberg ansässige Perora GmbH sowie die durch Deutschlands größtes Biotech-Unternehmen Qiagen mitfinanzierte Drug Response Dx GmbH in Hennigsdorf. Auch die Berliner Krebsforscher der frisch gegründeten Myelo Therapeutics GmbH konnten Investoren für eine erste Runde in Höhe von 3 Mio. Euro gewinnen. Mehr als doppelt soviel Geld – insgesamt 6,5 Mio. Euro – ging an die advanceCOR GmbH, die aus der ehemaligen GO-Bio-finanzierten Firma corimmun hervorgegangen ist. Sie versammelt alle Projekte, die 2012 nicht im Rahmen des millionenschweren Lizenzdeals mit Johnson & Johnson übernommen wurden.

Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2013Lightbox-Link
Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2013Quelle: biotechnologie.de

Für die börsennotierten Biotechnologie-Unternehmen ver­lief das Jahr 2013 deutlich besser als noch 2012. Etwa zwei Drittel der eingenommen Mittel flossen allerdings in eine Firma: die MorphoSys AG in München. Die Antikörperspezialisten sammelten über eine Kapitalerhöhung 84 Mio. Euro ein und konnten zwei millionenschwere Lizenzvereinbarungen – mit dem britischen Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline und dem US-Biotech-Konzern Celgene – vermelden. Letzterer hat sich zudem über eine Kapitalerhöhung in Höhe von 46 Mio. Euro an der Firma beteiligt, die Marktkapitalisierung belief sich zwischenzeitlich auf 1,4 Mrd. Euro. Dabei hat MorphoSys 2013 einen langsamen Wandel angestoßen – weg vom reinen Wirkstoffentwickler hin zu einer Biopharma-Firma, die zunehmend selbst in die Vermarktung und den Vertrieb von Arzneimitteln hineinwächst.

Eine weitere Erfolgsgeschichte bahnt sich bei der ebenfalls in München ansässigen Formycon AG an. Das Geschäftsmodell: Biosimilars von biologischen Wirkstoffen der dritten Generation entwickeln, deren Patentschutz um das Jahr 2020 auslaufen wird. Von den zwei Produkten im Portfolio konnte eines bereits an die Santo Holding GmbH der im Biosimiliar-Geschäft erfahrenen Strüngmann-Brüder auslizenziert werden. Über drei Kapitalerhöhungen wurden 17,4 Mio. Euro eingesammelt.

Berliner Darmkrebs-Bluttest zugelassen

Die Berliner Epigenomics AG konnte über mehrere Runden verteilt 16,7 Mio. Euro einnehmen und sich damit ein Polster für die anstehenden Lizenzgespräche schaffen. In Europa ist ihr Darmkrebs-Bluttest bereits zugelassen, eine Entscheidung in den USA wird für das erste Quartal 2014 erwartet.

Auch der Hamburger Wirkstoffentwickler Evotec AG hat sich durch die Platzierung von 12 Millionen neuen Aktien beim US-amerikanischen Finanzinvestor BVF insgesamt 30 Mio. Euro gesichert, die Liquidität lag damit Ende 2013 bei 85 Mio. Euro. Evotecs Hoffnungen ruhen derzeit auf einen gemeinsam mit dem Schweizer Pharmakonzern Roche entwickelten Alzheimer-Wirkstoff sowie auf einem Diabetesmittel, das gemeinsam mit Teva vorangetrieben wird. Für 1,15 Mio. Euro übernahmen die Hamburger zudem den Zellkultur- und Transfektionsspezialisten Cell Culture Service GmbH.

Zwei andere deutsche Firmen fanden Käufer im europäischen Ausland: Die Genomiksparte des luxemburgischen Analysespezialisten Eurofins Scientific, Eurofins MWG Operon, hat die Regensburger Gensynthesefirma Entelechon GmbH übernommen; der Sequenzier- und Synthesedienstleister Microsynth AG aus der Schweiz die Seqlab GmbH in Göttingen (Kaufpreis jeweils unbekannt). Auf der anderen Seite ging Qiagen ebenfalls auf Shoppingtour: So sicherte sich Deutschlands größtes Biotech-Unternehmen das auf die Interpretation großer Datenmengen spezialisierte US-amerikanische Unternehmen Ingenuity Systems und legte dafür 105 Mio. US-Dollar auf den Tisch. In den USA fündig wurde auch Miltenyi Biotec. Die in Bergisch-Gladbach ansässige Firma kaufte für eine ungenannte Summe das kalifornische Start-­up Owl Biomedical Inc, das eine spezielle Mikrochip-basierte Zellsortierungstechnologie entwickelt hat.

