Biotechnologie in Brasilien

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Die Flagge von Brasilien Quelle: wikipedia.de

Brasilien boomt – und strebt nach der Weltspitze. In einer nahezu beispiellosen Aufholjagd hat sich das Land am Amazonas in den vergangenen 15 Jahren zu einer wirtschaftlichen Großmacht entwickelt. Die Biotechnologie wurde dabei mit massiver staatlicher Förderung vorangetrieben. Ökonomisch den größten Anteil hat die Bioethanol-Fermentation aus Zuckerrohr, hier ist Brasilien nach den USA weltweit führend. Aber auch die Genomforschung, vor allem in der Grünen Gentechnik. Für die noch junge und staatlich finanzierte Branche stellt der Sprung auf den internationalen Markt noch eine Herausforderung dar, wird aber nicht mehr lange auf sich warten lassen. Historisch gewachsen bestehen besondere Forschungs- und Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland.

Einführung

Brasilien will bis 2023 zu den Top 5 der Biotechnologie weltweit gehören, und konzentriert sich auf die Bereiche Agrarwirtschaft, Bioenergie bzw. Biotreibstoff, Gesundheit und Umwelt.

Das Land verfügt über gewaltige natürliche Ressourcen. Mit 8.500.000 qkm Fläche ist es das fünftgrößte Land der Erde, es verfügt über 7.500 Kilometer Küste, den längsten Fluss der Welt und die größten Frischwasserreserven. Der größte zusammenhängende Regenwald bietet nicht nur gewaltige Mengen an Biomasse, sondern auch eine Artenvielfalt, die ihresgleichen sucht – Brasilien ist nicht nur ein Paradies für Tier- und Pflanzenkundler, sondern birgt riesige biologische Ressourcen vor allem für die Lebenswissenschaften.

 

Die grüne Gentechnik ist in Brasilien weit verbreitet.Lightbox-Link
Die grüne Gentechnik ist in Brasilien weit verbreitet.Quelle: Captain Blood/wikipedia.de

Später Start für Grüne Gentechnik

Trotz dieser guten Ausgangsposition spielte der südamerikanische Staat in der Biotechnologie lange Zeit keine bedeutende Rolle. Im Jahr 1997 begann ein staatlich finanziertes Wissenschaftlerteam die Aufholjagd mit der Sequenzierung des Zitruspathogens Xylella fastidiosa. Die Publikation im Februar 2000 gilt als öffentlicher Startschuss für die brasilianische Biotechnologie. Die Grüne Gentechnik spielt für Brasilien aber bereits seit den 90er Jahren eine Rolle. Trotz eines offiziellen Anbauverbots wurden immer wieder gentechnisch veränderte Sojavarianten von Landwirten eingeschmuggelt. Die Regierung legalisierte den Status quo schließlich im Jahr 2005. Inzwischen steht das Land an zweiter Stelle hinter den USA. Nach Angaben des Verbands ISAAA wurden in Brasilien 2010 auf insgesamt 25,4 Millionen Hektar kommerziell gv-Nutzpflanzen angebaut, allen voran Soja, aber auch Mais und Baumwolle.

 

Zuckerrohr ist der wichtigste nachwachsende Rohstoff für die Biotech-Industrie in Brasilien.Lightbox-Link
Zuckerrohr ist der wichtigste nachwachsende Rohstoff für die Biotech-Industrie in Brasilien.Quelle: David Barrie/flickr.com

Weltweit zweitgrößter Produzent von Bioethanol

Weltweite Bedeutung erlangt hat Brasilien zudem als Produzent von Biotreibstoff. Hinter den USA betreibt das Land 30% der weitweiten Fermentieranlagen. In ihnen wird zum allergrößten Teil Zucker durch Bakterien zu Bio-Ethanol umgewandelt. Das Ethanol wird vor allem als Treibstoff eingesetzt. In Brasilien fahren mittlerweile 90 Prozent der verkauften Neuwagen mit einem Gemisch aus Benzin und Ethanol. Der dort vorrangig aus Zuckerrohr gewonnene Treibstoff ist nach Öl inzwischen die zweitwichtigste Energiequelle in dem südamerikanischen Land. Die Produktionskapazitäten für Bio-Ethanol wurden in den vergangenen Jahren rasant gesteigert.

Aber auch die rote Biotechnologie wird stärker. Da Brasilien einer der größten Produktionsmärkte für Generika weltweit ist, haben in den vergangenen Jahren zahlreiche große Pharmaunternehmen ihre Präsenz am Amazonas ausgebaut. Das bevölkerungsreiche Land bietet gute Voraussetzungen für klinische Tests, hat den siebtgrößten Verbrauchermarkt der Welt und dem Kompetenznetzwerk Fundacao Biominas zufolge nicht zuletzt von der Weltwirtschaftskrise profitiert, die den Fokus von den dominanten Märkten in den USA und Europa verschoben hat. Darüber hinaus gehört Brasilien zu den wirtschaftlich und politisch stabilsten Ländern in Lateinamerika und der Karibik. Die fest verankerte Demokratie, die geringen sozialen Spannungen und die relativ junge Bevölkerung machen das Land zusätzlich attraktiv für Investitionen.

Unternehmenslandschaft

Die brasilianische Biotechnologie ist zwar relativ jung, wächst aber schnell. Die Beratungsunternehmen Fundacao Biominas und PricewaterhouseCoopers (Pwc) zählen in einer Untersuchung aus dem Jahr 2011 insgesamt 271 Life-Science-Firmen, davon 143 (52,3%) Biotechnologie-Unternehmen im engeren Sinne. 30,8 Prozent sind demnach im biomedizinischen Bereich tätig, 18 Prozent in der Agrobiotechnologie und rund 16 Prozent im Bereich Umweltforschung und Bioenergie. 2008 erwirtschaftete die Branche insgesamt 400 Millionen US-Dollar Umsatz und 55,5 Millionen USD Gewinn. Biominas schätzt, dass 6.000 Beschäftigte in der Biotechnologie tätig sind, davon 45,8 Prozent in der Forschung (Stand 2009).

