Die deutsche Biotechnologie-Branche 2013

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Mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter, mehr Firmen – die wirtschaftlichen Kennzahlen der deutschen Biotechnologie-Branche haben sich im Jahr 2012 deutlich nach oben entwickelt. Auch das Finanzierungsumfeld hat sich erholt, wenngleich nur wenige Firmen den Zugang zu Kapital gefunden haben. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind erneut deutlich unter der Milliardengrenze geblieben. Die Attraktivität der deutschen Unternehmen zeigt sich jedoch durch einen Rekordwert an Übernahmen. Neugründungen gab es so viele, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das geht aus den ersten Ergebnissen der biotechnologie.de-Umfrage von 2013 zur Lage der Biotechnologie in Deutschland hervor, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt wurde.

Zusammenfassung

Die deutsche Biotechnologie hat 2012 ihren Wachstumskurs fortgesetzt. Das belegen ein Rekordumsatz von 2,9 Milliarden Euro (+11%) und eine gestiegene Zahl an Mitarbeitern von rund 17.430 (+7%) in den dedizierten, also hauptsächlich mit Biotechnologie beschäftigten Unternehmen. Die Zahl dieser Firmen ist im Vergleich zum Vorjahr auf aktuell 565 gestiegen (+2%), darunter 20 Neugründungen. Neben den dedizierten Firmen waren 128 Unternehmen aktiv, für die Biotechnologie nur ein Teil ihres Geschäftes darstellt (2011: 126). In den biotechnologisch ausgerichteten Bereichen dieser Firmen waren 17.760 Mitarbeiter tätig (2011: 17.570). Insgesamt ergibt das für das Jahr 2012 35.190 Arbeitsplätze in der kommerziellen Biotechnologie in Deutschland.

Eckdaten der Biotech-Branche in DeutschlandLightbox-Link
Quelle: biotechnologie.de
 

Bei der Medikamentenentwicklung konnten einige deutsche Biotechnologie-Unternehmen Erfolge vermelden, andere mussten 2012 Rückschläge hinnehmen. Im Vergleich zu 2011 hat sich die Gesamtzahl der Wirkstoffkandidaten in der klinischen Erprobung von 109 auf nur noch 93 reduziert. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben sind ebenfalls gesunken – auf 934 Mio. Euro. Dies sind die zentralen Ergebnisse der Firmenumfrage, die die Informationsplattform biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Anfang 2013 durchgeführt hat. Die Daten wurden nach den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erhoben.

Struktur der Biotechnologie-Branche

Die Biotechnologie-Branche ist auch 2012 weiter gewachsen. Insgesamt haben im vergangenen Jahr 565 Unternehmen in Deutschland ganz oder überwiegend mit Verfahren der modernen Biotechnologie gearbeitet und gelten somit nach Definition der OECD als „dedizierte“ Biotech-Firmen. Damit gab es einen leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahr (552). Im Folgenden beziehen sich die Angaben, sofern nicht anders vermerkt, auf die dedizierten Biotechnologie-Unternehmen. In vielen Firmen macht die Biotechnologie jedoch nur einen Baustein des Geschäfts aus. Die Kategorie der „sonstigen bio-technologisch-aktiven Firmen“ berücksichtigt etwa Pharma- und Chemieunternehmen, die auf innovative biotechnologische Methoden setzen. 2012 lag ihre Zahl bei 128 (2011: 126).

Verglichen mit 2011 wagten 2012 deutlich mehr Unternehmer den Sprung in die Selbständigkeit. So verdoppelte sich die Zahl der Gründungen im Jahr 2012 auf 20 (2011: 10), im Jahr 2010 gab es zum Erhebungszeitpunkt (vgl. Kapitel Methodik) nur 8 und 2009 insgesamt 17 Neugründungen. Jedoch mussten gleichzeitig auch mehr Firmen Insolvenz anmelden. 2012 wurden insgesamt 11 Fälle registriert (2011: 7). Beide Kennzahlen zusammengenommen deuten aber dennoch auf eine insgesamt stabile Branche hin.

Unter den 20 Neugründungen konnten sich drei über eine BMBF-Förderung im Rahmen des Wettbewerbs GO-Bio freuen. Viele der neuen Firmen sind im Medizin-Bereich tätig (7), je drei Start-ups in den Sektoren Bioinformatik und industrielle Biotechnologie. Sieben Neugründungen sind im Feld der nicht-spezifischen Dienstleistungen aktiv. Die Gründer des Jahres 2012 kommen vor allem aus Nordrhein-Westfalen (5), Sachsen und Bayern (je 4).

Dedizierte Biotechnologie-Unternehmen und ihre Mitarbeiter verteilt nach BundesländernLightbox-Link
Dedizierte Biotechnologie-Unternehmen und ihre Mitarbeiter verteilt nach BundesländernQuelle: biotechnologie.de

Ihre Standfestigkeit haben sich viele Firmen über Jahre hinweg erworben. Im Durchschnitt ist ein deutsches Biotechnologie-Unternehmen mittlerweile 10 Jahre alt. Viele sind aus der bislang größten Gründungswelle in der deutschen Biotechnologie hervorgegangen, die unter anderem durch den vom BMBF initiierten BioRegio-Wettbewerb im Jahr 1996 angestoßen wurde. Mehr als ein Drittel (34 %) aller heute bestehenden Biotech-Firmen nahmen in der Folge des Wettbewerbs bis 2001 ihre Geschäftstätigkeit auf.

