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Die deutsche Biotechnologie-Branche 2012

Die deutsche Biotech-Branche 2012 <ic:message key='Bild vergrößern' />

Die Biotechnologie ist für viele Wirtschaftszweige zu einem wesentlichen Innovationstreiber geworden. 2011 hat die Branche in Deutschland erneut zugelegt - sowohl was den Umsatz, die Zahl der Mitarbeiter und die Zahl der Unternehmen angeht. Dies belegen die Ergebnisse der Biotechnologie-Firmenumfrage 2012, die biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt hat. Außerordentlich schwierig war es indes für die meisten Biotechnologie-Unternehmen, ihre Finanzierung sicherzustellen. Mit 142 Millionen Euro wurde von privater Seite nur wenig Kapital in die Branche investiert.

Finanzierung

Im Hinblick auf die Finanzierung war 2011 für die meisten deutschen Biotechnologie-Unternehmen ein extrem schwieriges Jahr. 2010 floss mit 700 Millionen Euro noch eine Rekordsumme an Kapital in die Branche. Im vergangenen Jahr nahm die Finanzierung durch den Kapitalmarkt deutlich ab: Lediglich 187 Millionen Euro frisches Geld waren zu verbuchen, zählt man Wagniskapital, Kapitalerhöhungen über die Börse und öffentliche Fördermittel zusammen. Insgesamt scheinen die Investoren in diesen schwierigen Zeiten Risiken zu meiden, und das trifft besonders die medizinische Biotechnologie mit ihren vielen Unwägbarkeiten auf dem Weg zum verkauften Medikament besonders hart.

Finanzierungsquellen der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen.Lightbox-Link
Finanzierungsquellen der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen.Quelle: biotechnologie.de

Schwierige Finanzierungssituation hat sich verschärft

Die privat geführten dedizierten Biotechnologieunternehmen erhielten rund 72 Millionen Euro an Risikokapital und mussten damit einen Rückgang auf weniger als ein Viertel des Vorjahresniveaus (321 Millionen Euro) hinnehmen. Auch die börsennotierten Firmen mussten den Gürtel um einiges enger schnallen. Sie sammelten 2011 nur 70 Millionen Euro ein, 2010 waren es noch 335 Millionen Euro. Stabilität versprach allein die öffentliche Förderung. Sie blieb mit 45 Millionen Euro in etwa auf dem Niveau des Vorjahres.

Die Finanzierungsströme sind zwar nicht komplett versiegt, doch der Pegel ist auf einem für viele Unternehmen unangenehm niedrigen Niveau angekommen. Noch am besten versorgt wurden diejenigen Firmen, bei denen sogenannte Family Offices beteiligt sind. Das sind vermögende Privatinvestoren wie Dietmar Hopp oder die Brüder Andreas und Thomas Strüngmann, die den Firmen, an denen sie Anteile halten, offenbar auch in harten Zeiten zur Seite stehen. An den größten Finanzierungsrunden und Kapitalerhöhungen des Jahres waren Family Offices maßgeblich beteiligt. So erhielt die börsennotierte und auf Immuntherapeutika spezialisierte Agennix AG insgesamt 27,5 Millionen Euro, vor allem von Hauptinvestor Dietmar Hopp.

Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2011.Lightbox-Link
Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2011.Quelle: biotechnologie.de

24 Millionen Euro schwer war die größte Wagniskapitalrunde 2011. Empfänger des Geldsegens ist die Scil Proteins GmbH, einst gegründet vom vormaligen Boehringer Mannheim-Gesellschafter Stefan Engelhorn. Das Biotech-Unternehmen aus Halle/Saale stellt rekombinante Proteine her. Die Heidelberger Sygnis Pharma AG konnte mehr als 12 Millionen Euro einwerben, teils über die Kapitalmärkte, aber auch von Hauptinvestor Hopp. 11,7 Millionen Euro gingen über die Börse an die 4SC AG, die von den Brüdern Strüngmann mitfinanziert wird. 4SC entwickelt in Martinsried bei München niedermolekulare Medikamente zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten und Krebs. Allerdings übten sich auch die Family Offices in Zurückhaltung. Grund: Erst 2010 waren sie an millionenschweren Finanzierungsrunden beteiligt gewesen. Dietmar Hopp ging 2011 keine neuen Engagements ein. Die Brüder Strüngmann kündigten an, sich ebenfalls auf ihr bestehendes Portfolio konzentrieren zu wollen.

Die VC-Investoren sind durchaus bereit zu geben, wenn zumindest mittelfristig Einnahmen winken. Das zeigt etwa die Wagniskapitalrunde bei der Curetis AG. Mit 14,1 Millionen gelang dem Molekulardiagnostikspezialisten die drittgrößte Finanzierung des Jahres. Curetis hat spezielle Einwegkassetten entwickelt, die sämtliche Reagenzien für einen automatischen Erregernachweis enthalten und einfach ausgetauscht werden können. Das vielversprechende Modell gefiel institutionellen Anlegern wie Forbion Capital Partners, dem Roche Venture Fonds sowie dem Investor CD Venture.

Finanzierungsinstrumente mit staatlicher Beteiligung

Wenn die privaten Geldgeber in der Deckung bleiben, nimmt die Bedeutung der öffentlichen Hand zu. Diese Regel bestätigte sich 2011, als im Oktober die zweite Auflage des High-Tech-Gründerfonds (HTGF) verkündet wurde. 288,5 Millionen Euro liegen bereit, um junge Technologie-Unternehmen in der Aufbauphase zu unterstützen. Mit dem HTGF-I wurde seit 2005 in rund 250 Unternehmen investiert. Auch beim HTGF-II bleibt der Bund mit 220 Millionen Euro der Hauptinvestor, gefolgt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 40 Millionen Euro. Desweiteren sind 13 private Unternehmen beteiligt. Mit Qiagen und B. Braun Melsungen sind nun erstmals zwei Unternehmen aus den Life Sciences eingestiegen.

Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2011.Lightbox-Link
Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2011.Quelle: biotechnologie.de

Der HTGF ist aber nicht das einzige Finanzierungsinstrument mit staatlicher Beteiligung: Der Spinnovator, der unter anderem vom BMBF unterstützt wird und im Mai 2011 vorgestellt wurde, setzt auf ein neues Konzept im Technologie-Transfer. In den kommenden fünf Jahren sollen durch dieses Public-Private Partnership bis zu 40 Millionen Euro in bis zu zehn ausgewählte Biotech-Start-Ups fließen. 20 Millionen Euro wird das BMBF in Form von projektgebundener Förderung zur Verfügung stellen. Die andere Hälfte der Mittel stammt von der luxemburgischen Vesalius Biocapital. Falls sich weitere Investoren an den fünf zu gründenden Start-Ups beteiligen, könnte sich das Finanzierungsvolumen pro Unternehmen noch einmal deutlich erhöhen. Mit Vesalius Biocapital spielt damit zum ersten Mal ein Risikokapitalgeber in einem öffentlich geförderten Programm so früh eine derartig aktive Rolle.

Ein weiteres Beispiel für diesen Trend ist der Charité Biomedical Fonds. Das 30 Millionen Euro schwere Finanzierungsvehikel wurde zwar schon Ende 2010 aufgelegt, hat aber erst im November 2011 sein erstes Investment getätigt. Die Humedics GmbH, eine Ausgründung der Charité Universitätskliniken und der Freien Universität Berlin, erhielt 1,2 Millionen Euro. Der Fonds wurde als unabhängiger Fonds für Risikokapital von Peppermint Venture Partners gemeinsam mit der Stiftung Charité initiiert. Das Zielvolumen liegt bei 50 Millionen Euro. Die Mittel sollen vorwiegend in Ausgründungen aus der Charité und aus den Berliner Hochschulen investiert werden. Bundesweit werden bis zu 15 Unternehmen profitieren, vorwiegend aus dem Gesundheitswesen mit Schwerpunkt Medizintechnik.

Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2011.Lightbox-Link
Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2011.Quelle: biotechnologie.de

Wenige Übernahme-Aktivitäten

Insgesamt war 2011 ein Jahr der Zurückhaltung. Das wurde auch bei den wenigen Übernahmen deutlich. Qiagen zeigte Kapitalkraft, als es ohne großes Aufsehen die australische Cellestis für 355 Millionen US-Dollar schluckte. Das Unternehmen bietet molekulardiagnostische Tests zum Nachweis ganz spezieller Krankheiten an. Darunter fallen latente Tuberkulose-Infektionen, die mit Hilfe herkömmlicher Verfahren nicht gefunden werden können. Der Verkauf der mtm laboratories zeigte erneut, wie attraktiv Geschäftsmodelle sind, die schon Umsätze generieren. Seit 2007 bietet mtm einen weiterentwickelten Test zum Gebärmutterhalskrebs-Screening an. Das Schweizer Pharmaunternehmen Roche hielt dieses Feld offenbar für so vielversprechend, dass es im vergangenen Jahr die Heidelberger für 130 Millionen Euro erwarb.

Innerhalb der deutschen Biotechnologie gab es nur wenige derartige Aktivitäten. Der Dienstleister Evotec AG aus Hamburg übernahm Kinaxo Biotechnologies GmbH, ein Münchner Biotechnologieunternehmen, das Pharmafirmen bei der Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten unterstützt. Ein Spezialist in der Auftragsherstellung von Zelllinien, die Jülicher Celonic GmbH, ging an die Rettenmaier-Gruppe.

Insgesamt präsentiert sich 2011 als paradoxes Jahr: Zum einen erreichen immer mehr Entwicklungen den Markt – der Branchenverband BIO Deutschland zählt mittlerweile mehr als 700 Produkte von „Biotech made in Germany“ – und generieren mehr und mehr Einnahmen. Zum anderen wollen nur wenige Geldgeber in die Biotechnologie investieren. Es scheint so, als würden die guten Nachrichten aus der Branche bei den Investoren derzeit nicht gehört.

 

Hintergrund

Die Biotechnologie-Firmenumfrage wurde von biotechnologie.de bereits zum siebten Mal durchgeführt. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Januar und März 2012. Von insgesamt 742 angeschriebenen Unternehmen nahmen 584 Unternehmen an der Umfrage teil. Die Rücklaufquote liegt damit bei 79 %. Der Stichtag der für die Erhebung berücksichtigten Daten ist der 31.12.2011.

Als Biotechnologie-Unternehmen werden Firmen angesehen, deren Unternehmensziel wesentlich oder ausschließlich in der Biotechnologie liegt. Im Rahmen der hier vorgelegten Zahlen werden sie als "dedizierte Biotech-Unternehmen" bezeichnet. Es wurden auch solche Unternehmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland einen Firmensitz mit F&E-Aktivitäten haben.

Diese Vorgehensweise orientiert sich an statistischen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die im Jahr 2004 verabschiedet wurden.

Die kostenfreie Nutzung sämtlicher Inhalte ist unter Angabe der Quelle (biotechnologie.de) ausdrücklich gestattet.

Downloads

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2012

biotechnologie.de, April 2012. Deutsch/Englisch Download PDF (5,2 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2011 

biotechnologie.de, April 2011. Deutsch/Englisch  Download PDF (2,8 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2010

biotechnologie.de, April 2010. Deutsch/Englisch Download PDF (3,2 MB) PDF online ansehen