Anzahl der Biotechnologie-Unternehmen in den einzelnen Regionen Brasiliens.Lightbox-Link
Anzahl der Biotechnologie-Unternehmen in den einzelnen Regionen Brasiliens.Quelle: Biominas/PwC
 

Der Schwerpunkt der Industrie liegt im Südosten des Landes, die Branche konzentriert sich vor allem um die Städte Sao Paulo, Minas Gerais, Rio de Janeiro und Espirito Santo. Hier befinden sich 74,5% der in den Lebenswissenschaften tätigen Unternehmen. Dabei hat eine auffällige Clusterbildung stattgefunden: Allein um Sao Paulo und Minas Gerais konzentrieren sich 64% der Branche, und der Cluster wächst weiter. Eine weitere Firmenkonzentration findet sich im Süden um die Städte Parana, Santa Catarina und Rio Grande do Sul, die 14,4% der Branche auf sich vereinen.

Die brasilianische Biotechnologie ist noch sehr jung. Zwischen 2003 und 2008 wurden mehr als 80 Biotech-Unternehmen neu gegründet. Mehr als zwei Drittel der Firmen haben weniger als 20 Angestellte, mehr als die Hälfte beschäftigt unter zehn Mitarbeitern (Stand 2011). Seit einigen Jahren werden Start-ups besonders gefördert, finanzielle Anreize für internationale Konzerne haben Partnerschaften zwischen Unternehmen ermöglicht. Ebenfalls gefördert wird die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen; Biominas zufolge kooperierten 2009 rund 73 % all Unternehmen mit einer Universität oder einem wissenschaftlichen Institut. Die Branche ist aufgrund eines Mangels an einheimischen Wagniskapitalgebern noch maßgeblich von staatlicher Förderung abhängig, da sie selbst mehrheitlich noch nicht reif ist für den Kapitalmarkt. 2009 hatten gerade 17 brasilianische Biotech-Unternehmen einen Wagniskapitalgeber, die Akquise von finanziellen Mitteln und Geschäftspartnern sind bei vielen Unternehmen das wichtigste Ziel. Mit Messen wie der BioLatina und der Biopartnering Latin America versuchen Branchenverbände, dies zu unterstützen.

Die brasilianische Unternehmenslandschaft ist geprägt von kleinen Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern.Lightbox-Link
Die brasilianische Unternehmenslandschaft ist geprägt von kleinen Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern.Quelle: Biominas/PwC

Gute Kontakte nach Deutschland

Brasilien hat eine große deutschstämmige Einwanderer- und Unternehmercommunity. Historisch gewachsen ist damit auch eine intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland, die in den vergangenen Jahren neue Weichenstellungen erfahren hat. 2008 wurde der „Aktionsplan der deutsch-brasilianischen strategischen Partnerschaft" beschlossen, der auch eine wirtschaftlich-technische Zusammenarbeit unter anderem in den Biowissenschaften vorsieht. Diese wiederum basiert auf einem zuletzt 1996 aktualisierten Rahmenabkommen zur wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung zwischen Deutschland und Brasilien. Thematische Schwerpunkte der Zusammenarbeit werden auf den Sitzungen der gemeinsamen Kommission vereinbart. Die letzte Sitzung fand im November 2007 in Brasilia statt, unter anderem wurde dabei eine intensivere Kooperation in der Biotechnologie verabredet. Seit 2007 findet außerdem im zweijährigen Rhythmus das „Deutsch-Brasilianische Biotechnologie-Forum“ als Begleitveranstaltung der Fachmesse Biotechnica statt.

Gesundheitssektor

Wie bei den meisten Ländern entfällt auch in Brasilien ein Großteil der Branche auf den Gesundheitssektor. Hier sind ein Drittel der registrierten Unternehmen tätig (Stand 2009). Stammzellforschung, Genomstudien und Impfstoffherstellung bilden die Schwerpunkte. Allerdings sind brasilianische Biotechfirmen nach einer Studie aus dem Jahr 2007 wenig innovativ. In der Zahl der selbst entwickelten Medikamente und eigenen Patente gebe es deutlichen Nachholbedarf, so die Studie. Schuld an der niedrigen Innovationstätigkeit des Privatsektors sei in erster Linie der Mangel an Fachkräften, ein Übermaß an Bürokratie sowie die wenig verbreiteten internationalen Kooperationen.

Impfstoffe und Diagnostik 

Schwerpunkte der roten Biotechnologie liegen in Brasilien bei der Impfstoffherstellung, in der Diagnostik und bei biomedizinischen Dienstleistungen. Zudem bietet das Land gute Bedingungen für klinische Tests. Das bevölkerungsreichste Land Südamerikas hat eine große Zahl testwilliger Patienten und eine gute Infrastruktur an Personal und Geräten. 

Als brasilianische Erfolgsgeschichte gilt das künstliche Insulin, in den 90er Jahren entwickelt in einer Partnerschaft zwischen der Universität Minas Gerais (UFMG) und dem dort ausgegründeten ersten originär brasilianischen Biotechunternehmen Biobras. Zudem Zeitpunkt war Biobras eins von vier Unternehmen weltweit mit patentiertem künstlichem Insulin. Vor der Übernahme durch Novo Nordisk 2002 übertrug Biobras das Patent an seine Ausgründung BIOMM, die 2009 wiederum an Uniao Quimica weiterverkauften. Brasilien ist durch die heimische Produktion unabhängig von Insulinimporten. BIOMM ist auch die erste im Aktienmarkt gelistete Biotechfirma Brasiliens.

