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Wochenrückblick KW 34

24.08.2009

Warum Rheuma-Medikamente eigentlich helfen

Wie genau erfolgreiche Arzneimittel gegen Schuppenflechte und Rheuma wirken, war bisher noch rätselhaft. Tübinger Wissenschaftler haben den Wirkmechanismus jetzt aufgeklärt.
Gegen Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Schuppenflechte (Psoriasis) und entzündliche Darmerkrankungen sind seit einigen Jahren sehr erfolgreiche und milliardenschwere Biotech-Medikamente auf dem Markt (mehr...). Manfred Kneilling und Martin Röcken von der Universitäts-Hautklinik Tübingen haben nun herausgefunden und im Fachblatt Blood (Vol. 114, Ausg. 8. S. 1696-1706) beschrieben, wie sie auf der Ebene der zellulären Zelle funktionieren. Bekannt war bisher schon, dass die Medikamente einen wichtigen Botenstoff bei Entzündungen hemmen, den sogenannten Tumor Nekrose Faktor (TNF).

Ein neutrophiler Granulozyt (gelb) beim Aufnehmen eines Anthrax-Bakteriums (orange), dem Erreger des Milzbrandes. Bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma allerdings scheinen die Granulozyten mehr Schaden als Nutzen anzurichten.Lightbox-Link
Ein neutrophiler Granulozyt (gelb) beim Aufnehmen eines Anthrax-Bakteriums (orange), dem Erreger des Milzbrandes. Bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma allerdings scheinen die Granulozyten mehr Schaden als Nutzen anzurichten.Quelle: Volker Brinkmann / Wikipedia

Was das aber ausrichtet, war unklar. Denn bei anderen entzündlichen Krankheiten wie  der Multiplen Sklerose sind die Arzneimittel seltsamerweise wirkungslos. Gemeinsam ist allen drei Krankheiten (Schuppenflechte, rheumatoide Arthritis und entzündliche Darmerkrankung), dass bei ihnen nicht nur die spezifischen Abwehrzellen des Blutes aktiviert werden, sondern insbesondere auch andere Zellen, die neutrophilen Granulozyten, in das Gewebe wandern und dann offensichtlich den spezifischen Gewebeschaden verursachen. In der Maus konnten die Tübinger Forscher nun beobachten, dass TNF dafür sorgt, dass über die Blutgefäße die gewebeschädigenden neutrophilen Granulozyten angelockt und so gebunden werden, dass sie in das umliegende Gewebe einwandern können. 

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Notiz: 20 Jahre Rheumaforschung
Menschen: Andreas Radbruch: Ordnungshüter im Wirrwarr des Immunsystems
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Dieser Mechanismus ist für den Organismus normalerweise wichtig und richtig, da die neutrophilen Granulozyten (Eiter) den Körper vor Bakterien schützen können (siehe Bild). Bei den Autoimmunkrankheiten dagegen werden die Granulozyten aufgrund eines Fehlalarms im Immunsystem ohne eigentlichen Grund gerufen und schädigen deshalb das Gewebe. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Medikamente, die TNF blockieren, aus diesem Grund helfen. Sie verhindern das Anlocken der Granulozyten und deren Einwanderung.

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Qiagen baut für 30 Millionen Euro in Hilden

Qiagen wächst. Bis zum Dezember 2010 will Deutschlands größtes Biotechnologie-Unternehmen drei neue Gebäude für Forschung, Produktion und Verwaltung errichten und insgesamt 30 Millionen Euro investieren.

Das neue Qiagen-Gebäude soll eines der ersten in Europa sein, das nach dem amerikanischen Leed-Standard für nachhaltiges Bauen errichtet wurde.Lightbox-Link
Das neue Qiagen-Gebäude soll eines der ersten in Europa sein, das nach dem amerikanischen Leed-Standard für nachhaltiges Bauen errichtet wurde.Quelle: Qiagen