Für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag hat die Bionet Ventures GmbH ihre Scil Protein Production GmbH in Halle/Saale an die Biotech-Tochter der Wacker Chemie AG, die Wacker Biotech GmbH, veräußert. Mit dem Kauf hat sich die Thüringer Firma eine zertifizierte Anlage zur Produktion von therapeutischen Proteinen gesichert.

Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2013Lightbox-Link
Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2013Quelle: biotechnologie.de

Für Aufmerksamkeit sorgte im Jahr 2013 auch ein sonstiges biotechnologisch aktives Unternehmen: die Analytik Jena AG. Noch im Mai hatten sich die auf Labordienstleistungen und Tests spezialisierten Thüringer mit der Übernahme aller Wirtschaftsgüter der insolventen Jenaer SIRS-Lab GmbH verstärkt. Später wurden sie selbst vom schweizerischen Messtechnik-Konzern Endress + Hauser übernommen. Der Standort Jena soll nun zum Laboranalyse-Standbein der Endress + Hauser-Gruppe ausgebaut werden.

Anzahl der Großinvestoren bleiben überschaubar

Zusammenfassend betrachtet zeigt das Jahr 2013 damit ein uneinheitliches Bild der Finanzierungssituation. Längst gab es nicht so viele Rekorde zu vermelden wie im vergangenen Jahr, als etwa die AiCuris GmbH & Co. KG über einen Lizenzdeal rund 100 Mio. Euro an Einnahmen verbuchen konnte. Wenn man diese Summe herausrechnet, hat sich die Branche weiterhin konstant entwickelt. Verbessert hat sich inzwischen auch die Lage bei den Seed-Finanzierungen. Hier gibt es mit den Gründungsförderungen GO-Bio (BMBF) und EXIST (BMWi) sowie dem HTGF auch zunehmend Corporate Venture Fonds, die nicht nur Gelder, sondern auch Netzwerke für Gründer bereitstellen. Zudem hat das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Investitionszuschuss Wagniskapital neue Anreize für Erstfinanzierungen gesetzt, insbesondere über Business Angels. Ein Problem bleiben jedoch Anschlussfinanzierungen, die in der vergleichsweise kostenintensiven Entwicklung von Biotech-Produkten eine entscheidende Rolle spielen und deutsche Firmen damit im internationalen Wettbewerb benachteiligen. So dominieren in den Finanzierungsrunden der privaten Unternehmen nach wie vor eine überschaubare Anzahl an Großinvestoren, die nun dazu übergehen, immer wieder ihr bestehendes Portfolio zu stärken. Hier bleibt abzuwarten, ob es der Branche und dem Technologiestandort Deutschland gelingt, langfristig neue Investoren ins Boot zu holen.

 

Hintergrund

Die Biotechnologie-Firmenumfrage wurde von biotechnologie.de bereits zum neunten Mal durchgeführt. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Januar und März 2014. Von insgesamt 755 angeschriebenen Unternehmen nahmen 564 Unternehmen an der Umfrage teil. Die Rücklaufquote liegt damit bei 73%. Der Stichtag der für die Erhebung berücksichtigten Daten ist der 31.12.2013.

Als Biotechnologie-Unternehmen werden Firmen angesehen, deren Unternehmensziel wesentlich oder ausschließlich in der Biotechnologie liegt. Im Rahmen der hier vorgelegten Zahlen werden sie als "dedizierte Biotech-Unternehmen" bezeichnet. Es wurden auch solche Unternehmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland einen Firmensitz mit F&E-Aktivitäten haben.

Diese Vorgehensweise orientiert sich an statistischen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die im Jahr 2004 verabschiedet wurden.

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Downloads

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2014

biotechnologie.de, April 2014 deutsch/englisch Download PDF (4,8 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2013

biotechnologie.de, April 2013. Deutsch/Englisch Download PDF (2,9 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2012

biotechnologie.de, April 2012. Deutsch/Englisch Download PDF (5,2 MB) PDF online ansehen