Ebenfalls ein erfolgreiches Start-up ist FK Biotecnologia, 1999 der erste Wagniskapitalempfänger im Land. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung, Produktion und Kommerzialisierung von Immuntherapien, immundiagnostischen Produkten und Krebsmedikation spezialisiert. In einem Joint Venture mit der kanadischen SpectraDigital entwickelt FK Biotechnologia derzeit eine Diagnostikmethode, mit dem die Widerstandskraft des HI-Virus vor Behandlungsbeginn getestet werden kann. In der Pipeline von FK befinden sich unter anderem Impfstoffe gegen verschiedene Krebsarten.

Bionext mit Hauptsitz in Sao Paulo stellt mikrobiologisch Zellulose her, die in der Industrie breite Anwendung findet. Als erstes Produkt vertreibt die Firma den Stoff in Form eines mitheilenden Wundverbandes für Verbrennungen, chronische Wunden und Verletzungen. Das Portfolio umfasst auch Membranen zur inneren Anwendung.

Auf einer Zufallsentdeckung baut das Produkt von Pele Nova (Sao Paulo) auf. Auf der Suche nach einer Operationstechnik für Speiseröhrenverletzungen bei Hunden entdeckten die Wissenschaftler, dass eines der implantierten Latexmaterialien zur nahezu vollständigen Regeneration des Gewebes führte. Unter dem Namen Biocure wird die in Brasilien entwickelte und patentierte Biomembran inzwischen in über 60 Ländern bei den verschiedensten Verletzungen eingesetzt. Die Firma forscht derzeit an Proteinen für entzündungshemmende Verbände.

Geschäftsmodell seltene Krankheiten

„Was Sie als seltene Krankheit bezeichnen, sehe ich als Geschäftsmodell!“ Mit diesem Ausspruch verwies Fernando Kreutz, Geschäftsführer der in Porto Alegre ansässigen FK Biotecnologia, 2011 auf das Alleinstellungsmerkmal der brasilianischen Gesundheitsbranche. Brasiliens Stärke liege in der „Lösung von lokalen Gesundheitsproblemen, die nicht in das Gewinnkalkül der internationalen Pharmariesen passen, und im Geschäft mit vernachlässigten Marktnischen, wie kleinen Laboratorien und ländlichen Gebieten.“ Das stellte eine Studie der Investitionsagentur German Trade&Invest fest. Eine Studie des McLaughlin-Rotman Centre 2008 bestätigte dies und legte den Fokus der Branche auf seltene Krankheiten und Produkte für den ländlichen Sektor.

Neben FK Biotecnologia, Produzent monoklonaler Antikörper für die Diagnostik seltener Krankheiten sind in diesem Bereich auch Katal Biotecnologica (Belo Horizonte) und Labtest Diagnostica (Lagoa Santa) tätig. Mit benutzerfreundlichen und erschwinglichen Diagnostik-Sets konzentrieren diese Unternehmen auf Abnehmer in den dünner besiedelten ländlichen Regionen, ein Markt, der von den großen Pharmafirmen nicht bedient wird.

Im biomedizinischen Bereich agieren in Brasilien auch zahlreiche multinationale Firmen wie Abbot, Novartis oder Bayer. Für die Leverkusener ist Brasilien der größte Markt Lateinamerikas. Im Jahr 2008 wurden 40% des Gesamtumsatzes in Lateinamerika hier erwirtschaftet. In Brasilien betreibt Bayer zwei Produktionsstätten: in São Paulo und in Belford Roxo.

Zum größten Hersteller von Generika in Lateinamerika wurde Sanofi-Aventis durch die Übernahme von Medley im Jahr 2009. Das französische Pharmaunternehmen hat in Brasilien einen Anteil von 12% .

Agrobiotechnologie

Nach den USA hat Brasilien mit 25,4 Millionen Hektar mittlerweile die zweitgrößte Anbaufläche für gv-Nutzpflanzen. Knapp jedes fünfte Unternehmen ist der Grünen Biotechnologie zuzurechnen. Nach Angaben von Biominas sind dabei die Pflanzenzüchtung, die Produktion von Saatgut, aber auch die gentechnische Modifikation bedeutende Geschäftsfelder. Vor allem drei „Cash Crops“ stehen dabei im Vordergrund: Soja – hier ist Brasilien zweitgrößter Produzent der Welt – Mais und Baumwolle.  

Zuckerrohr wird in riesigen Plantagen angebaut.Lightbox-Link
Zuckerrohr wird in riesigen Plantagen angebaut.Quelle: TheNovice/flickr.com

Soja, Mais und Baumwolle

Bei allen drei Sorten spielen gv-Varianten eine tragende Rolle. Im Juli 2011 veröffentlichte das US-amerikanische Landwirtschaftsministerium (US Department of Agriculture, USDA) eine Liste aus der hervorgeht, dass Brasilien gv-Pflanzen in großen Mengen in die USA exportiert. Insgesamt sind in Brasilien 31 gv-Sorten offiziell zugelassen, darunter 17 für Mais, 9 für Bauwolle und 5 für Soja. Drei von vier Maispflanzen sind gv-Sorten, bei Soja beträgt der gv-Anteil sogar 85%, bei Baumwolle beträgt er ein Drittel. Die Dynamik hält unvermindert an. In einer Studie aus dem Jahr 2011 vermeldete die brasilianische Unternehmensberatung Celeres, dass die Anbaufläche von gv-Soja im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent zugenommen hat. Beobachter rechnen damit, dass neue Sorten diesen Trend fortsetzen. In der Pipeline befinden sich neue Arten von Zuckerrohr, Bohnen, Kartoffeln, Papaya und Eukalyptus, deren Zulassung in den nächsten Monaten erwartet wird.

