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Die deutsche Biotechnologie-Branche 2011

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Die Biotech-Branche ist weiter auf Wachstumskurs. Dies belegen die Ergebnisse der aktuellen Biotechnologie-Firmenumfrage 2011, die biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt hat.

Finanzierung

Vom Tiefststand zum Rekord: Die Investitionen in die Bio­technologie haben im Jahr 2010 einen beeindruckenden Sprung nach oben gemacht. Insgesamt flossen rund 700 Millionen Euro in die deutsche Branche – zählt man das Wagniskapital (VC), Kapitalerhöhungen über die Börse und Fördermittel zusammen. Das ist soviel wie noch nie. Die privat geführten dedizierten Biotechnologie-Unternehmen erhielten dabei 321 Millionen Euro von ihren Investoren und damit mehr als doppelt so viel wie 2009 (142 Mio. Euro). Noch besser erging es den börsennotierten Firmen. Sie sammelten 2010 insgesamt 335 Millionen Euro ein (2009: 122 Mio. Euro), im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um stattliche 175%. Die öffentliche Förderung sank auf 45 Millionen Euro (2009: 51 Mio. Euro), allerdings haben in diesem Jahr auch nur 129 Unternehmen Angaben dazu gemacht (2009: 176). Auf Rekordkurs lag 2010 nicht nur die Gesamtsumme. Auch einzelne Finanzierungsrunden im VC-Bereich waren außergewöhnlich groß.

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Finanzierungsquellen der dedizierten Biotechnologie-UnternehmenQuelle: biotechnologie.de

Größte Finanzierungsrunde brachte 55 Millionen Euro

Mit 55 Millionen Euro konnte die AiCuris GmbH in Wuppertal die zweitgrößte überhaupt in Deutschland getätigte Biotech-Finanzierung abschließen – die größte ist nach wie vor die 65 Millionen Euro schwere Runde von Ganymed aus dem Jahr 2008. AiCuris, die derzeit zwei Medikamentenkandidaten gegen Infektionen in der klinischen Phase II hat, landete im vergangenen Jahr damit auf Platz drei der weltweit größten Wagniskapitalfinanzierungen. Verantwortlich für die Finanzspritze waren die Hexal-Gründer und Milliardäre Andreas und Thomas Strüngmann. Auch im Kampf gegen Krebs sehen Investoren offenbar große Chancen. 54 Millionen Euro erhielt die immatics GmbH aus Tübingen, um Immuntherapien gegen diverse Tumoren weiterzuentwickeln. Das Besondere daran: Erstmals taten sich hier die drei großen Finanzakteure der deutschen Biotechnologie-Branche zusammen: die Strüngmann-Brüder, der SAP-Gründer Dietmar Hopp und die MIG-Fondsgesellschaft. Sie waren 2010 zusammengenommen an Finanzierungsrunden im Gesamtwert von über 300 Millionen Euro beteiligt. Bei immatics war das Investoren-Trio offenbar vom Entwicklungskanddiaten IMA901 überzeugt, der zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom eingesetzt werden soll. Vorbereitungen für eine Phase-III-Studie sind 2010 gestartet.

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Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2010Quelle: biotechnologie.de

Micromet AG als Investitionsmagnet

Bei den börsennotierten Biotechnologieunternehmen hat sich wieder einmal die Micromet AG als stärkster Investitionsmagnet erwiesen. Insgesamt konnten die Münchener im Jahr 113,6 Millionen Euro einsammeln – das sprengt bisherige Dimensionen. Die Summe setzt sich aus zwei Finanzierungsrunden im März und November an der New Yorker Börse zusammen. Über die amerikanische Muttergesellschaft Micromet Inc. kamen so 61 Millionen Euro und 52,6 Millionen Euro herein. Die Begeisterung der Börsenanleger entzündet sich an Blinatumomab. Der bispezifische Antikörper, der an gleich zwei verschiedene Immunzellen binden kann, soll bei einer besonders schwer therapierbaren Form von Blutkrebs helfen, der akuten lymphatischen Leukämie (ALL). Im September 2010 startete eine Phase-II-Studie.Die zweitgrößte Kapitalerhöhung über die Börse gelang dem Krebsspezialisten Agennix, der rund 101 Millionen Euro von seinen Aktionären erhielt. Eine Finanzierungsrunde im Herbst erbrachte 76 Millionen Euro, hinzu kamen eine Privatplatzierung, an der sich nur ausgesuchte Investoren beteiligen konnten, sowie ein Darlehen durch den Mehrheitseigner Dietmar Hopp. Agennix, der Nachfolger der früheren GPC Biotech, entwickelt ein Medikament, das gegen Lungenkrebs helfen soll. Talactoferrin wird gerade in zwei parallel laufenden Phase-III-Studien untersucht. Eine weitere soll bald starten, um zu untersuchen, ob das Milchprotein möglicherweise auch bei Blutvergiftung hilft. Nicht nur Investoren setzen ihr Vertrauen auf deutsche Biotechnologie-Unternehmen.