Mit einem symbolischen Spatenstich begannen am 21. August die Bauarbeiten am Heimatstandort im nordrhein-westfälischen Hilden. Auf diese Weise sollen vor Ort mittelfristig bis zu 500 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das entstehende Labor-Gebäude wird das erste seiner Art in Europa sein, das nach dem US-"Green Building Leed Standard" mit Gold zertifiziert wird, dem einzigen weltweit anerkannten Gütesiegel für nachhaltiges Bauen. Der verbaute Stahl besteht zu 70 Prozent aus Recycling-Material. Ein Blockheizkraftwerk spart jährlich 500 Tonnen Kohlendioxid und 250  Kilowattstunden Strom ein, das entspreche dem Verbrauch von 1000 Haushalten, sagen die Architekten der Carpus+Partner AG. Das Regenwasser wird gesammelt, die Dächer begrünt, große Teile der Grundstücksflächen bleiben unversiegelt. Im Vergleich zu herkömmlichen Labor- und Produktionsanlagen verbrauchten die Neubauten um bis zu 30 Prozent weniger Energie, so die Kalkulation. Das soll in 20 Jahren rund acht Millionen Euro einsparen.

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Wochenrückblick: Qiagen leitet EU-Projekt zu Probenstandards
Wochenrückblick: Qiagen kauft im Sequenziergeschäft zu

Innovationsminister Pinkwart (FDP) nannte die Investitionssumme einen "Superlativ" und dankte im Namen der Landesregierung für die Leistung, die Qiagen für das Land erbringe. „Ich bin sicher, dass das Bekenntnis zum nachhaltigen Wachstum erneut Signalwirkung für die gesamte Branche hierzulande haben wird."
Im Februar hatte Qiagen die Ausbaupläne angekündigt (mehr...). Zusätzlich zur Zentrale in Hilden sollen demnächst auch die Standorte in Asien, den USA und der Schweiz erweitert werden. In China will das Unternehmen bereits in Kürze ein neues regionales Hauptquartier beziehen, das auf über 2.000 m² eine Reihe von Einrichtungen wie Trainingsräume, Labors sowie ein Servicezentrum für die lokalen Kunden beherbergen wird. Die Expansionspläne fußen auf stabilen Geschäften. Das Unternehmen hat erst kürzlich seine Umsatzprognose für das laufende Jahr auf 930 bis 970 Millionen US-Dollar erhöht.

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Aktives Gehirn aktiviert Schutzgene für Nervenzellen

Wer rastet, rostet. Diese Binsenweisheit ist zumindest für das Gehirn nun auch wissenschaftlich belegt.  Wer seine grauen Zellen immer wieder fordert, bleibt demnach auch im Alter länger klar und auf der Höhe.

Wer sein Gehirn ständig herausfordert, schützt die Nervenzellen bis ins hohe Alter. Dafür sorgt ein genetisches Programm, wie Heidelberger Forscher jetzt bestätigten.Lightbox-Link
Wer sein Gehirn ständig herausfordert, schützt die Nervenzellen bis ins hohe Alter. Dafür sorgt ein genetisches Programm, wie Heidelberger Forscher jetzt bestätigten.Quelle: Joujou /pixelio.de

Ein Team von Neurobiologen der Universität Heidelberg um Hilmar Bading haben ein neuroprotektives Genprogramm entdeckt, das die Überlebensfähigkeit von Nervenzellen deutlich verstärkt. Das Programm wird von Nervenzellen selbst gesteuert und immer dann aktiviert, wenn Zellen von ihren Nachbarn im Nervenzellnetzwerk stimuliert werden. Angeschaltet wird der Schutzmechanismus durch Kalzium, das nach Aktivierung der Nervenzellen in diese einströmt, bis in den Zellkern vordringt und dort das Ablesen der Überlebensgene hochreguliert. Die Forscher berichten über ihre Entdeckung des Schutzprogramms für Nervenzellen im Fachblatt PLoS Genetics (Online-Veröffentlichung, 14. August 2009).

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News: Länger leben mit FOXO3A
News: Im Alter aus dem Gleichgewicht

Im Alter und auch bei neurodegenerativen Erkrankungen ist, so vermutet Bading, dieser Kalzium-Schalter im Zellkern aufgrund eingeschränkter Gehirnaktivität nicht mehr voll funktionsfähig, was die Expression der aktivitäts-gesteuerten Überlebensgene vermindert und zum Absterben von Nervenzellen führt. "Unsere Forschungsergebnisse eröffnen einerseits neue Perspektiven für therapeutische Ansätze zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des Nervensystems. Anderseits liefern sie die wissenschaftliche Grundlage für etwas, was wir eigentlich schon immer wussten: ein aktives Gehirn lebt länger", betont Bading, der geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums für Neurowissenschaften ist.