Bayer CropScience, die Agrartochter des Chemiekonzerns aus Leverkusen, ist in Brasilien seit längerem aktiv. Im Februar 2011 erfolgte die Zulassung der gv-Baumwolle TwinLink durch die Nationale Kommission für Biosicherheit. TwinLink macht Baumwolle durch entsprechende Gene im Saatgut gegen die Raupen verschiedener Falter resistent und zudem tolerant gegenüber Herbiziden, die Glufosinat-Ammonium enthalten. In Brasilien vermarktet das Unternehmen bereits LibertyLink-Baumwolle und hat dort im Dezember 2010 die Zulassung für die GlyTol-Technologie erhalten, durch die Unkräuter mit Herbiziden auf Basis des Wirkstoffes Glyphosat kontrolliert werden können.

Bayer CropScience verkündete im Augsut 2011 zudem, künftig verstärkt die Zuckerrohrforschung in Brasilien vorantreiben. Hauptziel ist es, Sorten mit einem höheren Zuckergehalt zu entwickeln. Wie der Teilkonzern mitteilte, ist mit dem Zentrum für Zuckerrohrtechnologie (CTC) im brasilianischen Bundesstaat São Paulo eine umfassende Kooperation zur Erforschung und Entwicklung "biotechnologisch optimierter" Zuckerrohrsorten geplant. Hauptziel sei es, durch die gemeinsame Expertise beider Partner Sorten mit einem höheren Zuckergehalt zu entwickeln; frühere Forschungsergebnisse deuteten auf einen möglichen Anstieg um 30 Prozent bis 40 Prozent hin.

Neben Bayer CropScience sind in Brasilien auch andere Anbieter von gv-Saatgut aktiv, so zum Beispiel die Branchenriesen Monsanto und Syngenta. Mit einer Novelle des Gesetzes zum Schutz der Landwirte 1997 wurden ausländische Investitionen in den Agrarsektor erleichtert. In den 90er Jahren wurden mindestens 22 brasilianische Unternehmen übernommen, beteiligt war das internationale Who is Who der Branche: Monsanto (USA), DuPont (USA), Aventis (Frankreich, Deutschland), Dow AgroScience(USA), Sakata Seed Crop (Japan) und Savia S.A. (Mexiko) aufgekauft. Mit mehreren Übernahmen einheimischer Firmen hat in erster Linie Monsanto in den letzten Jahren auch das Grundkapital für die Forschung und Entwicklung mit Zuckerrohr gelegt. Die von letzteren in Brasilien entwickelten gv-Pflanzen, meistens Mais, Baumwolle und Soja, fallen unter speziell mit dem brasilianischen Landwirtschaftsministerium ausgehandelte Verträge.

Zweitgrößter Produzent von Bioethanol

 

Im Chemiepark im Bundesstaat Rio Grande Do Sul werden neue Bioplastik-Produkte entwickelt.Lightbox-Link
Im Chemiepark im Bundesstaat Rio Grande Do Sul werden neue Bioplastik-Produkte entwickelt.Quelle: Braskem

Die Nutzung von Bioethanol, das aus Zuckerrohr gewonnen wird, ist nationaler geprägt als das Angebot bei gv-Pflanzen. Hier dominieren einheimische Champions wie Cosan oder Louis Dreyfus Commodities Bioenergia. Rund 440 Bioethanolfabriken sind in Betrieb, jedes Jahr werden zwischen 5 und 20 neue eröffnet. Weltweiter Spitzenreiter in der Produktion von Bioethanol sind nach Angaben der Südzucker-Tochter CropEnergies die USA mit 51,5 Milliarden Litern, gefolgt von Brasilien mit 28 Milliarden Litern. Dabei wird nahezu die gesamte Produktion im Land verbraucht, vor allem als Treibstoff. Durch Zwangsbeimischungen und Steueranreize ist es in Brasilien sehr attraktiv, das Fahrzeug nicht mir fossilem Benzin, sondern mit Ethanol zu betreiben. In Brasilien wird Bioethanol sowohl als Reinkraftstoff angeboten (E100) als auch herkömmlichem Ottokraftstoff mit einem Anteil von 20 bis 25 Vol.-% beigemischt. Rund 90% der neu zugelassenen Fahrzeuge in Brasilien sind sogenannte Flexible-Fuel-Vehicles (FFVs), die mit regulärem Ottokraftstoff, mit Bioethanol oder mit einer Mischung aus beidem betrieben werden können. Der Verbrauch könnte in Zukunft noch höher werden. Brasilianische Ethanolhersteller haben eine Initiative im Parlament eingebracht, nach der der Pflichtanteil Ethanol im Treibstoff von bisher fünf Prozent auf bis zu 20 Prozent erhöht werden soll.

Im Jahr 2007 eröffnete das halbstaatliche Mineralölunternehmen Petrobras die erste Bioethanolanlage Brasiliens zur Herstellung von Cellulose-Ethanol (Ethanol der zweiten Generation). Seitdem wurden weitere Anlagen eröffnet. Cosan, einer der größten Ethanol- und Zuckerproduzenten Brasiliens, will mit dem britischen Ölanbieter Shell ein Gemeinschaftsunternehemn zur Bioethanolproduktion gründen. Mit einer Jahreskapazität von zwei Milliarden Liter Bioethanol wäre das Joint-Venture einer der weltweit größten Hersteller des Biokraftstoffs. Cosan bringt seine 23 Raffinerien mit einer Verarbeitungskapazität von 60 Millionen Tonnen Zuckerrohr und 1.730 Tankstellen in das neue Unternehmen ein, Shell will mehr als eine Milliarde Dollar investieren, außerdem bringt der Konzern 2.740 Verkaufsstellen in Brasilien sowie seine 50 Prozent Beteiligung an Iogen Energy, einem Unternehmen zur Entwicklung von Anlagen zur Gewinnung von Biosprit aus Zellulose, in das neue Unternehmen ein.

