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Die deutsche Biotechnologie-Branche 2013

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Mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter, mehr Firmen – die wirtschaftlichen Kennzahlen der deutschen Biotechnologie-Branche haben sich im Jahr 2012 deutlich nach oben entwickelt. Auch das Finanzierungsumfeld hat sich erholt, wenngleich nur wenige Firmen den Zugang zu Kapital gefunden haben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind erneut deutlich unter der Milliardengrenze geblieben. Die Attraktivität der deutschen Unternehmen zeigt sich jedoch durch einen Rekordwert an Übernahmen. Neugründungen gab es so viele, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das geht aus den ersten Ergebnissen der biotechnologie.de-Umfrage von 2013 zur Lage der Biotechnologie in Deutschland hervor, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt wurde.

Finanzierung

Auch im Jahr 2012 standen viele deutsche Biotechnologie-Unternehmen vor großen Herausforderungen, wenn es galt, das weitere Wachstum zu finanzieren. Dennoch hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr verbessert. 2011 flossen der Branche nur rund 187 Mio. Euro zu, wenn Wagniskapital, Kapitalerhöhungen über die Börse sowie öffentliche Fördermittel zusammengerechnet werden. 2012 konnte dieser Wert fast verdoppelt werden – auf 347 Mio. Euro.

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Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2012Quelle: biotechnologie.de

Die Summe der vergebenen öffentlichen Fördermittel blieb etwa konstant. Auf diesem Wege konnte die Branche im Jahr 2012 rund 47 Mio. Euro einnehmen, ein Jahr zuvor waren es 45 Mio. Euro. Private Investoren scheinen indes wieder vermehrt Vertrauen in die Biotechnologie zu fassen. Die privat geführten dedizierten Biotechnologie-Unternehmen erhielten rund 205 Mio. Euro an Risikokapital – fast dreimal so viel wie noch im Vorjahr (72 Mio. Euro). Auch die börsennotierten Firmen konnten ihren finanziellen Spielraum ausweiten. Sie sammelten 2012 etwa 95 Mio. Euro ein, 2011 waren es 70 Mio. Euro.

Auf den ersten Blick hat sich die Branche scheinbar ihrer Finanzierungssorgen entledigt. Der Anstieg im Transaktionsvolumen kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nur wenigen Unternehmen gelang, bei den Kapitalgebern Geld einzuwerben. Dafür konnten die Firmen im Erfolgsfall jedoch größere Beträge verbuchen. So konnten zwei Unternehmen allein die Hälfte des insgesamt eingeworbenen Kapitals unter sich aufteilen: die CureVac GmbH und die BRAIN AG. 

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Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2012Quelle: biotechnologie.de

Mit 80 Mio. Euro hat die Tübinger CureVac GmbH 2012 einen neuen deutschen Finanzierungsrekord aufgestellt. Das Geld stammt vom alleinigen Investor: dem Milliardär und SAP-Gründer Dietmar Hopp. CureVac benötigt das Kapital auch deshalb, weil die klinische Erprobung der dort entwickelten Krebsimpfstoffe sehr lange dauert – und dementsprechend viel Geld kostet. Frühestens für 2020 erwarten die Verantwortlichen die Zulassung eines ersten Impfstoffes.

Ein ähnlich großer Erfolg bei der Kapitalsuche war der BRAIN AG im hessischen Zwingenberg beschieden. Sie konnte rund 60 Mio. Euro einwerben. Das Vorzeigeunternehmen der industriellen Biotechnologie wagte sich auf ein auf den ersten Blick ungewöhnliches Terrain vor: die Kosmetik. Unterhalb des Radars der Öffentlichkeit hat sich BRAIN ein Portfolio an Kosmetik-Unternehmen zugelegt. Nach dem im Frühjahr erfolgten Kauf der Mehrheit an der Monteil Cosmetics International GmbH deckt BRAIN die Wertschöpfungskette nun vollständig ab und produziert in eigenen Anlagen Peptid-Wirkstoffe, die beispielsweise Hautirritationen minimieren sollen.

Die Berliner Mologen AG sammelte insgesamt knapp 25 Millionen Euro an der Börse ein. Gute Studiendaten des dort entwickelten Krebswirkstoffes dürften das Interesse der Investoren geweckt haben. Ähnliches gilt für die 4SC AG. Im Frühjahr konnte das Unternehmen in Martinsried überzeugende klinische Daten für eine Krebsarznei vorlegen. Im Juni folgte dann die Kapitalerhöhung über die Börse: 12,6 Millionen Euro konnten eingeworben werden.

Erfolgreich war auch die Affimed Therapeutics AG, die auf die Herstellung bispezifischer Antikörper spezialisiert ist. Die modifizierten Immunmoleküle binden nicht nur wie gewöhnlich an ein einziges, sondern an mehrere unterschiedliche Zielmoleküle und sollen so die Behandlung – beispielsweise von Krebs – revolutionieren. Private Geldgeber wie Aeris Capital, BioMedInvest und LSP Life Sciences Partners investierten im Oktober 2012 weitere 15,5 Millionen Euro in die Firma.

Eine ähnlich große Summe – 15 Mio. Euro – floss der Probio-drug AG bereits im Januar zu. Das in Halle/Saale beheimatete Unternehmen will das frische Kapital nutzen, um den eigenen Wirkstoff, einen Blocker des Enzyms Glutaminyl-Cyclase, weiterzuentwickeln. Die Substanz soll eines Tages zur Behandlung von Alzheimer eingesetzt werden.

