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Trojanische Pferde gegen die Canavan-Krankheit

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Aus humanen Stammzellen gewonnene gliale Vorläuferzellen (grün) und Oligodendrozyten (rot). Quelle: Institut für rekonstruktive Neurobiologie Bonn

20.09.2011  - 

Ein „schönes Ping-Pong-Projekt“ nennt Oliver Brüstle, Professor am Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn, sein Kooperationsprojekt mit dem kalifornischen California Institute for Reproductive Medicine (CIRM). Ständig reisen Zellproben von der Universitätsklinik Bonn an das Beckman Research Institute of City of Hope und wieder zurück. Der deutsche Stammzellforscher und seine amerikanische Kollegin Yanhong Shi erforschen mit ihren Teams eine neuartige Gentherapie für die Canavan-Krankheit. Die amerikanische Gruppe wird vom CIRM gefördert, auf deutscher Seite gibt das Bundesforschungsministerium (BMBF) rund 400.000 Euro in das Projekt. 

 

Die Canavan-Krankheit wird autosomal rezessiv vererbt und tritt sehr selten auf. Bei der zu den so genannten Leukodystrophien (Erkrankungen der weißen Gehirnsubstanz) zählenden Störung sorgt ein  Defekt im Enzym Aspartoacyclase dafür, dass die Isolierschicht der Nervenzellen nicht mehr dicht ist. „Der Defekt in der Myelinscheide führt schon in früher Kindheit zu degenerativen Veränderungen im Nervensystem“, beschreibt Brüstle die Symptome. „Die Kinder bleiben geistig zurück, verlieren bereits erworbene Fähigkeiten, es treten Lähmungen, Sehstörungen und Epilepsie auf.“

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Zellen dienen als trojanisches Pferd

Das Team an der Universität  Bonn beschäftigt sich schon länger mit diesen Krankheiten. Ihr Ansatz ist es, das defekte Enzym neu bereitzustellen – mit einer Methode, die Brüstle als „zellvermittelten Gentransfer“ bezeichnet. Dabei werden in den erkrankten Organismus neurale Vorläuferzellen transplantiert. Diese sind genetisch so verändert, dass sie das sonst fehlende Enzym produzieren. Außerdem bilden sie nach ihrer Ausreifung vor Ort Oligodendrozyten - eine spezielle Art von Nervenzellen, die neue Myelinscheiden bilden können. „Wir benutzen die Zellen quasi als trojanisches Pferd, um das fehlende Enzym ins Nervensystem einzuschleusen“, sagt Brüstle. Am Mausmodell haben die Bonner mit dieser Therapie bei anderen Leukodystrophien bereits erste Erfolge erzielt.

Gene reparieren mit Virusfähre 

Eine Besonderheit des Projekts ist es, dass die zu transplantierenden neuralen Zellen direkt vom Patienten gewonnen werden. Brüstles Team erhält hierzu aus Kalifornien Fibroblasten, also Gewebezellen der Patienten, die in Bonn zu  sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) umprogrammiert werden. Diese Alleskönnerzellen sind seit einiger Zeit im Fokus der Forscher, erst jüngst haben Forscher in Berlin das Potenzial dieser Zellen auf einem Kongress diskutiert (mehr...). Aus diesen iPS-Zellen züchten die Bonner Wissenschaftler neurale Stammzellen, die bevorzugt Oligodendrozyten bilden. Diese werden genetisch repariert – für das defekte Gen wird mit einer Virusfähre ein gesundes eingeschleust. Diese „reparierten“ Zellen fliegen dann wieder über den Atlantik zum CIRM, wo sie in das Gehirn von Mäusen transplantiert werden, die am gleichen Enzymdefekt leiden. Untersucht wird, wie lange die neuen Zellen in der Maus überleben, wie gut sie das benötigte Enzym produzieren und wie sich das Krankheitsbild der Maus dadurch verändert.

In der Zusammenarbeit mit dem CIRM sieht Brüstle nicht nur eine optimale Nutzung der jeweiligen Ressourcen und Expertise, sondern auch eine reizvolle Möglichkeit, mit dem weltweit am besten ausgestatteten Zentrum für regenerative Medizin wissenschaftlich auf Tuchfühlung zu gehen. Genau das war das Ziel, als das BMBF und das CIRM im Jahr 2009 ein Memorandum of Understanding verabschiedeten: Deutsche Forscher erhalten damit die Möglichkeit, sich mit Kollegen vom CIRM zusammenzutun und sich gemeinsam um eine Förderung bei den Ausschreibungen des CIRM zu bewerben. Gibt es einen positiven Zuschlag, dann werden die deutschen Forscher vom BMBF und die kalifornischen vom CIRM bezahlt. „Derart komplexe Projekte werden in Zukunft mehr und mehr in Form länderübergreifender Kooperationen stattfinden“, prophezeit Brüstle und lobt die Kooperation zwischen CIRM und BMBF. „Das könnte beispielhaft für internationale Verbundprojekte sein. In meinen Augen sollte man solche Kooperationen ausweiten.“

Hintergrund zur STammzellforschung:
Stammzellpatente werden immer wieder kritisch diskutiert. Im Jahr 2006 hat das Bundespatentgericht in München ein Patent des Stammzellforschers Oliver Brüstle teilweise für nichtig erklärt: hier klicken

Von der Maus zum Mensch noch ein weiter Weg

Brüstles Forschungsprojekt ist auf drei Jahre angelegt. Er hofft, entscheidende Schritte der präklinischen Forschungsstufe zu absolvieren. Die Bonner können dabei mit ihrer Kompetenz bei der Gewinnung von neuralen Zellen aus iPS-Zellen punkten und sind für die Kalifornier daher ein guter Kooperationspartner bei der Canavan-Krankheit. Von der Maus zum Menschen sei es jedoch noch ein großer Schritt – schlichtweg auch, was die Größe des Nervensystems anbelangt, warnt Brüstle. „Gliazellen wandern im Körper sehr stark, aber es ist ein Unterschied, ob sie sich in einer wenige Zentimeter großen Maus verteilen müssen, oder in einem menschlichen Gehirn.“ Es gebe jedoch bereits erfolgversprechende Versuche mit Mehrfachtransplantationen. Brüstle: „Das stimmt uns optimistisch.“

© biotechnologie.de/ck 

 

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