Biotech-Verband BrBIOTEC

BrBIOTEC, der brasilianische Biotechnologieverband, wurde mit dem Ziel gegründet, Netzwerke des Biotechnologiesektors mit der Industrie zu etablieren und auszubauen. Ein kleinerer, aber traditionsreicher Verband ist die Brasilianische Industrievereinigung Biotechnologie. 1986 gegründet, verzeichnet die Organisation derzeit rund 20 Mitglieder aus so diversen Bereichen wie Diagnostik, Saatgut oder Tierprodukte.

 

Jeweils mehr als ein Fünftel der brasilianischen Life Science-Unternehmen ist in den Bereichen Landwirtschaft oder Reagenzien aktiv.Lightbox-Link
Jeweils mehr als ein Fünftel der brasilianischen Life Science-Unternehmen ist in den Bereichen Landwirtschaft oder Reagenzien aktiv.Quelle: Biominas

Strukturelle Probleme

Ausländische Beobachter bescheinigen der brasilianischen Biotechnologiebranche ein großes Entwicklungspotenzial, monieren aber auch gravierende strukturelle Probleme, welche die Entwicklung der Branche bisher behindert haben. So war es Universitätsangestellten bis vor wenigen Jahren verboten, in der privaten Industrie zu arbeiten – ein Hemmnis für Spin-Offs und Ausgründungen von Universitäten. Die brasilianische Patentordnung sei überarbeitungsbedürftig, stellt zum Beispiel die Investitionsagentur Germany Trade&Invest fest. Ausrüstung, technisches Know-How sowie Kontakte und Vertriebswege seien bisher wenig ausgeprägt. Teilweise wird auch die Ausbildung bemängelt, sie sei praxisfern und zuwenig auf die privatwirtschaftlichen Bedürfnisse abgestimmt. In den vergangenen Jahren sind die meisten Biotech-Unternehmen als Spin-Off von Wissenschaftlern an Universitäten entstanden. In Forschung und Entwicklung konzentriere sich die brasilianische Biotechnologie nach Meinung der Berater von Biominas zufolge noch immer zu sehr auf den einheimischen Markt, und entwickle dort zu häufig an den Marktbedürfnissen vorbei.

Partnerschaftliche Forschung

Deutschland und Brasilien pflegen in gute Kontakte in Wirtschaft und Forschung. Im Jahr 2007 wurde auf der Messe Biotechnica in Hannover zum ersten Mal ein deutsch-brasilianisches Biotechnologieforum abgehalten. Das „Deutsch-Brasilianische Jahr der Wissenschaft, Technologie und Innovation 2010/2011“ bot die Gelegenheit, das Forum zu wiederholen. Wissenschaftler beider Länder diskutierten dort über laufende Projekte. Für die Gebiete Toxikologie, klinische Tests, Ökotoxikologie, Nahrungsmitteltechnologie, Bioethanol und Umweltbiologie wurde eine stärkere wissenschaftliche Zusammenarbeit vereinbart.

Forschungslandschaft

Brasilien sieht Biotechnologie unter anderem als einen Weg, die landwirtschaftliche Leistung zu verbessern. In den neunziger Jahren wuchs auf staatlicher Seite das Bewusstsein, dass sich hier eine Chance für die brasilianische Wissenschaft ergibt. Die Titelseite des renommierten Fachmagazins Nature vom 13. Juli 2000 zeigte der internationalen Forschergemeinde, dass die brasilianischen Kollegen es ernst meinten. Ein staatlich finanziertes Team hatte das gesamte Genom des Pflanzenschädlings Xylella fastidiosa sequenziert. Das Bakteriums befällt vor allem Orangenplantagen, berichteten die Forscher im Fachblatt (2000, Bd. 406, 151-157).

 

Die Genomsequenzierung des Pflanzenschädlings Xylella war eine großer Erfolg der brasilianischen Biotech-Forschung.Lightbox-Link
Die Genomsequenzierung des Pflanzenschädlings Xylella war eine großer Erfolg der brasilianischen Biotech-Forschung.Quelle: Nature

In den folgenden Jahren publizierten die brasilianischen Forscher das Genom eines weiteren Xylella-Bakteriums, begannen mit der inzwischen abgeschlossenen Sequenzierung des Zuckerrohr-Genoms und beteiligten sich am Humanen Krebs-Genom-Projekt. Aus dem Projekt gingen die Firmen Allelyx (mit dem Schwerpunkt Genomforschung) und CanaVialis (fokussiert auf konventionelle Zuckerrohrzüchtung) hervor, die seit 2008 Teil des Monsanto-Konzerns sind und die Basis für die Zuckerrohr-Tätigkeiten von Monsanto bilden. Brasilianische Forscher haben sich in den vergangenen Jahren an der Sequenzierung zahlreicher Organismen beteiligt.

Seit 2002 ist Brasilien auch in der Forschung an adulten Knochenmarkstammzellen tätig und ist Schauplatz der weltweit größten klinischen Versuchsreihe für eine Behandlung mit Stammzellen des Knochenmarks. Seit einigen Jahren wird im Multicenter Randomized Cell Therapy Trial in Cardiopathies (MiHeart) die Wirksamkeit von Stammzelltherapien auf bestimmte Herzleiden untersucht. Die 4,25 Millionen Euro teure Studie besteht aus vier unabhängigen klinischen Teilstudien und umfasst 33 Kliniken und 1200 Patienten. In einem nächsten Schritt soll eine Therapie mit embryonalen Stammzellen geprüft werden. 2007 entwickelten brasilianische Forscher eine Stammzelltherapie für Typ 1-Diabetes und schließlich künstliches Insulin.