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Zellkommunikation im lebenden Organismus gemessen

Dresdner Forscher haben zum ersten Mal die Bindungskräfte zwischen zwei Eiweißen in einem lebenden Organimsus messen können. 
Unser gesamtes Leben basiert auf der Wechselwirkung zwischen Biomolekülen. Bislang war es schwierig, diese Kommunikation der Moleküle zu erforschen, da Messungen in der Zellkultur in vitro nur einen Teil dessen erfassen konnten, was innerhalb der Zelle abläuft. Messungen im lebenden Organismus, in vivo, erlaubten dagegen bisher nur qualitative Aussagen über die Wechselwirkung von Eiweißen.

In der neuen Methode werden die verschiedenen Techniken der Fluoreszenz-Korrelationsspektografie miteinander kombiniert. Lightbox-Link
In der neuen Methode werden die verschiedenen Techniken der Fluoreszenz-Korrelationsspektografie miteinander kombiniert. Quelle: CRTD

Wissenschaftlern des Forschungszentrums für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und des Biotechnologischen Zentrums der TU Dresden (BIOTEC) ist es nun erstmals gelungen, die Bindungskräfte zwischen zwei Eiweißen in einem Zebrafisch zu bemessen. Die Forscher um Petra Schwille (mehr...) und Michael Brand interessierten sich dafür, wie stark der Wachstumsfaktor Fgf8 sich an diverse Rezeptoren in der Zellmembran heftet. Das ist wichtig, um die Bedeutung und Funktion einzelner Rezeptoren zu bestimmen. Mit den neuen Messungen konnte gezeigt werden, dass sich im lebenden Fisch zwei Rezeptoren die Bindung des Wachstumsfaktors teilen. Bisherige Messungen in vitro deuteten fälschlicherweise auf ein deutliches Übergewicht eines dieser Rezeptoren hin.

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Menschen: Petra Schwille: Liveshow in der Zelle

"Diese Diskrepanz zu früheren in vitro Studien könnte daran liegen, dass im lebenden Organismus zusätzliche Komponenten und Prozesse die Wechselwirkung zwischen Rezeptor und Ligand maßgeblich beeinflussen, und damit auch die Ergebnisse", sagt die an der Studie beteiligte Shuizi Rachel Yu. Die neue Technik, die von den Wissenschaftlern im Fachmagazin Nature Methods (Online-Vorabveröffentlichung, 2. August 2009) beschrieben wird, kombiniert verschiedene Methoden der Fluoreszenz-Korrelationsspektoskopie. Damit eröffnen sich neue Perspektiven, Zellkommunikation in lebenden Organismen zu untersuchen, wie etwa bei der Entwicklung von Wirbeltierembryonen.

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Gentechnikfreies Deutschland: Grünes Licht von Direktkandidaten und Gutachten

Laut einer Umfrage des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprechen sich rund drei Viertel aller Direktkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden September gegen die Nutzung von Gentechnik in der Landwirtschaft aus.

Der BUND befragte die 1.500 Kandidaten aller Parteien zu ihrer Einstellung. Rund zwei Drittel (973) haben bereits geantwortet, meldete die Organisation am 17. August 2009. Die Statistik dürfte allerdings etwas verzerrt sein, da etwa 87% der traditionell gentechnikskeptischen Grünen geantwortet haben, bislang aber nur 35% der CDU-Kandidaten.

Dass wirklich alle Maisfelder in Deutschland gentechnikfrei werden, ist laut einer von den Grünen in Auftrag gegebenen Studie mit einer kleinen Gesetzesänderung möglich.Lightbox-Link
Dass wirklich alle Maisfelder in Deutschland gentechnikfrei werden, ist laut einer von den Grünen in Auftrag gegebenen Studie mit einer kleinen Gesetzesänderung möglich.Quelle: samossi / pixelio.de

Auf der Homepage des BUND kann die Einstellung jedes Kandidaten überprüft werden, nicht nur zur Grünen Gentechnik, sondern auch zu Themen wie verlängerte Restlaufzeiten von Atomkraftwerken oder dem Neubau von Kohlekraftwerken. Politisch heikel wird es, wenn prominente Parteimitglieder von der vorgegebenen Linie abweichen. So sprechen sich etwa die sozialdemokratischen Minister Wolfgang Tiefensee und Peer Steinbrück für eine Nutzung der Grünen Gentechnik aus – anders als es im Programm der SPD steht.