Hinsichtlich der Gesamtzahl der Biotechnologie-Unternehmen und ihrer geografischen Verteilung stehen die Regionen Bayern, Berlin-Brandenburg, Baden-Württemberg und Nord-rhein-Westfalen an der Spitze. Den größten Sprung nach oben hat die Zahl der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen das zweite Mal in Folge in Nordrhein-Westfalen gemacht, dort wurden sieben Firmen mehr verzeichnet als noch 2011. Einen ähnlich großen Satz absolvierte die Biotechnologie-Region Sachsen. Hier gab es 2012 fünf Firmen mehr als 2011. Darüber hinaus konnte nur noch Thüringen im vergangenen Jahr deutlich wachsende Firmenzahlen vorweisen (von 7 auf 10). In den anderen Regionen blieb die Zahl der
Unternehmen im Vergleich zu 2011 nahezu identisch.

Mitarbeiterstruktur

Mit der Zahl der Unternehmen wuchs 2012 auch die Zahl der Beschäftigten. Insgesamt 17.430 Mitarbeiter (+6,9%) waren in den 565 dedizierten Biotech-Unternehmen Deutschlands beschäftigt. Die meisten von ihnen (3.758) arbeiteten in Nord-rhein-Westfalen, dicht gefolgt von Bayern (3.628) (vgl. Abb. 2). Ebenfalls gewachsen ist die Zahl der Mitarbeiter in den biotechnologisch ausgerichteten Abteilungen der sonstigen Unternehmen. Sie stieg um 1,1% auf 17.760 (2011: 17.570). In der kommerziellen Biotechnologie in Deutschland arbeiten also insgesamt 35.190 Menschen (+3,9%).

Viele der deutschen Biotech-Unternehmen sind immer noch sehr klein. Fast jede zweite Firma (44,1%) zählt weniger als zehn Mitarbeiter. Ähnlich viele Unternehmen (42,8%) beschäftigen zwischen zehn und fünfzig Mitarbeiter. Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern sind die Ausnahme. Nur 33 Firmen gehören zu dieser Spitzengruppe. Sieben davon zählen mehr als 250 Beschäftigte und sind damit dem Status der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) entwachsen. Das Unternehmen mit den meisten Mitarbeitern kommt aus Nordrhein-Westfalen (NRW): Es ist der Aufreinigungs- und Diagnostikspezialist Qiagen mit 1.353 Angestellten. Rang zwei belegt die ebenfalls in NRW ansässige und auf medizinische Zelltechnologien fokussierte Firma Miltenyi Biotec  (980 Mitarbeiter). Der Biopharmaka-Auftragshersteller Rentschler Biotechnologie aus Baden-Württemberg rangiert mit 640 Mitarbeitern erneut auf Platz drei .

Inhaltliche Schwerpunkte der Unternehmen

Die Entwicklung von Medikamenten oder von neuen diagnostischen Methoden steht nach wie vor im Fokus der meisten Biotech-Unternehmen in Deutschland.

Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen (nur eine Angabe pro Unternehmen)Lightbox-Link
Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen (nur eine Angabe pro Unternehmen)Quelle: biotechnologie.de

273 Firmen (48,3%) sind dem Feld der „roten“ Biotechnologie zuzurechnen. Die Suche nach neuen Wirkstoffen, Vakzinen oder Biomarkern stellt nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit den wichtigsten Anwendungsbereich der Biotechnologie dar. Innerhalb der medizinischen Biotechnologie in Deutschland haben sich verschiedene Arbeitsschwerpunkte etabliert. So konzentriert sich die Mehrheit der Unternehmen auf die Erforschung neuer Diagnostika (73). Darüber hinaus gibt es 55 Firmen, die hauptsächlich Therapeutika entwickeln und bereits ein oder mehrere Produkte ab der klinischen Phase I in der Pipeline haben. Die anderen 145 Firmen befinden sich entweder noch im präklinischen Bereich der Therapeutika-Forschung oder bieten eine Technologie-Plattform als Dienstleistung im Bereich Gesundheit an.

178 Unternehmen (31,5 %) sind in keinem speziellen Feld, sondern für mehrere Anwenderbranchen aktiv. Hierzu gehören alle Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend Dienstleistungen für andere Biotech-Firmen erbringen oder als Zulieferer für diese tätig sind. In die von der OECD definierte Kategorie der nicht-spezifischen Anwendungen gehören auch reine Auftragsproduzenten von biologischen Molekülen ohne eigene Entwicklungsaktivitäten. Damit ist dieses Segment das zweitwichtigste der Branche und erreicht eine ähnlich große Bedeutung wie die medizinische Biotechnologie.

Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen im Bereich Gesundheit/Medizin Lightbox-Link
Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen im Bereich Gesundheit/Medizin Quelle: biotechnologie.de

Zunehmende Bedeutung erfährt die industrielle oder „weiße“ Biotechnologie. 2012 waren hier insgesamt 61 Unternehmen tätig (10,8%). Sie konzentrieren sich auf die Entwicklung von technischen Enzymen, neue Biomasse-Verwertungsstrategien oder biotechnologische Produktionsprozesse. Erstmals wurden diese Unternehmen daraufhin analysiert, für welche Branchen sie aktiv sind (Mehrfachzuordnungen waren möglich). Demnach ist der Großteil der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen in der industriellen Biotechnologie im Bereich Nahrungs-/Futtermittel (35) und Pharmaproduktion (30) aktiv. Auf den weiteren Plätzen folgen die Branchen Chemie (21), Kosmetik (18) und Energie (10).

Einen wichtigen Rohstoff für das biobasierte Wirtschaften liefert pflanzliche Biomasse. Ertragreichere und robustere Nutzpflanzen stehen im Fokus der „grünen“ Biotechnologie. Diesem Anwendungsgebiet sind in Deutschland insgesamt 24 Firmen zuzurechnen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Sektor nahezu konstant geblieben (2011: 23). Ähnlich wie bei der industriellen Biotechnologie wird das Feld von Großunternehmen dominiert, die langwierige Entwicklungen und Zulassungsprozesse schultern können, in der Statistik aber bei den sonstigen biotechnologisch-aktiven Unternehmen auftauchen. Weiße und grüne Biotechnologie lassen sich unter dem Begriff „Bioökonomie“ zusammenfassen, ihre geografische Verteilung wird daher in der Abb. 5 gemeinsam dargestellt.

Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten, industriellen Biotechnologie-Unternehmen (Mehrfachnennung möglich)Lightbox-Link
Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten, industriellen Biotechnologie-Unternehmen (Mehrfachnennung möglich)Quelle: biotechnologie.de

Mit 29 Unternehmen (5,1%) gibt es zudem in Deutschland eine stetig wachsende Gruppe, die sich vorrangig mit Bioinformatik beschäftigt. Diese spielt beispielsweise bei der Entwicklung individualisierter Behandlungsstrategien eine Rolle. So erfordern moderne Hochdurchsatzverfahren die systematische Erfassung und Analyse immer größerer medizinisch relevanter Datenmengen. Ganze Genome einer steigenden Zahl von Menschen sind bereits sequenziert und liegen als Datensätze vor. Gleiches gilt im zunehmenden Maße für andere Informationsebenen, wie das Epigenom, das Proteom oder das Metabolom. Diese Datensätze haben einen enormen Informationsgehalt, dessen prognostischer, diagnostischer und therapeutischer Wert bislang nur wenig erforscht ist. Die Informationswissenschaften liefern den Schlüssel, um diesen Wissensschatz zu heben. Erste Analysen solcher Datensätze haben bereits erkennen lassen, dass die in ihnen enthaltenen, für jeden Einzelnen charakteristischen Muster und Signaturen ein Potential für individualisierte Prävention und umfassendere Diagnostik sowie daraus abzuleitende individualisierte Therapien darstellen.

Ob rot, weiß oder grün: Sämtliche Spielarten der Biotechnologie gelten als wichtige Impulsgeber auf dem Weg hin zu einer biobasierten Wirtschaft, die auf natürliche Ressourcen setzt, um innovative Produkte zu entwickeln. Die Biotechnologie ist damit nicht nur ein wichtiger Eckpfeiler in der Gesundheitswirtschaft, sondern auch in der Bioökonomie.

Klinische Pipeline

Die klinische Entwicklungs-Pipeline ist das Rückgrat eines medizinischen Biotechnologie-Unternehmens. In der Pipeline werden Wirkstoffe zu Präparaten, die nach einer Zulassung das Unternehmen in die Zukunft tragen werden. Deutsche Biotechnologie-Unternehmen konnten auch im Jahr 2012 mit einer gut gefüllten Pipeline aufwarten, obwohl der Bestand im Vergleich zu den Vorjahren gesunken ist.

Insgesamt befanden sich im vergangenen Jahr 93 biologisch aktive Substanzen in einer der drei Phasen der klinischen Entwicklung (2011: 109). Dabei wurden 83 Kandidaten in einer der früheren Phasen I und II getestet, zehn Präparate hatten die für die Zulassung relevante Phase III erreicht. Unter diesen sind sechs sogenannte Biologicals und vier zählen zu den niedermolekularen Substanzen (small molecules).

Von dedizierten Biotechnologie-Unternehmen zur Zulassung gebrachte TherapeutikaLightbox-Link
Von dedizierten Biotechnologie-Unternehmen zur Zulassung gebrachte TherapeutikaQuelle: biotechnologie.de

Die Produktkandidaten zählen innerhalb dieser Statistik jeweils nur einmal, auch wenn Zulassungen in mehreren Märkten angestrebt oder Studien in mehreren Indikationen durchgeführt werden. Zudem wurden nur Projekte aufgenommen, bei denen ein großer Teil der Entwicklungsarbeiten in Deutschland durchgeführt wird. Deshalb wird ein Teil der Pipeline von ausländischen Firmen, die in Deutschland nur eine Niederlassung betreiben, nicht aufgeführt. Andersherum werden Kandidaten von Unternehmen mitgerechnet, die zwar auf dem Papier im Ausland beheimatet sind, deren zentrale Forschung und Entwicklung für ein Produkt aber hier in Deutschland stattfindet.

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das in Dänemark seinen Hauptsitz hat, dessen wissenschaftliche Arbeit jedoch in Deutschland stattfindet, ist die Bavarian Nordic GmbH.

Die Krönung jeder Entwicklung, die Marktzulassung eines Medikamentes, wurde 2012 von keinem deutschen Biotechnologie-Unternehmen erreicht. Der letzte Neuzugang in dieser Liste war 2011 das Produkt Ameluz von Biofrontera. Insgesamt liegt die Zahl der deutschen Biotech-Medikamente am Markt damit weiterhin bei neun.

Medikamentenkandidaten dedizierter Biotechnologie-Unternehmen in der klinischen Phase IIILightbox-Link
Medikamentenkandidaten dedizierter Biotechnologie-Unternehmen in der klinischen Phase IIIQuelle: biotechnologie.de

Erfolgreiche Abschlüsse von Studien in früheren klinischen Phasen konnte u. a. die Martinsrieder 4SC AG vermelden. Sie hat eine Phase II-Studie für den Kandidaten Resminostat vorzeitig abgeschlossen. Der Histon-Deacetylase (HDAC)-Inhibitor überzeugte bei Patienten mit fortgeschrittenem Leberkrebs als Kombinationstherapie mit dem Medikament Sorafenib. Auch die Wuppertaler AiCuris GmbH, die Tübinger immatics biotechnologies GmbH und die Berliner Mologen AG erreichten in Phase II-Studien positive Ergebnisse.