Forschungseinrichtungen

Die beiden größten biomedizinischen Forschungsinstitute sind die Oswaldo Cruz Foundation (FIOCRUZ) und das Institute Butantan. FIOCRUZ wurde in Rio de Janeiro bereits 1900 gegründet, um Epidemien von Pest, Gelbfieber und Windpocken unter Kontrolle zu  bekommen. Das Institut ist mit dem brasilianischen Gesundheitsministerium assoziiert und betreibt auch eine Produktionsstätte für Impfstoffe und Diagnostik in Rio de Janeiro. Es ist der größte Impfstoffhersteller in Brasilien.

Das in Sao Paulo ansässige Institute Butantan ist ebenfalls mit dem brasilianischen Gesundheitssektor verbunden. Ähnlich wie FIOCRUZ ist es in verschiedenen biomedizinischen Bereichen tätig, von Ausbildung bis zu Forschung, Entwicklung und Produktion von Medikamenten. Neben diesen beiden Instituten gibt es noch mehrere kleine, meist private Forschungseinrichtungen, unter anderem das Ludwig Institut für Krebsforschung in Sao Paulo.

Die Agrarforschung wird koordiniert von der öffentlichen Agrarforschungseinrichtung Empresa Brasileira de Pesquisa Agropecuária (Embrapa) mit Hauptsitz in Brasilia. Das 1973 gegründete Institut beschäftigt über 8000 Mitarbeiter an 38 Forschungsstationen und ist dem Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Versorgung zugeordnet. In den letzten zehn Jahren hat Embrapa zusammen mit BASF eine herbizidtolerante Sojabohnensorte entwickelt und im Februar 2009 in Brasilien zur Genehmigung eingereicht.

Bei der Sorte, die seit 2011 unter dem Namen „Cultivance“ vertrieben wird, handelt es sich um die erste gentechnisch veränderte Pflanze, die vollständig in Brasilien entwickelt wurde und für den brasilianischen Markt bestimmt ist. Die Gene, die die Herbizidtoleranz vermitteln, stammen von BASF und wurden von Embrapa-Forschern in die Sojabohne übertragen. 

Das Embrapa-Institut beherbergt außerdem die viertgrößte Bakteriendatenbank der Welt. Ein weiterer landwirtschaftlicher Forschungsschwerpunkt liegt bei der Optimierung von Zuckerrohr zur Gewinnung von Bioethanol. Embrapa hat vitaminreichere Bananen, Mais, Squash, Maniok und Bohnen entwickelt, krankheitsresistente Papaya sowie eine Zuckerrohrsorte mit erhöhtem Energieanteil. Wegen der großen Bedeutung des Zuckers als Ausgangsstoff für Ethanol ist diese Entdeckung für die Branche besonders wichtig.

Einzelne Spitzenleistungen in der Forschung können aber nicht über die großen Probleme mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs hinwegtäuschen. Schuld ist das brasilianische Bildungssystem, das als stark verbesserungswürdig gilt. In der jüngsten Pisa-Studie 2009 belegte Brasilien den 53. von insgesamt 65 Plätzen.

In mehr als hundert Universitäten werden nach einer Erhebung der Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers und Biominas lebenswissenschaftliche Studiengänge angeboten. 2010 graduierten 37.000 Studenten, 12.000 weitere haben in dem Jahr eine Promotion abgeschlossen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Studenten mit Doktortitel verdreifacht. Davon promoviert fast die Hälfte im Bereich der Lebenswissenschaften.

Die größte Ausbildungs- und Forschungseinrichtung der Biotechnologie ist die Universität Sao Paulo (USP), auf die ein Viertel aller brasilianischen Publikationen in dem  Bereich entfällt. Von den Instituten der Universität, die biotechnologische und biomedizinische Forschung betreiben, sind besonders das Institut für biomedizinische Wissenschaften, das chemische Institut und die Luiz Queiroz Hochschule für Landwirtschaft bekannt.

Die Universität in Minas Gerais (UFMG) bildet zusammen mit dem Ludwig Institute das wissenschaftliche Herzstück des Minas-Gerais-Clusters. Die zweitgrößte Universität Brasiliens meldete der Fundacao Biomimas zufolge 2007 mehr als 55% ihrer Patente in der Biotechnologie an. Die Universität ist ausgestattet für Diagnostik, Impfstoffentwicklung und die Behandlung zahlreicher Krankheiten wie Krebs, aber auch lokaler seltener Krankheiten; die Herausforderung liegt hier wie in anderen Forschungseinrichtungen der Fundacao Biominas (2007) zufolge darin, Sponsoren für klinische Studien zu finden.

Forschungsstark ist auch die Universität in Rio de Janeiro, die wie auch Sao Paulo eng mit FIOCRUZ zusammenarbeitet. Sie ist eine der ältesten Universitäten im Land und hat die biotechnologische Forschung in acht Kernbereichen organisiert. In der Pflanzenbiotechnologie beschäftigen sich die Forscher unter anderem mit der Verpflichtung einheimischer Pflanzen und Bakterien bei der Beseitigung von Umweltverschmutzungen sowie der genetischen Modifikation einheimischer Gemüsesorten. Das biochemische Institut vereint zehn verschiedene Labore zur Forschung an Pflanzen und Tieren. In einem ernährungswissenschaftlichen Schwerpunkt geht es unter anderem darum, alternative Herstellungsmethoden für Nährstoffe zu finden.

Als vierte große Universität gilt die State University of Campinas (Unicamp). Hier liegen die Forschungsschwerpunkte auf Agrarwissenschaft und Biochemie, die Unicamp ist besonders aktiv in der Zusammenarbeit mit Unternehmen, und hat zu diesem Zweck 2003 die hauseigene Innovationsagentur INOVA ins Leben gerufen.