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Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von dedizierten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2010Quelle: biotechnologie.de

Biotech-Branche tritt selbst zunehmend als Geldgeber auf

Auch die Branche selbst tritt zunehmend als Geldgeber auf. Zum Teil, um an neue vielversprechende Technologien oder ergänzende Produkte bzw. Entwicklungskandidaten heranzukommen, zum Teil aber auch als Startfinanzierung für junge Firmen. All dies sind Zeichen dafür, dass die deutsche Biotechnologie-Branche eine sanfte Konsolidierungswelle erfährt und an Reife zunimmt. Mit dem Kauf der Develogen AG aus Göttingen sicherte sich die Hamburger Evotec AG im Jahr 2010 ein neues Indikationsgebiet (metabolische Krankheiten). Anfang 2011 schlugen die Wirkstoffsucher mit der Übernahme der Kinaxo GmbH aus München noch einmal zu. Erweiterte Methoden, um Antikörper mit ganz bestimmten Eigenschaften zu entwerfen, holte sich die Münchener MorphoSys AG mit der Übernahme der Sloning GmbH ins Haus. Die auf die industrielle Biotechnologie spezialisierte Brain AG aus Zwingenberg wiederum gab der frisch gegründeten Enzymicals AG in Greifswald eine Anschubfinanzierung und sicherte sich damit einen Anteil an dem Spezialisten für Biokatalysatoren. Bei dem Kauf von Heidelberg Pharma durch die Wilex AG gingen zwei Unternehmen zusammen, die beide durch den SAP-Gründer Dietmar Hopp finanziert werden und sich mit ihren Technologien ergänzen.Auch der Pharmamittelstand in Deutschland interessiert sich offenbar zunehmend für die Biotechnologie. Im Jahr 2010 haben einige Firmen gehandelt. Die Dresdener Apogepha GmbH übernahm die Mehrheit an der  ebenfalls in Dresden ansässigen UroTec GmbH. Das Tissue Engineering-Unternehmen arbeitet daran, erkrankte Harnorgane mit Hilfe von patienteneigenen Zellen zu erneuern. Das erste Produkt Mukocell wird gerade für die Zulassung vorbereitet. Ein weiteres Beispiel für das wachsende Interesse an der medizinischen Biotechnologie ist das Engagement der Engelhard Arzneimittel aus Niederdorfelden bei der Sterna Biologicals GmbH. Das junge Unternehmen aus Marburg entwickelt ein Asthma-Medikament auf der Basis von Nukleinsäuren. Dies könnte das bestehende Portfolio aus Medikamenten gegen Atemwegserkrankungen ergänzen, das Engelhard unterhält.

Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2010Lightbox-Link
Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2010Quelle: biotechnologie.de

Pharma investiert in Biotechnologie

Darüber hinaus investieren aber auch die Pharmaindustrie weiter in die Biotechnologie. Mit Boehringer Ingelheim richtete nun auch ein deutscher Pharmakonzern einen Corporate Venture Fonds ein. Die 100 Millionen Euro Startkapital dürften demnächst wohl auch in Beteiligungen an deutschen Biotechnologieunternehmen münden.Eine Reihe von Übernahmen und Beteiligungen im Jahr 2010 war allerdings keine rein deutsch-deutsche Angelegenheit, denn hiesige Unternehmen werden offenbar auch aus internationaler Sicht immer attraktiver. Immerhin bei der Hälfte der größten Übernahmen und Beteiligungen im Jahr 2010 waren es ausländische Unternehmen, die deutsche Biotechnologie-Unternehmen kauften. Der größte Deal dieser Art war die Übernahme des Regensburger DNA-Synthetisierers Geneart durch den amerikanischen Laborriesen Life Technologies. Die Düsseldorfer X-Zyme GmbH ging an Johnson Matthey aus Großbritannien, während ImaGenes GmbH in den Besitz der ebenfalls britischen Source Bioscience wechselte. Die französische NovAlix übernahm wiederum die Graffinity GmbH aus Heidelberg. Aus Ägypten kommen die neuen Besitzer der ProBioGen AG: Der Berliner Auftragshersteller für Biopharmazeutika wurde von Minapharm übernommen.Im Jahresvergleich sieht es ganz danach aus, als könnte 2010 eine Trendwende in der Finanzierungslandschaft der deutschen Biotechnologie markieren. Ob die kräftigen Mittelzuflüsse allerdings nur ein nötiges Nachfassen nach allzu mageren Jahren zuvor waren oder ein nachhaltig gestiegenes Vertrauen in das Potenzial der Branche symbolisieren, das wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.

 

Hintergrund

Die Biotechnologie-Firmenumfrage wurde von biotechnologie.de bereits zum sechsten Mal durchgeführt. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Januar und März 2011. Von insgesamt 757 angeschriebenen Unternehmen nahmen 616 Unternehmen an der Umfrage teil. Die Rücklaufquote liegt damit bei 81%. Der Stichtag der für die Erhebung berücksichtigten Daten ist der 31.12.2010.

Als Biotechnologie-Unternehmen werden Firmen angesehen, deren Unternehmensziel wesentlich oder ausschließlich in der Biotechnologie liegt. Im Rahmen der hier vorgelegten Zahlen werden sie als "dedizierte Biotech-Unternehmen" bezeichnet. Es wurden auch solche Unternehmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland einen Firmensitz mit F&E-Aktivitäten haben.

Diese Vorgehensweise orientiert sich an statistischen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die im Jahr 2004 verabschiedet wurden.

Die kostenfreie Nutzung sämtlicher Inhalte ist unter Angabe der Quelle (biotechnologie.de) ausdrücklich gestattet.

Downloads

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2011 

biotechnologie.de, April 2011. Deutsch/Englisch  Download PDF (2,8 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2010

biotechnologie.de, April 2010. Deutsch/Englisch Download PDF (3,2 MB) PDF online ansehen

Biotechnologie-Firmenumfrage 2009

biotechnologie.de, Mai 2009. Deutsch/Englisch Download PDF (3,8 MB) PDF online ansehen