Allerdings wird 2012 auch als das Jahr der herben Rückschläge einstiger Hoffnungsträger in die Historie der Branche eingehen: Eine Reihe von Phase III-Studien scheiterten knapp vor der Ziellinie. Die Agennix AG aus Martinsried musste Anfang Februar ihre Phase II/III-Studie mit dem Wirkstoff Talactoferin in der Indikation Sepsis abbrechen. Im August wurde zudem eine Phase III-Studie namens Fortis-M mit dem Wirkstoff Talactoferrin gegen Lungenkrebs gestoppt, der sich als unwirksam erwiesen hatte. Im Oktober gab dann die Münchner Wilex AG bekannt, der Antikörper Girentuximab habe in der Phase III-Studie mit dem Titel Ariser bei der Behandlung von Nierentumoren nicht überzeugen können: Die Behandlung mit dem Medikamentenkandidat Rencarex hatte keinen signifikanten Überlebensvorteil ergeben. Das Unternehmen konzentriert sich nun auf das Diagnostikum Redectane, das bereits eine Phase III-Studie erfolgreich bestanden hat. Und ein anderes Molekül namens Mesupron, das in der Phase II getestet wird, wird nun zum neuen Hoffnungsträger. Das Beispiel Wilex zeigt, wie wichtig es ist, auf eine gut gefüllte Pipeline zurückgreifen zu können.

Kooperationen

Kooperationen dedizierter Biotechnologie-Unternehmen entlang der WertschöpfungsketteLightbox-Link
Kooperationen dedizierter Biotechnologie-Unternehmen entlang der WertschöpfungsketteQuelle: biotechnologie.de
Bei immer mehr Blockbuster-Präparaten der Pharmaindustrie läuft der Patentschutz aus. Nachschub an neuen Wirkstoffkandidaten wird dringend benötigt. Um den Mangel an Innovationen zu kompensieren, steigen die Großunternehmen deshalb immer mehr und immer früher in Entwicklungsprojekte von kleineren Biotechnologie-Unternehmen ein. Das ist nur eine Facette des vielfältigen Netzwerks an Kooperationen und Partnerschaften, das sich durch die gesamte Branche zieht. Auch die Chemie- und Nahrungsmittelindustrie interessiert sich zunehmend für biotechnologische Innovationen. Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Organisationen gehört für viele Firmen mittlerweile zum Standardrepertoire. Manche haben sich ganz auf die Auftragsforschung für andere Unternehmen spezialisiert. Insgesamt unterhielten die 242 Firmen, die in der aktuellen Umfrage Angaben dazu gemacht haben, im Jahr 2012 knapp 2.500 Partnerprojekte.

Die meisten davon (1.042) beziehen sich auf Vorhaben mit Forschungseinrichtungen, um Fragen der Grundlagenforschung zu klären. Auch mit der Industrie gibt es vielfältige Verknüpfungen (809). Die berücksichtigten Biotechnologie-Unternehmen selbst unterhalten untereinander 532 Partnerschaften. Kooperationen finden dabei über die gesamte Wertschöpfungskette verteilt statt – mit einem erwartungsgemäß starken Fokus auf Forschung und Entwicklung. Beinahe jede zweite industrielle Kooperation erstreckt sich inzwischen über Ländergrenzen hinweg.

Entwicklung der Umsätze und F&E-Anwendungen

Umsatz und F&E-Ausgaben der dedizierten Biotechnologie-UnternehmenLightbox-Link
Umsatz und F&E-Ausgaben der dedizierten Biotechnologie-UnternehmenQuelle: biotechnologie.de
Wie in den beiden Vorjahren stand auch 2012 die Umsatzentwicklung unter einem positiven Vorzeichen. Die Wachstumsrate der deutschen Biotechnologie-Branche stieg ein weiteres Mal und erreicht nun 10,9%. Mit 2,9 Milliarden Euro hat die Biotech-Branche in Deutschland damit einen Rekordumsatz erwirtschaftet, der sich langsam der Drei-Milliarden-Euro-Marke nähert. Die Erlöse stammen aus dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen ebenso wie aus Vorab- und Meilensteinzahlungen, die durch Lizenzverträge in die Firmen flossen. 

Das Wachstum ist innerhalb der verschiedenen Anwendungsfelder der Biotechnologie jedoch nicht gleich verteilt. Demnach ist die „rote“ Biotechnologie der bedeutendste Umsatzbringer.  2012 waren hier die größten Zuwächse zu verzeichnen. Mit einem Erlös von 2,02 Milliarden Euro steigerten die Unternehmen  ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 10,9%. Ein ähnliches Umsatzwachstum konnte die industrielle Biotechnologie vorweisen. Hier stiegen die Zahlen auf 193 Mio. Euro (+9,1%). 2011 waren die Wachstumsraten allerdings zweistellig. Weiter auf Wachstumskurs liegen indes die Firmen mit nicht-spezifischen Produkten und Dienstleistungen. Sie erzielten mit 620 Mio. Euro ein Umsatzwachstum von 11,5%.

Einen deutlichen Zuwachs – wenn auch absolut betrachtet in einer anderen Liga – legte der Bioinformatik-Sektor an den Tag: Sein Umsatz lag 2012 bei 27 Mio. Euro (+25,9%). Diese Steigerung spiegelt die wachsende Nachfrage nach bioinformatorischen Analyse-Dienstleistungen wider und verdeutlicht den großen Bedarf an neuen Methoden der Informationstechnologien in den Biowissenschaften. Deutlich magerer fielen die Umsatzzuwächse der „grünen“ Biotechnologie aus (+1,3%). Der Umsatz betrug 44 Mio. Euro (2011: 43,5 Mio. Euro).  Die Bedeutung der Biotechnologie ist allerdings wesentlich größer als diese Zahlen vermuten lassen. Der Großteil der Biotechnologie-abhängigen Umsätze – etwa mit Biopharmaka oder Aminosäuren – wird in den 128 sonstigen biotechnologisch aktiven Unternehmen erwirtschaftet. Diese Zahl wird jedoch nicht separat erfasst.