Förderprogramme

Seit der Verabschiedung der ersten Förderprogramme zu Genetik und Tropenkrankheiten in den 1970er Jahren wird die Biotechnologie in Brasilien bevorzugt gefördert. 2007 wurde der „Nationale Aktionsplan für Wissenschaft, Technologie und Innovation“ ins Leben gerufen, ein vierjähriges Rahmenprogramm der brasilianischen Regierung zur Forschungsförderung.

Auf Bundesebene fördert das Ministerium für Wissenschaft und Technologie direkt über zwei Förderträger, die ebenfalls mit einem eigenen Budget agieren. Die 1967 gegründete Förderagentur für Studien und Projekte (FINEP) unterstützt Universitäten, Forschungseinrichtungen und forschende Unternehmen. CNPq verteilt Mittel an Einzelpersonen und Projekte. Auf regionaler Ebene sind die Forschungsfördervereinigungen der Bundesstaaten (Fundações de Amparo à Pesquisa, FAPs) aktiv, die größte von ihnen ist die FAP in Sao Paulo, FAPESP. Ein Ungleichgewicht ergibt sich dadurch, dass die Forschungsförderung einer Region von ihrem Steueraufkommen abhängt, und die großen Cluster im Süden entsprechend besser ausgestattet werden als die vergleichsweise unbekannten Universitäten im Norden des Landes.

Kooperationen für klinische Studien nötig

Die brasilianischen Biotechnologen haben in den vergangenen 15 Jahren zwar viel Boden gutgemacht, im internationalen Vergleich haben sie aber noch kein großes Gewicht. Nur 0,2 % der weltweit ausgestellten Patente gehen auf brasilianische Forschung zurück. Sie kommen meist aus Instituten und Universitäten. Es mangelt Experten zufolge oft an der kommerziellen Verwertung, so fehlt es immer wieder an Mitteln für die klinische Zulassung neuer Wirkstoffe.

Nach wie vor ist ein Großteil der Forschung öffentlich finanziert. Eine trotz einiger Reformen sorgt hier die noch immer recht schwerfällige Verwaltung nicht für große Dynamik. So war es bis 2004 Angestellten von Universitäten untersagt, in Privatunternehmen tätig zu werden, Ausgründungen waren deshalb beinahe unmöglich. Mittlerweile bemüht sich die Politik, verstärkt Public-Private-Partnerships zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu ermöglichen. In der Branche herrscht aber Aufbruchsstimmung. Nicht wenige glauben, dass das Land auf dem Weg zu den Top 5 der Biotech-Nationen ist.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Bis 2005 war die brasilianische Gesetzgebung sehr restriktiv im Bezug auf biotechnologische Forschung und Anwendung. Das 1995 in Brasilien ratifizierte Gesetz zur Biosicherheit, das sowohl Bestimmungen zur Grünen Gentechnik als auch zur Biomedizin enthielt, bestand aus weitreichenden Verboten: Gesetzlich untersagt waren demnach die gentechnische Manipulation von Keimzellen und die Produktion, Lagerung und Forschung an Embryonen. Der Anbau von gv-Pflanzen fiel ebenfalls unter dieses Verbot, durch so genannte provisorische Maßnahmen war dieses Verbot jedoch zu Beginn des neuen Jahrtausends soweit aufgeweicht worden, dass am Schluss nur noch der Handel mit gentechnisch verändertem Saatgut tatsächlich verboten war.

Neues Gesetz unterstützt die Aufholjagd

Nach einer mehrjährigen Debatte insbesondere um den Anbau gentechnisch veränderten Sojas trat 2005 ein neues Gesetz in Kraft (Lei de Biosseguranca), in dem Forschung, Anbau, Lagerung, Verkauf und Handel mit gv-Pflanzen legalisiert wurden.

Das neue Gesetz lockerte auch die Bestimmungen zur Stammzellforschung. So dürfen seit 2005 überzählige Embryonen aus in-Vitro-Befruchtungen zu Forschungszwecken verwendet werden, wenn sie bereits seit 3 Jahren tief gefroren gelagert wurden. Das Gesetz rief in dem traditionell katholischen Land zunächst heftige Kontroversen hervor, eine Klage der katholischen Kirche vom dem obersten Bundesgericht wurde jedoch im Mai 2008 abgewiesen. Medienberichten zufolge verbanden brasilianische Genetiker mit dieser Novelle nicht nur die Hoffnung auf neue Therapien für bisher unheilbare Krankheiten, sondern auch auf Anschluss an den internationalen Forschungsstand.

Die Biosicherheit in Brasilien wird von zwei Behörden reguliert. Die Politik zum Thema gestaltet der mit dem neuen Gesetz 2005 eingerichtete Rat zur biologischen Sicherheit (CNBS). Er besteht aus 11 Ministern und untersteht dem Präsidenten direkt. CNBS ist für die Formulierung und Umsetzung der Richtlinien zur Biosicherheit verantwortlich. Hier werden die Vorgaben für die einzelnen mit Fragen der Biosicherheit befassten Bundesbehörden festgesetzt, sozioökonomische Auswirkungen und nationale Interessenlagen im Bezug auf einzelne gv-Sorten bewertet.

Zwei Behörden

Die Entscheidung über die Freigabe von gv-Organismen obliegt der Nationalen Regierungskommission für Biosicherheit (Comissao Técnica Nacional de Biosseguranca, CTNBio). Sie stammt noch aus den Zeiten der ersten brasilianischen Biosicherheitsgesetzgebung 1995 und besteht aus 27 Mitgliedern, darunter Ministern betroffener Ressorts, technischen und wissenschaftlichen Experten sowie Vertretern von Verbraucherschutz und Landwirtschaft. CTNBio gibt die Zulassung für gv-Pflanzen, jeglichen Import von gentechnisch modifizierten Lebens- und Futtermitteln, oder zu Weiterverarbeitung sowie Heimtiernahrung. Die CTNBio-Genehmigung basiert auf Einzelfallentscheidungen und Mehrheitsvotum und ist für  eine unbegrenzte Zeit gültig. Bis 2005 konnten Ministerien jede CTNBio-Entscheidung mit einem Veto anfechten, nach dem neuen Gesetz bleiben ihnen nur noch Einspruchsmöglichkeiten vor dem Ministerrat. Nach einem Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde dadurch insbesondere das Umweltministerium geschwächt, welches zuvor die Freigabe von gv-Produkten blockiert hatte. 

