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Biotechnologie in Brasilien

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Die Flagge von Brasilien Quelle: wikipedia.de

Brasilien boomt – und strebt nach der Weltspitze. In einer nahezu beispiellosen Aufholjagd hat sich das Land am Amazonas in den vergangenen 15 Jahren zu einer wirtschaftlichen Großmacht entwickelt. Die Biotechnologie wurde dabei mit massiver staatlicher Förderung vorangetrieben. Ökonomisch den größten Anteil hat die Bioethanol-Fermentation aus Zuckerrohr, hier ist Brasilien nach den USA weltweit führend. Aber auch die Genomforschung, vor allem in der Grünen Gentechnik. Für die noch junge und staatlich finanzierte Branche stellt der Sprung auf den internationalen Markt noch eine Herausforderung dar, wird aber nicht mehr lange auf sich warten lassen. Historisch gewachsen bestehen besondere Forschungs- und Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland.

Forschungslandschaft

Brasilien sieht Biotechnologie unter anderem als einen Weg, die landwirtschaftliche Leistung zu verbessern. In den neunziger Jahren wuchs auf staatlicher Seite das Bewusstsein, dass sich hier eine Chance für die brasilianische Wissenschaft ergibt. Die Titelseite des renommierten Fachmagazins Nature vom 13. Juli 2000 zeigte der internationalen Forschergemeinde, dass die brasilianischen Kollegen es ernst meinten. Ein staatlich finanziertes Team hatte das gesamte Genom des Pflanzenschädlings Xylella fastidiosa sequenziert. Das Bakteriums befällt vor allem Orangenplantagen, berichteten die Forscher im Fachblatt (2000, Bd. 406, 151-157).

 

Die Genomsequenzierung des Pflanzenschädlings Xylella war eine großer Erfolg der brasilianischen Biotech-Forschung.Lightbox-Link
Die Genomsequenzierung des Pflanzenschädlings Xylella war eine großer Erfolg der brasilianischen Biotech-Forschung.Quelle: Nature

In den folgenden Jahren publizierten die brasilianischen Forscher das Genom eines weiteren Xylella-Bakteriums, begannen mit der inzwischen abgeschlossenen Sequenzierung des Zuckerrohr-Genoms und beteiligten sich am Humanen Krebs-Genom-Projekt. Aus dem Projekt gingen die Firmen Allelyx (mit dem Schwerpunkt Genomforschung) und CanaVialis (fokussiert auf konventionelle Zuckerrohrzüchtung) hervor, die seit 2008 Teil des Monsanto-Konzerns sind und die Basis für die Zuckerrohr-Tätigkeiten von Monsanto bilden. Brasilianische Forscher haben sich in den vergangenen Jahren an der Sequenzierung zahlreicher Organismen beteiligt.

Seit 2002 ist Brasilien auch in der Forschung an adulten Knochenmarkstammzellen tätig und ist Schauplatz der weltweit größten klinischen Versuchsreihe für eine Behandlung mit Stammzellen des Knochenmarks. Seit einigen Jahren wird im Multicenter Randomized Cell Therapy Trial in Cardiopathies (MiHeart) die Wirksamkeit von Stammzelltherapien auf bestimmte Herzleiden untersucht. Die 4,25 Millionen Euro teure Studie besteht aus vier unabhängigen klinischen Teilstudien und umfasst 33 Kliniken und 1200 Patienten. In einem nächsten Schritt soll eine Therapie mit embryonalen Stammzellen geprüft werden. 2007 entwickelten brasilianische Forscher eine Stammzelltherapie für Typ 1-Diabetes und schließlich künstliches Insulin.

Forschungseinrichtungen

Die beiden größten biomedizinischen Forschungsinstitute sind die Oswaldo Cruz Foundation (FIOCRUZ) und das Institute Butantan. FIOCRUZ wurde in Rio de Janeiro bereits 1900 gegründet, um Epidemien von Pest, Gelbfieber und Windpocken unter Kontrolle zu  bekommen. Das Institut ist mit dem brasilianischen Gesundheitsministerium assoziiert und betreibt auch eine Produktionsstätte für Impfstoffe und Diagnostik in Rio de Janeiro. Es ist der größte Impfstoffhersteller in Brasilien.

Das in Sao Paulo ansässige Institute Butantan ist ebenfalls mit dem brasilianischen Gesundheitssektor verbunden. Ähnlich wie FIOCRUZ ist es in verschiedenen biomedizinischen Bereichen tätig, von Ausbildung bis zu Forschung, Entwicklung und Produktion von Medikamenten. Neben diesen beiden Instituten gibt es noch mehrere kleine, meist private Forschungseinrichtungen, unter anderem das Ludwig Institut für Krebsforschung in Sao Paulo.