Verteilung von Umsatz und F&E-Ausgaben dedizierter Biotechnologie-UnternehmenLightbox-Link
Verteilung von Umsatz und F&E-Ausgaben dedizierter Biotechnologie-UnternehmenQuelle: biotechnologie.de

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) sind erneut gesunken: 2012 investierten die dedizierten Biotechnologie-Unternehmen 934 Mio. Euro. Damit blieben sie zum zweiten Mal in Folge deutlich unter einer Milliarde Euro (2011: 975 Mio. Euro). Mit 749 Mio. Euro tragen Unternehmen der medizinischen Biotechnologie den Großteil der F&E-Kosten (2011: 805 Mio. Euro), im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 6,9%. Ein ähnlich hohes F&E-Budget wie im Vorjahr (2011: 46 Mio. Euro) haben die Unternehmen der industriellen Biotechnologie (47 Mio. Euro). Bei den Firmen aus dem Bereich Landwirtschaft gibt es mit 25 Mio. Euro F&E-Ausgaben ebenfalls kaum Veränderungen (2011: 26 Mio. Euro). Einzig die F&E-Aufwendungen bei den Unternehmen im Bereich nicht-spezifischer Dienstleistungen lagen 2012 deutlich höher (103 Mio. Euro). 2011 wurden hier nur 90 Mio. Euro investiert.

Insgesamt sind die leicht gesunkenen F&E-Kosten zwar ein Indikator dafür, dass die Unternehmen aufgrund der schwierigen Finanzierungssituation insgesamt genauer hinschauen müssen, welche F&E-Projekte sie weiterverfolgen. Gleichwohl liegt die Gesamtsumme – verglichen mit anderen Branchen – immer noch auf einem sehr hohen Niveau.

Finanzierung

Auch im Jahr 2012 standen viele deutsche Biotechnologie-Unternehmen vor großen Herausforderungen, wenn es galt, das weitere Wachstum zu finanzieren. Dennoch hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr verbessert. 2011 flossen der Branche nur rund 187 Mio. Euro zu, wenn Wagniskapital, Kapitalerhöhungen über die Börse sowie öffentliche Fördermittel zusammengerechnet werden. 2012 konnte dieser Wert fast verdoppelt werden – auf 347 Mio. Euro.

Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2012Lightbox-Link
Die größten Finanzierungen börsennotierter dedizierter Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2012Quelle: biotechnologie.de

Die Summe der vergebenen öffentlichen Fördermittel blieb etwa konstant. Auf diesem Wege konnte die Branche im Jahr 2012 rund 47 Mio. Euro einnehmen, ein Jahr zuvor waren es 45 Mio. Euro. Private Investoren scheinen indes wieder vermehrt Vertrauen in die Biotechnologie zu fassen. Die privat geführten dedizierten Biotechnologie-Unternehmen erhielten rund 205 Mio. Euro an Risikokapital – fast dreimal so viel wie noch im Vorjahr (72 Mio. Euro). Auch die börsennotierten Firmen konnten ihren finanziellen Spielraum ausweiten. Sie sammelten 2012 etwa 95 Mio. Euro ein, 2011 waren es 70 Mio. Euro.

Auf den ersten Blick hat sich die Branche scheinbar ihrer Finanzierungssorgen entledigt. Der Anstieg im Transaktionsvolumen kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nur wenigen Unternehmen gelang, bei den Kapitalgebern Geld einzuwerben. Dafür konnten die Firmen im Erfolgsfall jedoch größere Beträge verbuchen. So konnten zwei Unternehmen allein die Hälfte des insgesamt eingeworbenen Kapitals unter sich aufteilen: die CureVac GmbH und die BRAIN AG. 

Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2012Lightbox-Link
Die größten Wagniskapitalfinanzierungen von privaten Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 2012Quelle: biotechnologie.de

Mit 80 Mio. Euro hat die Tübinger CureVac GmbH 2012 einen neuen deutschen Finanzierungsrekord aufgestellt. Das Geld stammt vom alleinigen Investor: dem Milliardär und SAP-Gründer Dietmar Hopp. CureVac benötigt das Kapital auch deshalb, weil die klinische Erprobung der dort entwickelten Krebsimpfstoffe sehr lange dauert – und dementsprechend viel Geld kostet. Frühestens für 2020 erwarten die Verantwortlichen die Zulassung eines ersten Impfstoffes.

Ein ähnlich großer Erfolg bei der Kapitalsuche war der BRAIN AG im hessischen Zwingenberg beschieden. Sie konnte rund 60 Mio. Euro einwerben. Das Vorzeigeunternehmen der industriellen Biotechnologie wagte sich auf ein auf den ersten Blick ungewöhnliches Terrain vor: die Kosmetik. Unterhalb des Radars der Öffentlichkeit hat sich BRAIN ein Portfolio an Kosmetik-Unternehmen zugelegt. Nach dem im Frühjahr erfolgten Kauf der Mehrheit an der Monteil Cosmetics International GmbH deckt BRAIN die Wertschöpfungskette nun vollständig ab und produziert in eigenen Anlagen Peptid-Wirkstoffe, die beispielsweise Hautirritationen minimieren sollen.

Die Berliner Mologen AG sammelte insgesamt knapp 25 Millionen Euro an der Börse ein. Gute Studiendaten des dort entwickelten Krebswirkstoffes dürften das Interesse der Investoren geweckt haben. Ähnliches gilt für die 4SC AG. Im Frühjahr konnte das Unternehmen in Martinsried überzeugende klinische Daten für eine Krebsarznei vorlegen. Im Juni folgte dann die Kapitalerhöhung über die Börse: 12,6 Millionen Euro konnten eingeworben werden.