Gv-Pflanzen müssen vor ihrer Freisetzung/ Anbau von CTNBio geprüft und für unbedenklich erklärt werden. Ist die Zulassung erteilt, ist der Anbau jedoch relativ problemlos. Es gibt allerdings kein Bundesgesetz, welches Mindestabstände oder die Koexistenz von gv-Pflanzen und konventioneller Landwirtschaft regelt. Teilweise werden beide durch einen nationalen Anbauplan und Umweltschutzauflagen geregelt, besonders in der Amazonasregion.

Fleisch gentechnisch veränderter Tiere sowie die Tiere selbst unterliegen ebenfalls der Genehmigungspflicht durch CTNBio. Allerdings befinden sich aktuell keine entsprechenden Produkte auf dem brasilianischen Markt. Der brasilianische Forschungsdienst EMBRAPA forscht derzeit hauptsächlich an Milchkühen und kleineren Tieren, alle gv-Tierarten, die einmal für den Verbrauchermarkt interessant werden könnten, befinden sich der USDA zufolge noch in der Forschung.

In der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel besteht in Brasilien eine Toleranzgrenze von einem Prozent. Seit 2004 müssen Lebensmittel und Tierfutter, die mehr als ein Prozent gentechnisch verändertes Material enthalten, mit dem Transgen-Logo gekennzeichnet werden.

Öffentliche Meinung

Die öffentliche Debatte um gentechnisch verändertes Saatgut hatte sich einem Bericht der KAS zufolge in Brasilien an gv-Soja entzündet. Die ersten Sorten wurden nach Verabschiedung des ersten Biosicherheitsgesetzes 1985 entwickelt und deren Anbau 1998 durch CTNBio gestattet. Die Samen waren vom brasilianischen Unternehmen EMBRAPA entwickelt worden. Das brasilianische Institut für Verbraucherschutz (Idec) und die Organisation Greenpeace erwirkten für die einheimischen EMBRAPA-Sorten jedoch ein Entwicklungs- und Anbauverbot. Davon profitierte am Ende die Firma Monsanto, die damit die eigenen Sorten durchsetzen konnte.

Beobachtungen der  US-Lebensmittelbehörde USDA zufolge ist die Akzeptanz von gv-Pflanzen in der brasilianischen Bevölkerung trotz der langwierigen Debatte um die Rechtmäßigkeit des gv-Sojas relativ hoch, wobei neuere Untersuchungen zeigen, dass den meisten Brasilianern nicht bewusst ist, das sie gv-Lebensmittel konsumieren. Vorbehalte bemerkt die Behörde bei der fleischverarbeitenden Industrie und großen Supermarktketten. Deren Weigerung, gv-Lebensmittel zur Weiterverarbeitung bzw. in ihr Produktsortiment aufzunehmen, wird unter anderem auf die Anti-Gentechnik-Kampagne der brasilianischen Greenpeace-Gruppen zurück geführt.

Zur Akzeptanz von Klonfleisch bzw. Produkten gentechnisch veränderter Tierarten in Brasilien gibt es keine Studien. Allerdings befinden sich sämtliche derartigen Produkte im Forschungsstadium und noch nicht auf dem Markt.

Wie in anderen Ländern auch wird die Forschung mit embryonalen Stammzellen immer wieder kontrovers diskutiert. Damit verbundene Themen seien die Verwendung und Vernichtung menschlichen Lebens zu Forschungszwecken, sowie Angst vor einer Liberalisierung der Stammzellforschung und der Möglichkeit, menschliches Leben zu klonen, berichtet die Konrad-Adenauer Stiftung in einem Report.

Hintergrund

Unternehmen: 271 (PwC)

Schwerpunkt: Bioethanol (Zuckerrohr), Agrarwirtschaft (Soja, Mais, Baumwolle), Diagnostik, Impfstoffherstellung, Umwelt

Branchenverband: BrBiotek
http://www.brbiotec.org.br/

Regionaler Cluster:  

Sao Paulo, Minas Gerais, Rio de Janeiro. Drei Viertel der Branche konzentrieren sich in diesen drei Städten im Süden des Landes.

Forschungsförderung
durch Bundesstaaten FACEPE FAPEMA FAPEMIG FAPERGS FAPERJ FAPESB FAPESP FAPESPA FAPITEC FUNCAP Fundação Araucária

Financiadora de Estudos e Projetos FINEP

Conselho Nacional de Desenvolvimento Científico e Tecnológico CNPq

Zulassungsbehörde

Comissao Técnica Nacional de Biosseguranca CTNBio

Rechtliche Grundlagen
Forschung mit Stammzellen erlaubt, unter Auflagen: die embryonalen Stammzellen müssen überzählig bei in-vitro-Befruchtungen entstanden sein und seit mindestens 3 Jahren tiefgekühlt lagern; drittgrößtes Land für kommerziellen gv-Anbau, insbesondere Soja, keine Mindestabstände. Freisetzung und Import von gv-Produkten sind zulassungspflichtig. De facto schwerfällige und langwierige Prüfung von Patentanmeldungen. Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln und Tierfutter ab 1% gv-Gehalt.

Internationale Kooperationen

www.internationale-kooperationen.de

Sie interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen im Ausland? Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt einen solchen Austausch. Mehr Informationen zu möglichen Förderprogrammen und länderspezifische Hintergründe finden Sie unter:

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