Die Agrarforschung wird koordiniert von der öffentlichen Agrarforschungseinrichtung Empresa Brasileira de Pesquisa Agropecuária (Embrapa) mit Hauptsitz in Brasilia. Das 1973 gegründete Institut beschäftigt über 8000 Mitarbeiter an 38 Forschungsstationen und ist dem Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Versorgung zugeordnet. In den letzten zehn Jahren hat Embrapa zusammen mit BASF eine herbizidtolerante Sojabohnensorte entwickelt und im Februar 2009 in Brasilien zur Genehmigung eingereicht.

Bei der Sorte, die seit 2011 unter dem Namen „Cultivance“ vertrieben wird, handelt es sich um die erste gentechnisch veränderte Pflanze, die vollständig in Brasilien entwickelt wurde und für den brasilianischen Markt bestimmt ist. Die Gene, die die Herbizidtoleranz vermitteln, stammen von BASF und wurden von Embrapa-Forschern in die Sojabohne übertragen. 

Das Embrapa-Institut beherbergt außerdem die viertgrößte Bakteriendatenbank der Welt. Ein weiterer landwirtschaftlicher Forschungsschwerpunkt liegt bei der Optimierung von Zuckerrohr zur Gewinnung von Bioethanol. Embrapa hat vitaminreichere Bananen, Mais, Squash, Maniok und Bohnen entwickelt, krankheitsresistente Papaya sowie eine Zuckerrohrsorte mit erhöhtem Energieanteil. Wegen der großen Bedeutung des Zuckers als Ausgangsstoff für Ethanol ist diese Entdeckung für die Branche besonders wichtig.

Einzelne Spitzenleistungen in der Forschung können aber nicht über die großen Probleme mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs hinwegtäuschen. Schuld ist das brasilianische Bildungssystem, das als stark verbesserungswürdig gilt. In der jüngsten Pisa-Studie 2009 belegte Brasilien den 53. von insgesamt 65 Plätzen.

In mehr als hundert Universitäten werden nach einer Erhebung der Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers und Biominas lebenswissenschaftliche Studiengänge angeboten. 2010 graduierten 37.000 Studenten, 12.000 weitere haben in dem Jahr eine Promotion abgeschlossen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Studenten mit Doktortitel verdreifacht. Davon promoviert fast die Hälfte im Bereich der Lebenswissenschaften.

Die größte Ausbildungs- und Forschungseinrichtung der Biotechnologie ist die Universität Sao Paulo (USP), auf die ein Viertel aller brasilianischen Publikationen in dem  Bereich entfällt. Von den Instituten der Universität, die biotechnologische und biomedizinische Forschung betreiben, sind besonders das Institut für biomedizinische Wissenschaften, das chemische Institut und die Luiz Queiroz Hochschule für Landwirtschaft bekannt.

Die Universität in Minas Gerais (UFMG) bildet zusammen mit dem Ludwig Institute das wissenschaftliche Herzstück des Minas-Gerais-Clusters. Die zweitgrößte Universität Brasiliens meldete der Fundacao Biomimas zufolge 2007 mehr als 55% ihrer Patente in der Biotechnologie an. Die Universität ist ausgestattet für Diagnostik, Impfstoffentwicklung und die Behandlung zahlreicher Krankheiten wie Krebs, aber auch lokaler seltener Krankheiten; die Herausforderung liegt hier wie in anderen Forschungseinrichtungen der Fundacao Biominas (2007) zufolge darin, Sponsoren für klinische Studien zu finden.

Forschungsstark ist auch die Universität in Rio de Janeiro, die wie auch Sao Paulo eng mit FIOCRUZ zusammenarbeitet. Sie ist eine der ältesten Universitäten im Land und hat die biotechnologische Forschung in acht Kernbereichen organisiert. In der Pflanzenbiotechnologie beschäftigen sich die Forscher unter anderem mit der Verpflichtung einheimischer Pflanzen und Bakterien bei der Beseitigung von Umweltverschmutzungen sowie der genetischen Modifikation einheimischer Gemüsesorten. Das biochemische Institut vereint zehn verschiedene Labore zur Forschung an Pflanzen und Tieren. In einem ernährungswissenschaftlichen Schwerpunkt geht es unter anderem darum, alternative Herstellungsmethoden für Nährstoffe zu finden.

