Die deutsche Biotechnologie-Branche 2013
Mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter, mehr Firmen – die wirtschaftlichen Kennzahlen der deutschen Biotechnologie-Branche haben sich im Jahr 2012 deutlich nach oben entwickelt. Auch das Finanzierungsumfeld hat sich erholt, wenngleich nur wenige Firmen den Zugang zu Kapital gefunden haben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind erneut deutlich unter der Milliardengrenze geblieben. Die Attraktivität der deutschen Unternehmen zeigt sich jedoch durch einen Rekordwert an Übernahmen. Neugründungen gab es so viele, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das geht aus den ersten Ergebnissen der biotechnologie.de-Umfrage von 2013 zur Lage der Biotechnologie in Deutschland hervor, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt wurde.
Inhaltliche Schwerpunkte der Unternehmen
Die Entwicklung von Medikamenten oder von neuen diagnostischen Methoden steht nach wie vor im Fokus der meisten Biotech-Unternehmen in Deutschland.
273 Firmen (48,3 %) sind dem Feld der „roten“ Biotechnologie zuzurechnen. Die Suche nach neuen Wirkstoffen, Vakzinen oder Biomarkern stellt nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit den wichtigsten Anwendungsbereich der Biotechnologie dar. Innerhalb der medizinischen Biotechnologie in Deutschland haben sich verschiedene Arbeitsschwerpunkte etabliert. So konzentriert sich die Mehrheit der Unternehmen auf die Erforschung neuer Diagnostika (73). Darüber hinaus gibt es 55 Firmen, die hauptsächlich Therapeutika entwickeln und bereits ein oder mehrere Produkte ab der klinischen Phase I in der Pipeline haben. Die anderen 145 Firmen befinden sich entweder noch im präklinischen Bereich der Therapeutika-Forschung oder bieten eine Technologie-Plattform als Dienstleistung im Bereich Gesundheit an.
178 Unternehmen (31,5 %) sind in keinem speziellen Feld, sondern für mehrere Anwenderbranchen aktiv. Hierzu gehören alle Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend Dienstleistungen für andere Biotech-Firmen erbringen oder als Zulieferer für diese tätig sind. In die von der OECD definierte Kategorie der nicht-spezifischen Anwendungen gehören auch reine Auftragsproduzenten von biologischen Molekülen ohne eigene Entwicklungsaktivitäten. Damit ist dieses Segment das zweitwichtigste der Branche und erreicht eine ähnlich große Bedeutung wie die medizinische Biotechnologie.
Zunehmende Bedeutung erfährt die industrielle oder „weiße“ Biotechnologie. 2012 waren hier insgesamt 61 Unternehmen tätig (10,8%). Sie konzentrieren sich auf die Entwicklung von technischen Enzymen, neue Biomasse-Verwertungsstrategien oder biotechnologische Produktionsprozesse. Erstmals wurden diese Unternehmen daraufhin analysiert, für welche Branchen sie aktiv sind (Mehrfachzuordnungen waren möglich). Demnach ist der Großteil der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen in der industriellen Biotechnologie im Bereich Nahrungs-/Futtermittel (35) und Pharmaproduktion (30) aktiv. Auf den weiteren Plätzen folgen die Branchen Chemie (21), Kosmetik (18) und Energie (10).
Einen wichtigen Rohstoff für das biobasierte Wirtschaften liefert pflanzliche Biomasse. Ertragreichere und robustere Nutzpflanzen stehen im Fokus der „grünen“ Biotechnologie. Diesem Anwendungsgebiet sind in Deutschland insgesamt 24 Firmen zuzurechnen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Sektor nahezu konstant geblieben (2011: 23). Ähnlich wie bei der industriellen Biotechnologie wird das Feld von Großunternehmen dominiert, die langwierige Entwicklungen und Zulassungsprozesse schultern können, in der Statistik aber bei den sonstigen biotechnologisch-aktiven Unternehmen auftauchen. Weiße und grüne Biotechnologie lassen sich unter dem Begriff „Bioökonomie“ zusammenfassen, ihre geografische Verteilung wird daher in der Abb. 5 gemeinsam dargestellt.
Mit 29 Unternehmen (5,1 %) gibt es zudem in Deutschland eine stetig wachsende Gruppe, die sich vorrangig mit Bioinformatik beschäftigt. Diese spielt beispielsweise bei der Entwicklung individualisierter Behandlungsstrategien eine Rolle. So erfordern moderne Hochdurchsatzverfahren die systematische Erfassung und Analyse immer größerer medizinisch relevanter Datenmengen. Ganze Genome einer steigenden Zahl von Menschen sind bereits sequenziert und liegen als Datensätze vor. Gleiches gilt im zunehmenden Maße für andere Informationsebenen, wie das Epigenom, das Proteom oder das Metabolom. Diese Datensätze haben einen enormen Informationsgehalt, dessen prognostischer, diagnostischer und therapeutischer Wert bislang nur wenig erforscht ist. Die Informationswissenschaften liefern den Schlüssel, um diesen Wissensschatz zu heben. Erste Analysen solcher Datensätze haben bereits erkennen lassen, dass die in ihnen enthaltenen, für jeden Einzelnen charakteristischen Muster und Signaturen ein Potential für individualisierte Prävention und umfassendere Diagnostik sowie daraus abzuleitende individualisierte Therapien darstellen.
Ob rot, weiß oder grün: Sämtliche Spielarten der Biotechnologie gelten als wichtige Impulsgeber auf dem Weg hin zu einer biobasierten Wirtschaft, die auf natürliche Ressourcen setzt, um innovative Produkte zu entwickeln. Die Biotechnologie ist damit nicht nur ein wichtiger Eckpfeiler in der Gesundheitswirtschaft, sondern auch in der Bioökonomie.