Globales Börsen-Barometer: Finanzkrise gefährdet kleine Unternehmen
Auf den ersten Blick geht es der Biotechnologie-Branche weltweit erstaunlich gut. Forschungsausgaben und Gewinne stiegen im Jahr 2008, und das trotz globaler Rezession. Doch der Teufel steckt im Detail. Es florieren nämlich vor allem die Schwergewichte der Biotech-Branche, während es bei vielen der kleineren Unternehmen ums Überleben geht. Bei jeder zweiten kleineren börsennotierten Firma wird die Kapitalausstattung nicht mal mehr ein Jahr reichen, bilanziert das Nature Biotechnology im globalen Börsenbarometer 2008.
F&E-Ausgaben, Gewinne und Bestseller
Insgesamt gab es 2008 aber nicht nur Gewitterwolken, sondern auch Sonnenschein in der globalen Biotechnologie-Landschaft. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) stiegen 2008 trotz Krise an, von 22,8 Milliarden Dollar auf 25,5 Milliarden Dollar. Der Löwenanteil davon - 11 Milliarden Dollar - wurde dabei aber von den Schwergewichten der Branche (Marktkapitalisierung von mehr als 5 Milliarden Dollar Wert) gestemmt. Viele der kleineren Konkurrenten konnten es sich 2008 indes nicht mehr leisten, allzu stark in die Zukunft zu investieren. 2008 kündigten mit 151 Unternehmen so viele Firmen wie nie zuvor an, ihre F&E-Ausgaben zu reduzieren. 168 dagegen verstärkten ihre Investitionen, der Rest blieb auf dem gleichen Niveau.
Die Gewinne konnten sich 2008 sehen lassen. Biotech-Produkte werden vor allem in der Medizin kontinuierlich beliebter und sorgen Jahr für Jahr für mehr Einnahmen. Zum zweiten Mal in Folge sind die untersuchten Firmen deshalb in die schwarzen Zahlen gerückt. 3,8 Milliarden Dollar verdienten sie zusammengenommen im Jahr 2008, im Jahr 2007 war es noch 1 Milliarde Dollar. Allerdings gibt es keine gerechte Verteilung, sondern eine große Kluft zwischen großen und kleinen Biotech-Unternehmen. So sorgen die großen Unternehmen (Marktkapitalisierung höher als 5 Milliarden Dollar) dafür, dass das Bild rosiger erscheint. Sie haben alleine wuchtige 12 Milliarden Dollar Profit zu verzeichnen. Die meisten der kleineren Unternehmen (Marktkapitalisierung niedriger als 250 Millionen US-Dollar) dagegen machen wie auch schon in den Vorjahren Verlust, zusammengenommen rund 6,2 Milliarden Dollar. Dies liegt vor allem daran, dass die meisten untersuchten Unternehmen im medizinischen Bereich tätig sind. Bis ein Wirkstoff auf den Markt kommt, mit dem sich Geld verdienen lässt, werden vor allem nur Forschungsausgaben und noch keine Einnahmen generiert. Schafft es das Präparat tatsächlich zur Zulassung und auf den Markt, kann sich ein Unternehmen, das jahrelang in den roten Zahlen war, schnell als hochprofitabel erweisen.
Doch mit welchen Biotech-Medikamenten wird eigentlich Geld verdient? Auch hierauf geht die Untersuchung von Nature Biotechnology ein (siehe Tabelle unten). Das Rheuma-Präparat Enbrel war auch 2008 der absolute Bestseller unter den biotechnologisch hergestellten Medikamenten und spülte genau 6,2 Milliarden Dollar in die Kassen des US-amerikanischen Unternehmens Amgen. Weitere Blockbuster sind Rituxan von Genentech und Biogen, das gegen Non-Hodkin-Lymphom verschrieben wird, Remicade von Johnson & Jonhson gegen Arthritis, entzündlichen Dickdarm und Morbus Crohn sowie der Krebs-Antiköper Avastin von Genentech. Avastin ist laut einer Mitteilung von Roche vor kurzem für die fünfte Indikation zugelassen worden, was die Einnahmen künftig noch einmal erhöhen dürfte. Damit haben Antikörper-Präparate inzwischen die lange an der Spitze der Bestsellerliste angesiedelten Hormonpräparate überholt.
Nature Biotechnology hat darüber hinaus die Unternehmen ermittelt, die 2008 am meisten an Gewinnen zugelegt bzw. abgebaut haben. Mit Qiagen ist auch ein deutsches Unternehmen unter den Unternehmen, die 2008 ihren Gewinn am stärksten steigern konnten. So verdiente das Hildener Unternehmen 2007 mit 650 Millionen Dollar schon sehr ordentlich, 2008 lief es aber offenbar noch besser. 893 Millionen Dollar verblieben am Ende in der Kasse, das ist eine Steigerung um 37 Prozent.
Die meistverkauften Biotech-Medikamente 2008
Handelsname (Wirkstoff)/ Hersteller | Indikation | Umsatz 2008 (Mio. US-Dollar) | Umsatz 2007 (Mio. US-Dollar) |
Enbrel (etanercept) / Amgen | Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondylitis ankylosans, Schuppenflechte, juvenile idiopathische Arthritis | 6.191 | 5.273 |
Rituxan (rituximab) / Genentech, Biogen Idec | Non-Hodkins-Lymphom, Rheumatoide Arthritis | 5.480 | 4.604 |
Remicade (infliximab) / Johnson&Johnson | Morbus Crohn, Psoriasis-Arthritis, Spondylitis ankylosans, Colitis ulcerosa, Rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte | 5.273 | 4.420 |
Avastin (bevacizumab) / Genentech | Kolorektales Karzinom, Nicht-kleinzelliges-Bronchailkarzinom, Brustkrebs, Hirntumore (Zulassung Mai 2009), Nierenzellkrebs (Zulassung August 2009) | 4.807 | 3.431 |
Humira (adalimumab) / Abbott | Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Schuppenflechte, Morbus Crohn, Spondylitis ankylosans, juvenile idiopathische Arthritis | 4.521 | 3.064 |
Gleevec/Glivec (imatinib mesylate) / Novartis | Chronische myeloische Leukämie, Gastrointestinaler Stromatumor, akute lymphatische Leukämie, Hypereosinophiles Syndrom, Mastozytose, Dermatofibrosarcoma protuberans, myelodysplastisches Syndrom, myeloproliferative Erkrankung | 3.700 | 3.050 |
Lantus (Insulin glargine) / Sanofi Aventis | Diabetes Typ I und II | 3.668 | 2.840 |
Neulasta (Pegfilgrastim) / Amgen | Infektion durch chemotherapiebedingte Neutropenie | 3.318 | 3.000 |
Aranesp (Darbepoetin alfa) / Amgen | Anämie | 3.137 | 3.614 |
Prevnar / Wyeth | Impfstoff gegen Erkrankungen durch Streptococcus pneumoniae | 2.716 | 2.439 |
Quelle: Nature Biotechnology, 2009