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Bei den Grünen ist die Stoßrichtung eindeutig. Eine Änderung des Gentechnikgesetzes würde ausreichen, um legal gentechnikfreie Regionen in Deutschland einzurichten. Das ergibt sich aus einem Gutachten (pdf-Download), das die Grünenfraktion im Bundestag erstellen hat lassen, wie Fraktionsvorsitzende Renate Künast der "Passauer Neuen Presse" sagte. In dem Gutachten haben Juristen mehrere Szenarien entworfen, um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf deutschen Äckern auf unterschiedlichen juristischen Wegen zu verhindern. Dem Papier nach sei es anders als von Union und SPD behauptet nicht nötig, dazu noch eine Rechtsgrundlage auf EU-Ebene zu schaffen.
"Union und SPD wollen keine gentechnikfreien Regionen und darum liefern sie nur Lippenbekenntnisse", sagte Künast. CSU und auch SPD würden sich öffentlich gerne gentechnikkritisch geben. Wenn es darauf angekommen sei, hätten sie "immer stramm pro Gentechnik" gestanden. Laut BUND gibt es mehr als 100 Initiativen mit zehntausenden Landwirten, die ihre Region eigenmächtig gentechnikfrei erklärt haben. Allerdings fehlt bisher die gesetzliche Grundlage, in diesen Regionen den Genpflanzen-Anbau juristisch zu verhindern.

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Komplettes Genom in anderes Bakterium verpflanzt

Wissenschaftlern um Craig Venter aus dem nach ihm benannten Institut in Rockville im US-Bundestaat Maryland ist es gelungen, einem Bakterium das komplette Erbgut einer anderen Bakterienart einzupflanzen.
Für die Verpflanzung wählten die Forscher das Erbgut von Mycoplasma mycoides aus, einer der kleinsten Bakterienarten, deren Genom dementsprechend kompakt ist. Allerdings funktioniert die Erbübertragung nicht direkt, berichten die Wissenschaftler im Fachmagzin Science (Online-Veröffentlichung, 20. August 2009).  Bakterien erkennen nämlich zellfremdes Material mittels angehängten Methyl-Molekülen und machen es mittels Restriktionsenzymen unbrauchbar.

Zwei Kulturen des künstlich umgewandelten Mycobakterium mycoides. Lightbox-Link
Zwei Kulturen des künstlich umgewandelten Mycobakterium mycoides. Quelle: Craig Venter Institute

Das umgingen die Wissenschaftler, indem sie das Bakterien-Erbgut zunächst in einer Hefezelle umbauten. In der Hefe-Werkstatt wurde zunächst ein unerwünschtes Gen entfernt und dann das ganze Genom mit einem Methylgruppenmuster versehen, das dem Zielbakterium bekannt ist.

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Dann erst übertrugen sie das Erbgut in die verwandte Bakterienart Mycoplasma capricolum. Dort hatten die Forscher zusätzlich das Gen für das Restriktionsenzym deaktiviert. Beide Maßnahmen zusammen verhinderten, dass das fremde Erbgut zerschnitten wurde.
Venter und seinen Kollegen war es letztes Jahr gelungen, das Erbgut des Bakteriums Mycoplasma genitale erstmals im Labor von Grund auf nachzubauen (mehr...). Mit dem jetzigen Erfolg hat der mediengewandte US-Forscher die entscheidenden Werkzeuge in der Hand, um sein eigentliches Ziel zu erreichen: für spezifische Aufgaben Genome maßzuschneidern und diese in Bakterien zu integrieren. Diese Bakterien mit neuem künstlichem Kern sollen dann Aufgaben der Zukunft erledigen wie Abfälle entsorgen oder Biotreibstoff produzieren.

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