Erfolgreich war auch die Affimed Therapeutics AG, die auf die Herstellung bispezifischer Antikörper spezialisiert ist. Die modifizierten Immunmoleküle binden nicht nur wie gewöhnlich an ein einziges, sondern an mehrere unterschiedliche Zielmoleküle und sollen so die Behandlung – beispielsweise von Krebs – revolutionieren. Private Geldgeber wie Aeris Capital, BioMedInvest und LSP Life Sciences Partners investierten im Oktober 2012 weitere 15,5 Millionen Euro in die Firma.

Eine ähnlich große Summe – 15 Mio. Euro – floss der Probio-drug AG bereits im Januar zu. Das in Halle/Saale beheimatete Unternehmen will das frische Kapital nutzen, um den eigenen Wirkstoff, einen Blocker des Enzyms Glutaminyl-Cyclase, weiterzuentwickeln. Die Substanz soll eines Tages zur Behandlung von Alzheimer eingesetzt werden.

Wie eng Licht und Schatten beieinanderliegen können, zeigt indes die Wilex AG aus München. 2012 hatte das Unternehmen in zwei Runden knapp 34 Millionen Euro eingesammelt. Kurz nach Abschluss der Kapitalmaßnahmen bewies der am weitesten entwickelte Krebswirkstoff des Unternehmens in einer großen klinischen Studie allerdings keinen Überlebensvorteil. Dass dieses fatale Ergebnis Wilex nicht völlig umgeworfen hat, lag auch an dem zuvor angelegten finanziellen Polster. Es sorgte für die nötige Ruhe und Zeit für eine weitere Analyse der Daten. Anfang 2013 gab es wieder Hoffnung: Eine bestimmte Patienten-Untergruppe habe doch von der Behandlung profitiert, meldete Wilex. Der einstige Hoffnungsträger ist damit wieder im Spiel.

Der Trend zum selektiven Investieren scheint sich also fortzusetzen. Das zwingt zu Kreativität bei der Kapitalsuche: In Deutschland unternahm die AMD Therapy eG einen Versuch, erfolgversprechende Projekte gegen die trockene altersbedingte Makuladegeneration (AMD) mit den Mitteln von Privatleuten zu finanzieren. Der Ansatz: Neben der Aussicht auf finanziellen Gewinn sollte das Genossenschaftsmodell den Betroffenen auch eine Gesundheitsrendite bringen. Das selbstgesteckte Ziel, bis Jahresende 60 Mio. Euro einzusammeln, wurde jedoch verfehlt. Damit ist eine Auflösung der Genossenschaft und die Rückgabe des bisher eingesammelten Kapitals an die Beteiligten wahrscheinlich.

Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2012Lightbox-Link
Übernahmen und Fusionen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im Jahr 2012Quelle: biotechnologie.de

Doch nicht nur bei den Finanzierungen, auch bei den Übernahmen gab es im vergangenen Jahr einen neuen Rekord. 1,2 Milliarden US-Dollar in bar bezahlte der US-Biotech-Konzern Amgen für die deutsch-amerikanische Micromet Inc. mit ihrem Hauptforschungsstandort in München. So einen großen Deal hatte es in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Für viel Aufsehen sorgte auch die Übernahme der Martinsrieder Corimmun GmbH durch den Pharmakonzern Johnson & Johnson. Neben einer Barkomponente von rund 100 Mio. US-Dollar hat der US-amerikanische Konzern eine Meilensteinzahlung in ähnlicher Höhe in Aussicht gestellt. Im Fokus des Interesses stand der Wirkstoff COR-1: ein zyklisches Peptid, das gegen Herzinsuffizienz nach Autoimmunreaktionen eingesetzt werden soll. Firmenmitgründer Roland Jahns aus Würzburg gehörte übrigens zu den Preisträgern der ersten Runde des GO-Bio-Wettbewerbs des BMBF. Zudem ist Corimmun auch Mitglied im BMBF-geförderten Biotech-Spitzencluster „m4“, der von München aus koordiniert wird und sich u. a. auf die Entwicklung neuer Therapien der individualisierten Medizin fokussiert hat.  Einen Teil ihrer Finanzierung hat die Firma demnach über öffentliche Fördergelder gestemmt – ein Beispiel dafür, dass diese einen signifikanten Anschub vor allem in der Startphase einer Unternehmensgründung leisten können.

Die Heidelberger Cellzome AG bekam ebenfalls eine neue Mutter. Im Mai 2012 übernahm der britische Pharmariese GlaxoSmithKline alle noch ausstehenden Firmenanteile. Rund 61 Mio. Britische Pfund zahlte der Konzern, um sich den exklusiven Zugriff auf die Proteomik-Technologie des langjährigen Partners zu sichern.

Auch für die AiCuris AG in Wuppertal war 2012 ein erfolgreiches Jahr. Ein Tochterunternehmen der US-amerikanischen Firma Merck & Co. sicherte sich mit einer Lizenzvereinbarung den Zugriff auf Wirkstoffe gegen das Humane Cytomegalievirus. Mit einem Gesamtwert von 442,5 Mio. Euro, davon allein 110 Mio. Euro vorab, war dies der bisher umfangreichste Biotech-Lizenzdeal in Deutschland.

Die Highlights des abgelaufenen Jahres zeigen, dass sich die Rekorde in der deutschen Biotechnologie häufen. Die spektakulären Übernahmen von Corimmun, Micromet und Cellzome haben den Finanzierern 2012 eine gute Rendite beschert. Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass Biotech-Firmen nachhaltig auf dem Radar von Investoren bleiben.

