Regenerative Medizin: Heilen mit Zellen
Die Regenerative Medizin nutzt die Selbstheilungskräfte des Körpers, um Erkrankungen und Verletzungen zu therapieren. Dabei setzen Mediziner und Naturwissenschaftler auf den Einfluss lebender Zellen. Neue und individuelle Therapien könnten Patienten, so die Hoffnung, eine deutlich höhere Lebensqualität ermöglichen. Mit einem Dossier und einer Broschüre beleuchtet biotechnologie.de, wie das Forschungsgebiet in Deutschland aufgestellt ist, für welche Erkrankungen es bereits vielversprechende Fortschritte gibt und wieso der Weg für zellbasierte Therapien in den klinischen Alltag so schwierig ist. Als Spitzenzentren für die Regenerative Medizin sind in Deutschland sogenannte Translationszentren in Leipzig, Berlin, Dresden, Hannover und Rostock aufgebaut worden. Auch für die Pharma- und die Kosmetikindustrie werden Verfahren der Regenerativen Medizin immer bedeutender.
Translation: Auf dem Weg in den klinischen Alltag
Die Regenerative Medizin ist noch eine sehr junge Forschungsdisziplin, weshalb die meisten Akteure sich darauf konzentrieren, die wissenschaftliche Basis für künftige Therapien zu legen. Seit Mitte der 2000er Jahre hat dabei ein spürbarer Aufwind eingesetzt: Nicht zuletzt durch einen Technologiesprung, etwa bei Stammzellen und Biomaterialien, sowie verstärkten finanziellen Impulsen der öffentlichen Forschungsförderorganisationen. Während viele Behandlungsansätze noch im Entwicklungsstadium stecken, kommen einige Anwendungen in der Regenerativen Medizin bereits heute Patienten zugute – beispielsweise als Gewebeersatz für Haut oder Knieknorpel.
Auf den Patienten zugeschnittene Therapien sind komplex
Dennoch ist die Translation, also die Umsetzung von erfolgversprechenden Forschungsergebnissen in gut anwendbare klinische Produkte und Verfahren, in der Regenerativen Medizin eine besonders komplexe Angelegenheit. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Anzahl an Produkten der Regenerativen Medizin noch vergleichsweise gering. Das Problem: Behandlungsformen wie Zelltherapien oder Gewebekonstrukte sind in der Regel auf den einzelnen Patienten ausgerichtet. Das macht jede Behandlung einzigartig und erfordert den Einsatz von viel Zeit, Personal und Hightech. Zudem gilt: Gleiche Zellen von verschiedenen Personen verhalten sich nicht immer gleich, Empfänger reagieren manchmal auf das gleiche Produkt unterschiedlich. Das erschwert die Beurteilung des Nutzens einer Behandlung. Außerdem sind die Zulassungs- und Prüfverfahren für die komplexen Produkte zeitaufwendig und teuer: Schließlich enthalten Präparate oft einen Mix aus lebenden Zellen, biologisch aktiven Wirkstoffen und nicht-biologischen Materialien. Sie alle müssen für sich auf ihre Sicherheit und mögliche Nebenwirkungen hin überprüft werden.
Kleine Unternehmen sind Innovationsmotor
Nicht zuletzt aufgrund dieser Herausforderungen ist die Unternehmenslandschaft in Deutschland bis heute recht überschaubar. Das war auch das Ergebnis einer Bestandsaufnahme, die die Unternehmensberatung Capgemini im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2006 durchgeführt hat. Demnach gibt es mehr als 60 Unternehmen in Deutschland, die auf die Regenerative Medizin spezialisiert sind. Traditionell gibt es in Deutschland bedeutende Expertisen im Bereich Tissue Engineering und Zellkultur-Technologien. Bei den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten dominieren Ansätze für Knochen- und Knorpelersatz, für Hautersatz und für Herz- und Lebererkrankungen. Die Studie zeigte aber auch: Deutschland nimmt in der Forschung im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein. Zentren der Technologieentwicklung sind vor allem öffentliche Forschungseinrichtungen wie Hochschulen und Universitätskliniken, aus denen die meisten kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) als Ausgründungen entstanden sind.
Fünf Translationszentren bundesweit
Hemmnisse wurden in der damaligen Studie insbesondere bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen der Regenerationstechnolgien in Produkte und Therapien gesehen. Weiterer Handlungsbedarf wurde bei der Erstattungspraxis durch die Krankenkassen und den geltenden Zulassungsverfahren für medizinische Produkte sowie den Anforderungen an klinische Studien identifiziert. Die Studie empfahl, die interdisziplinäre Zusammenarbeit voranzutreiben und Akteure aus Kliniken, Biotechnologie-Unternehmen und Behörden besser zu vernetzen. Dazu sollten sogenannte Translationszentren für Regenerative Medizin geschaffen werden. Sowohl das BMBF als auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) griffen dies auf und begannen – mit Unterstützung durch die jeweiligen Bundesländer – mit dem Aufbau solcher Zentren.