Als vierte große Universität gilt die State University of Campinas (Unicamp). Hier liegen die Forschungsschwerpunkte auf Agrarwissenschaft und Biochemie, die Unicamp ist besonders aktiv in der Zusammenarbeit mit Unternehmen, und hat zu diesem Zweck 2003 die hauseigene Innovationsagentur INOVA ins Leben gerufen.

Förderprogramme

Seit der Verabschiedung der ersten Förderprogramme zu Genetik und Tropenkrankheiten in den 1970er Jahren wird die Biotechnologie in Brasilien bevorzugt gefördert. 2007 wurde der „Nationale Aktionsplan für Wissenschaft, Technologie und Innovation“ ins Leben gerufen, ein vierjähriges Rahmenprogramm der brasilianischen Regierung zur Forschungsförderung.

Auf Bundesebene fördert das Ministerium für Wissenschaft und Technologie direkt über zwei Förderträger, die ebenfalls mit einem eigenen Budget agieren. Die 1967 gegründete Förderagentur für Studien und Projekte (FINEP) unterstützt Universitäten, Forschungseinrichtungen und forschende Unternehmen. CNPq verteilt Mittel an Einzelpersonen und Projekte. Auf regionaler Ebene sind die Forschungsfördervereinigungen der Bundesstaaten (Fundações de Amparo à Pesquisa, FAPs) aktiv, die größte von ihnen ist die FAP in Sao Paulo, FAPESP. Ein Ungleichgewicht ergibt sich dadurch, dass die Forschungsförderung einer Region von ihrem Steueraufkommen abhängt, und die großen Cluster im Süden entsprechend besser ausgestattet werden als die vergleichsweise unbekannten Universitäten im Norden des Landes.

Kooperationen für klinische Studien nötig

Die brasilianischen Biotechnologen haben in den vergangenen 15 Jahren zwar viel Boden gutgemacht, im internationalen Vergleich haben sie aber noch kein großes Gewicht. Nur 0,2 % der weltweit ausgestellten Patente gehen auf brasilianische Forschung zurück. Sie kommen meist aus Instituten und Universitäten. Es mangelt Experten zufolge oft an der kommerziellen Verwertung, so fehlt es immer wieder an Mitteln für die klinische Zulassung neuer Wirkstoffe.

Nach wie vor ist ein Großteil der Forschung öffentlich finanziert. Eine trotz einiger Reformen sorgt hier die noch immer recht schwerfällige Verwaltung nicht für große Dynamik. So war es bis 2004 Angestellten von Universitäten untersagt, in Privatunternehmen tätig zu werden, Ausgründungen waren deshalb beinahe unmöglich. Mittlerweile bemüht sich die Politik, verstärkt Public-Private-Partnerships zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu ermöglichen. In der Branche herrscht aber Aufbruchsstimmung. Nicht wenige glauben, dass das Land auf dem Weg zu den Top 5 der Biotech-Nationen ist.

 

Hintergrund

Unternehmen: 271 (PwC)

Schwerpunkt: Bioethanol (Zuckerrohr), Agrarwirtschaft (Soja, Mais, Baumwolle), Diagnostik, Impfstoffherstellung, Umwelt

Branchenverband: BrBiotek
http://www.brbiotec.org.br/

Regionaler Cluster:  

Sao Paulo, Minas Gerais, Rio de Janeiro. Drei Viertel der Branche konzentrieren sich in diesen drei Städten im Süden des Landes.

Forschungsförderung
durch Bundesstaaten FACEPE FAPEMA FAPEMIG FAPERGS FAPERJ FAPESB FAPESP FAPESPA FAPITEC FUNCAP Fundação Araucária

Financiadora de Estudos e Projetos FINEP

Conselho Nacional de Desenvolvimento Científico e Tecnológico CNPq

Zulassungsbehörde

Comissao Técnica Nacional de Biosseguranca CTNBio

Rechtliche Grundlagen
Forschung mit Stammzellen erlaubt, unter Auflagen: die embryonalen Stammzellen müssen überzählig bei in-vitro-Befruchtungen entstanden sein und seit mindestens 3 Jahren tiefgekühlt lagern; drittgrößtes Land für kommerziellen gv-Anbau, insbesondere Soja, keine Mindestabstände. Freisetzung und Import von gv-Produkten sind zulassungspflichtig. De facto schwerfällige und langwierige Prüfung von Patentanmeldungen. Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln und Tierfutter ab 1% gv-Gehalt.

Internationale Kooperationen

www.internationale-kooperationen.de

Sie interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen im Ausland? Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt einen solchen Austausch. Mehr Informationen zu möglichen Förderprogrammen und länderspezifische Hintergründe finden Sie unter:

www.internationale-kooperationen.de