Ausblick

Als Schlüsseltechnologie ist die Biotechnologie für viele Wirtschaftszweige inzwischen zu einem wesentlichen Innovationstreiber geworden. Ob Medizin, Industrie, Ernährung, Energie oder Landwirtschaft – die Nachfrage nach biobasierten Innovationen ist groß. Dies gilt umso mehr, da Industrienationen wie Deutschland vor großen Herausforderungen stehen. Gerade im Gesundheitssystem sind effiziente Behandlungsverfahren gefragter denn je. Aber auch bei der nachhaltigen Energieerzeugung oder der Nutzung alternativer Rohstoffquellen können biotechnologische Produkte und Dienstleistungen ihren Beitrag leisten. Die Entwicklung der Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland wird deshalb immer aufmerksamer registriert.

 

Den spürbarsten Nutzen hat die Biotechnologie derzeit noch für die Gesundheitswirtschaft. Große Hoffnungen setzen die Unternehmen auf die personalisierte Medizin – maßgeschneiderte Behandlungsstrategien bedeuten zwar vielfach kleinere Patientenkollektive, doch zugleich auch eine größere Chance auf Kostenerstattung durch die Krankenkasse. Gleichzeitig sind mit ihr Effizienzsteigerungen im Gesundheitssystem verbunden, weil nutzlose Behandlungen deutlich reduziert werden können. Der Blick auf die deutschen Unternehmen in der roten Biotechnologie macht diese Entwicklung sichtbar – immer mehr Firmen beschäftigen sich auch mit dem Thema Diagnostik.

 

Das Jahr 2012 war für die Medikamentenentwickler eine echte Berg- und Talfahrt. Einige Firmen der ersten Generation, die vielfach alte Projekte aus der Pharmaindustrie verfolgt hatten, mussten herbe Rückschläge in fortgeschrittenen klinischen Phasen verkraften. Auf der anderen Seite konnten andere, zumeist junge Firmen mit Rekordlizenzvereinbarungen und Rekordübernahmen punkten. Dies deutet darauf hin, dass sich in der Therapieentwickelung vor allem innovative Technologieplattformen mit einem soliden Wissenschaftskonzept durchsetzen können und Deutschland in dieser Hinsicht gut aufgestellt ist.

 

Nahrungsmittelhersteller, Konsumgüterproduzenten, Energiekonzerne und Chemieunternehmen setzen ebenfalls immer stärker auf biotechnologische Verfahren, um neuartige Produkte zu entwickeln oder nachhaltigere Herstellungsprozesse zu etablieren. Der Strukturwandel weg von der erdölbasierten hin zu einer auf biologischen Ressourcen fußenden Ökonomie hat eingesetzt. Das Konzept Bioökonomie ist auf den wirtschafts- und forschungspolitischen Agenden angekommen und wird in Deutschland im Rahmen der 2010 gestarteten „Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030“ vorangetrieben.

 

Das messbare Wachstum der deutschen Biotechnologie-Branche über die vergangenen Jahre hinweg belegt, dass die Unternehmen insgesamt solide aufgestellt sind.  Mit der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ und dem Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung erfährt die deutsche Biotechnologie-Branche zudem eine nachhaltige politische Unterstützung.

Methodik

Im Dezember 2004 hat die OECD die Vielzahl der existierenden Definitionen für die Biotechnologie harmonisiert. Seitdem sind alle OECD-Länder aufgerufen, Erhebungen zur Biotechnologie am sogenannten Framework for Biotechnology Statistics zu orientieren (www.oecd.org). Die OECD unterscheidet innerhalb der Biotech-Branche zwei unterschiedliche Kategorien von Unternehmen: „dedizierte Biotechnologie-Unternehmen“ auf der einen Seite und „sonstige biotechnologisch-aktive Unternehmen“ auf der anderen Seite. Erstere werden laut der OECD-Definition definiert als biotechnologisch aktive Unternehmen, deren wesentliche Unternehmensziele die Anwendung biotechnologischer Verfahren zur Herstellung von Produkten oder der Bereitstellung von Dienstleistungen oder der Durchführung biotechnologischer Forschung und Entwicklung sind.

Im Gegensatz zu dieser Art von dedizierten Biotech-Unternehmen liegt das wesentliche Unternehmensziel eines „sonstigen biotechnologisch-aktiven Unternehmens“ nicht ausschließlich in der Anwendung biotechnologischer Verfahren. Die OECD beschreibt damit Unternehmen, bei denen die Biotechnologie nur einen Teil des Geschäfts- und Tätigkeitsfeldes ausmacht. Diese Unternehmen werden definiert als biotechnologisch aktive Unternehmen, die biotechnologische Verfahren zum Zwecke der Eingliederung neuartiger oder wesentlich verbesserter Produkte oder Herstellungsprozesse anwenden. Dabei müssen die wesentlichen Unternehmensziele nicht ausschließlich in der Anwendung biotechnologischer Verfahren zur Herstellung von Produkten oder der Bereitstellung von Dienstleistungen oder der Durchführung biotechnologischer Forschung und Entwicklung bestehen, wie beispielsweise bei Pharma- und Chemieunternehmen oder Saatgutherstellern.

Für die Zwecke dieser Umfrage hat biotechnologie.de einen Fragebogen erarbeitet, der auf den zuvor erläuterten OECD-Definitionen beruht. Zwischen Januar und März 2013 wurden insgesamt 781 Unternehmen angeschrieben. Die Auswahl der für die Erhebung angeschriebenen Unternehmen erfolgte unter Berücksichtigung der OECD-Definition in Abgleich mit der Unternehmensdatenbank der BIOCOM AG. 610 der befragten Unternehmen antworteten entweder per Fragebogen oder nach telefonischer Rückfrage. Die Rücklauf- bzw. Verifizierungsquote beträgt damit 78 %.