Folgende Standorte werden vom BMBF mit mehr als 70 Millionen Euro gefördert:
- Berlin-Brandenburg Center für Regenerative Therapien (BCRT), seit 2006
- Translationszentrum für Regenerative Therapien (TRM) in Leipzig, seit 2006
- Referenz-und Translationszentrum für kardiale Stammzelltherapie (RTC) in Rostock, seit 2008
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert zwei Forschungszentren:
- Center for Regenerative Therapies Dresden (CRTD), seit 2006
- Exzellenzcluster „From Regenerative Biology to Reconstructive Therapy“ (REBIRTH) an der Medizinischen Hochschule Hannover, seit 2006
Mehr auf biotechnologie.de |
Wochenrückblick: 40 Millionen Euro für Zentren in Berlin und Leipzig |
Die Translationszentren bündeln die Kompetenzen aus akademischen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und haben sich zu wichtigen Motoren in der Entwicklung regenerativer Therapien entwickelt. Alle Zentren kooperieren eng mit den jeweiligen Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen. So ist es möglich, neue Therapien über verhältnismäßig kurze Wege in Patientenstudien zu testen. Gleichzeitig wurden in den Zentren eigene Abteilungen geschaffen, die sich um die Bewertung, die Entwicklung und die Kommerzialisierung von regenerativen Therapien kümmern. Die Zentren sollen so zu Keimzellen für Firmenausgründungen und zu Partnern für innovationsstarke Unternehmen werden. Ziel ist es, den breiten Einsatz neuer Therapien nachhaltig und in gesundheitsökonomisch sinnvollem Umfang voranzutreiben.
Weitere Standorte für Translationsforschung
Das BMBF unterstützt neben den Translationszentren bundesweit noch weitere Netzwerke und Standorte, die die Regenerative Medizin in die Anwendung bringen wollen. Dazu zählen:
- die Gesundheitsregion „REGiNA“ (Regenerative Medizin in der Neckar-Alb Region) ging 2009 als Gewinner des BMBF-Wettbewerbs „Gesundheitsregionen der Zukunft“ hervor und wird bis 2013 mit 7,5 Millionen Euro gefördert (mehr...). REGiNA bündelt 16 Teilprojekte und 30 Partner aus Forschung, Klinik und regionalen Unternehmen, um regenerationsmedizinische Produkte und Behandlungsmethoden zu erforschen und pilotartig in die Gesundheitsversorgung einzuführen.
- die HI-STEM gGmbH, die 2008 mit Mitteln der privaten Dietmar-Hopp-Stiftung und des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ in Heidelberg gegründet wurde. HI-STEM bündelt die Aktivitäten von Heidelberger Kliniken und Forschungseinrichtungen zur Erforschung von Krebsstammzellen. HI-STEM ist ein zentraler Partner des Spitzenclusters „Zellbasierte und Molekulare Medizin“ in der Biotech-Region Rhein-Neckar (BioRN), der 2008 den mit 40 Millionen Euro dotierten Spitzencluster- Wettbewerb des BMBF gewonnen hat (mehr...). HI-STEM erhält aus diesem Topf rund 6 Millionen Euro.
Deutsch-kalifornische Kooperation |
Förderbeispiel:Mit Stammzellen das optimale Parkinson-Medikament finden |
Internationale Kooperationen
Um die Umsetzung regenerativer Therapien voranzutreiben, soll auch die internationale Zusammenarbeit der jeweiligen weltweit führenden Experten und Translationszentren gefördert werden. Dazu hat das BMBF bilaterale Abkommen mit Forschungsfördereinrichtungen in den USA im Bereich der Regenerativen Medizin geschlossen. Seit Oktober 2009 existiert ein Memorandum of Understanding mit dem California Institute for Regenerative Medicine (CIRM), der größten Fördereinrichtung für Stammzellstudien weltweit (mehr...).
Die Vereinbarung ermöglicht deutschen Forschern oder Forschungseinrichtungen die Teilnahme an Ausschreibungen des CIRM im Rahmen amerikanisch-deutscher Kooperationen. Bisher gab es fünf Förderrunden, in denen sich Teams bewerben konnten, sieben Projekte sind bisher gestartet.