Wie eng Licht und Schatten beieinanderliegen können, zeigt indes die Wilex AG aus München. 2012 hatte das Unternehmen in zwei Runden knapp 34 Millionen Euro eingesammelt. Kurz nach Abschluss der Kapitalmaßnahmen bewies der am weitesten entwickelte Krebswirkstoff des Unternehmens in einer großen klinischen Studie allerdings keinen Überlebensvorteil. Dass dieses fatale Ergebnis Wilex nicht völlig umgeworfen hat, lag auch an dem zuvor angelegten finanziellen Polster. Es sorgte für die nötige Ruhe und Zeit für eine weitere Analyse der Daten. Anfang 2013 gab es wieder Hoffnung: Eine bestimmte Patienten-Untergruppe habe doch von der Behandlung profitiert, meldete Wilex. Der einstige Hoffnungsträger ist damit wieder im Spiel.

Der Trend zum selektiven Investieren scheint sich also fortzusetzen. Das zwingt zu Kreativität bei der Kapitalsuche: In Deutschland unternahm die AMD Therapy eG einen Versuch, erfolgversprechende Projekte gegen die trockene altersbedingte Makuladegeneration (AMD) mit den Mitteln von Privatleuten zu finanzieren. Der Ansatz: Neben der Aussicht auf finanziellen Gewinn sollte das Genossenschaftsmodell den Betroffenen auch eine Gesundheitsrendite bringen. Das selbstgesteckte Ziel, bis Jahresende 60 Mio. Euro einzusammeln, wurde jedoch verfehlt. Damit ist eine Auflösung der Genossenschaft und die Rückgabe des bisher eingesammelten Kapitals an die Beteiligten wahrscheinlich.

Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2012Lightbox-Link
Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2012Quelle: biotechnologie.de

Doch nicht nur bei den Finanzierungen, auch bei den Übernahmen gab es im vergangenen Jahr einen neuen Rekord. 1,2 Milliarden US-Dollar in bar bezahlte der US-Biotech-Konzern Amgen für die deutsch-amerikanische Micromet Inc. mit ihrem Hauptforschungsstandort in München. So einen großen Deal hatte es in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Für viel Aufsehen sorgte auch die Übernahme der Martinsrieder Corimmun GmbH durch den Pharmakonzern Johnson & Johnson. Neben einer Barkomponente von rund 100 Mio. US-Dollar hat der US-amerikanische Konzern eine Meilensteinzahlung in ähnlicher Höhe in Aussicht gestellt. Im Fokus des Interesses stand der Wirkstoff COR-1: ein zyklisches Peptid, das gegen Herzinsuffizienz nach Autoimmunreaktionen eingesetzt werden soll. Firmenmitgründer Roland Jahns aus Würzburg gehörte übrigens zu den Preisträgern der ersten Runde des GO-Bio-Wettbewerbs des BMBF. Zudem ist Corimmun auch Mitglied im BMBF-geförderten Biotech-Spitzencluster „m4“, der von München aus koordiniert wird und sich u. a. auf die Entwicklung neuer Therapien der individualisierten Medizin fokussiert hat.  Einen Teil ihrer Finanzierung hat die Firma demnach über öffentliche Fördergelder gestemmt – ein Beispiel dafür, dass diese einen signifikanten Anschub vor allem in der Startphase einer Unternehmensgründung leisten können.

Die Heidelberger Cellzome AG bekam ebenfalls eine neue Mutter. Im Mai 2012 übernahm der britische Pharmariese GlaxoSmithKline alle noch ausstehenden Firmenanteile. Rund 61 Mio. Britische Pfund zahlte der Konzern, um sich den exklusiven Zugriff auf die Proteomik-Technologie des langjährigen Partners zu sichern.

Auch für die AiCuris AG in Wuppertal war 2012 ein erfolgreiches Jahr. Ein Tochterunternehmen der US-amerikanischen Firma Merck & Co. sicherte sich mit einer Lizenzvereinbarung den Zugriff auf Wirkstoffe gegen das Humane Cytomegalievirus. Mit einem Gesamtwert von 442,5 Mio. Euro, davon allein 110 Mio. Euro vorab, war dies der bisher umfangreichste Biotech-Lizenzdeal in Deutschland.

Die Highlights des abgelaufenen Jahres zeigen, dass sich die Rekorde in der deutschen Biotechnologie häufen. Die spektakulären Übernahmen von Corimmun, Micromet und Cellzome haben den Finanzierern 2012 eine gute Rendite beschert. Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass Biotech-Firmen nachhaltig auf dem Radar von Investoren bleiben.

 

Hintergrund

Die Biotechnologie-Firmenumfrage wurde von biotechnologie.de bereits zum siebten Mal durchgeführt. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Januar und März 2013. Von insgesamt 742 angeschriebenen Unternehmen nahmen 584 Unternehmen an der Umfrage teil. Die Rücklaufquote liegt damit bei 79 %. Der Stichtag der für die Erhebung berücksichtigten Daten ist der 31.12.2012.

Als Biotechnologie-Unternehmen werden Firmen angesehen, deren Unternehmensziel wesentlich oder ausschließlich in der Biotechnologie liegt. Im Rahmen der hier vorgelegten Zahlen werden sie als "dedizierte Biotech-Unternehmen" bezeichnet. Es wurden auch solche Unternehmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland einen Firmensitz mit F&E-Aktivitäten haben.

Diese Vorgehensweise orientiert sich an statistischen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die im Jahr 2004 verabschiedet wurden.

Die kostenfreie Nutzung sämtlicher Inhalte ist unter Angabe der Quelle (biotechnologie.de) ausdrücklich gestattet.

Downloads

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2013

biotechnologie.de, April 2013. Deutsch/Englisch Download PDF (2,9 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2012

biotechnologie.de, April 2012. Deutsch/Englisch Download PDF (5,2 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2011 

biotechnologie.de, April 2011. Deutsch/Englisch  Download PDF (2,8 MB) PDF online ansehen