Entsprechend den OECD-Richtlinien wurde bei der Auswahl der Firmen darauf geachtet, alle Unternehmen zu erfassen, die sich in Deutschland mit Biotechnologie beschäftigen und hierzulande ansässig sind. Deshalb wurden auch solche Firmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland F&E-Aktivitäten haben. Bei der Erfassung der Arbeitsplätze, Geschäftszahlen und Geschäftsfelder wurde die Befragung nur für die deutschen Standorte eines Unternehmens durchgeführt. Hat ein Unternehmen mehr als einen Standort in Deutschland, wird es nur einmal mit entsprechend kumulierten Werten berücksichtigt. Stichtag für die Befragung war der 31. 12. 2012. Die in der Umfrage berücksichtigten Unternehmen und Forschungsinstitute sind in der Biotechnologie-Datenbank des Informationsportals biotechnologie.de einsehbar. Die veröffentlichten Angaben beruhen auf den Ergebnissen der Umfrage.

Definitionen der OECD

Biotechnologie …

… ist die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen, Teile von ihnen, ihre Produkte oder Modelle von ihnen zwecks Veränderung von lebender oder nichtlebender Materie zur Erweiterung des Wissensstandes, zur Herstellung von Gütern und zur Bereitstellung von Dienstleistungen.

Ein dediziertes Biotechnologie-Unternehmen …

… ist definiert als ein biotechnologisch aktives Unternehmen, dessen wesentliche(s) Unternehmensziel(e) die Anwendung biotechnologischer Verfahren zur Herstellung von Produkten oder der Bereitstellung von Dienstleistungen oder der Durchführung biotechnologischer Forschung und Entwicklung ist/sind.

Ein sonstiges biotechnologisch-aktives Unternehmen …           

… ist definiert als ein biotechnologisch aktives Unternehmen, das biotechnologische Verfahren zum Zwecke der Eingliederung neuartiger oder wesentlich verbesserter Produkte oder Herstellungsprozesse anwendet (gemäß dem Oslo Manual der OECD von 1997 als Maß der Innovation). Dabei muss das wesentliche Unternehmensziel nicht ausschließlich in der Anwendung biotechnologischer Verfahren zur Herstellung von Produkten oder der Bereitstellung von Dienstleistungen oder der Durchführung biotechnologischer Forschung und Entwicklung bestehen (z. B. Pharma- und Chemieunternehmen, Saatguthersteller u. ä.).

Definition der Tätigkeitsbereiche

  • Gesundheit/Medizin:  

    Entwicklung von Therapeutika und/oder Diagnostika für den humanmedizinischen Bereich, Drug Delivery, Gewebe-Ersatz

  • Tiergesundheit:  

    wie oben, für veterinärmedizinische Anwendungen

  • Agrobiotechnologie:  

    gentechnisch modfizierte sowie mit biotechnologischen Verfahren gewonnene, jedoch nicht gentechnisch veränderte Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke

  • Industrielle Biotechnologie:  

    biotechnologische Produkte und Prozesse zur Behandlung von Abfall und Abwasser, für chemische Synthesen, zur Gewinnung von Rohstoffen und Energie etc.

  • nicht-spezifische Anwendungen:  

    auf biotechnologischen Prinzipien basierende Geräte und Reagenzien für die Forschung sowie Dienstleistungen in diesem Bereich („Zulieferindustrie“)

Weitere relevante Begriffsklärungen

  • Biotechnologisches Produkt:  

    ... ist definiert als Ware oder Dienstleistung, deren Entwicklung oder Herstellung die Anwendung eines oder mehrerer biotechnologischer Verfahren gemäß der einzelnen oder listenbasierten Definition für die Biotechnologie voraussetzt.

  • Biotechnologischer Prozess:  

    ... ist definiert als Herstellungs- oder anderer Prozess (beispielsweise ein Umweltvorgang), bei dem ein oder mehrere biotechnologische Verfahren oder Produkte zur Anwendung kommen.

  • Biotechnologische Forschung und experimentelle Entwicklung (F&E):  

    ... sind definiert als F&E biotechnologischer Verfahren, biotechnologischer Produkte und Herstellungsprozesse unter Anwendung oben genannter biotechnologischer Methoden sowie in Übereinstimmung mit dem Frascati Manual der OECD von 2002 als Maß von F&E.

  • Beschäftigung in der Biotechnologie:  

    ... ist definiert als solche Arbeitskräfte, die direkt oder indirekt an der Herstellung oder Entwicklung biotechnologischer Produkte beteiligt sind.

Hintergrund

Die Biotechnologie-Firmenumfrage wurde von biotechnologie.de bereits zum siebten Mal durchgeführt. Der Erhebungszeitraum lag zwischen Januar und März 2013. Von insgesamt 742 angeschriebenen Unternehmen nahmen 584 Unternehmen an der Umfrage teil. Die Rücklaufquote liegt damit bei 79 %. Der Stichtag der für die Erhebung berücksichtigten Daten ist der 31.12.2012.

Als Biotechnologie-Unternehmen werden Firmen angesehen, deren Unternehmensziel wesentlich oder ausschließlich in der Biotechnologie liegt. Im Rahmen der hier vorgelegten Zahlen werden sie als "dedizierte Biotech-Unternehmen" bezeichnet. Es wurden auch solche Unternehmen berücksichtigt, die sich im Mehrheitsbesitz eines nicht-deutschen Mutterkonzerns befinden, aber in Deutschland einen Firmensitz mit F&E-Aktivitäten haben.

Diese Vorgehensweise orientiert sich an statistischen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die im Jahr 2004 verabschiedet wurden.

Die kostenfreie Nutzung sämtlicher Inhalte ist unter Angabe der Quelle (biotechnologie.de) ausdrücklich gestattet.

Downloads

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2013

biotechnologie.de, April 2013. Deutsch/Englisch Download PDF (2,9 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2012

biotechnologie.de, April 2012. Deutsch/Englisch Download PDF (5,2 MB) PDF online ansehen

Die deutsche Biotechnologie-Branche 2011 

biotechnologie.de, April 2011. Deutsch/Englisch  Download PDF (2,8 MB) PDF online ansehen