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Urteil: Honig mit gv-Pollen braucht Zulassung

Ist Honig mit Material aus nicht zugelassenen gentechnisch modifizierten Pflanzen versetzt, so darf er nicht ohne weiteres als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Ist Honig mit Material aus nicht zugelassenen gentechnisch modifizierten Pflanzen versetzt, so darf er nicht ohne weiteres als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden. Quelle: Robert Eichinger/pixelio.de

07.09.2011  - 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 7. September bestimmt, dass Honig nicht verkauft werden darf, wenn er Spuren von gentechnisch veränderten (gv-) Pflanzen enthält, die nicht zur Lebensmittelproduktion zugelassen sind. Das Luxemburger Gericht hat damit einen Streit zwischen dem Freistaat Bayern und einem Augsburger Imker entschieden. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen haben.

Der Beginn der Auseinandersetzung reicht bis in den Sommer 2005 zurück. Damals hatte der Augsburger Hobby-Imker Karl Heinz Bablock seine Bienenstöcke an einem ganz bestimmten Ort in Schwaben aufgestellt. Nur 500 Meter von einem Feld entfernt, auf dem der Freistaat Bayern gv-Pflanzen testen ließ, sollten seine Bienen Pollen und Nektar sammeln und Honig produzieren. Zu Forschungszwecken wurde dort die Maissorte Mon810 des US-Agrarkonzerns Monsanto angebaut. Diese Pflanze enthält einen DNA-Abschnitt aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt), auf dem der Bauplan für ein Protein liegt, das für den Pflanzenschädling Maiszünsler giftig ist. Monsanto wirbt damit, dass Mon810 gegen den Maiszünsler resistent ist.

Hintergrund

Mehr über den bisherigen Zulassungsprozess für gv-Pflanzen in Europa im Dossier: Die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen

 

Der Imker hatte seinen Standortes indes nicht zufällig in der Nähe des Maisfeldes gewählt, gab der Bayer im Gespräch mit dem Deutschlandfunk zu. „Vorher wurde mir erklärt, Bienen gehen nicht auf Mais. Ich kann ganz sorgenfrei sein“, so Bablock. Als er Honig und Pollen später jedoch zur Analyse gab, fanden die Wissenschaftler Erbgut der gv-Pflanze. Mehr als vier Prozent des Pollens hatten die Bienen vom Mon810-Mais gesammelt, ergab die Laboranalyse. Auch im Honig seien noch immer Spuren des gv-Pollens zu finden gewesen. Das Problem: Erst Ende 2005 hatte das Bundessortenamt das Gewächs zugelassen, im Sommer jedoch handelte es sich noch um ein nicht zugelassene gv-Pflanze (mehr…). Mehrere Jahre lang handelte es sich bei Mon810 um die einzige in Europa zugelassene gv-Pflanze, im Jahr 2009 wurde der Anbau dann durch das Bundeslandwirtschaftministerium verboten (mehr…).

 

Bei ihrer Suche nach Pollen und Nektar unterscheiden Bienen nicht zwischen konventionellen und modifizierten Pflanzen.Lightbox-Link
Bei ihrer Suche nach Pollen und Nektar unterscheiden Bienen nicht zwischen konventionellen und modifizierten Pflanzen.Quelle: Martin Ostheimer/pixelio.de

Verstoß wäre strafbar

Weil sich DNA-Spuren des zu dem Zeitpunkt nicht zugelassenen Mon810 im Honig und im Pollen des Augsburger Züchters fanden, ließ dieser ihn in der Augsburger Müllverbrennungsanlage entsorgen. Den entstandenen Schaden – rund 10.000 Euro – sollte nach dem Willen des Imkers der Freistaat Bayern erstatten. Der weigerte sich, die Sache landete vor Gericht. Nach mehreren Instanzen befasste sich der bayerische Verwaltungsgerichtshof mit dem Fall. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Vorgangs fragte das Gericht schließlich den EuGH, wie die EU-Normen auf diesen Fall anzuwenden seien.

Mit dem nun veröffentlichten Urteil stellen sich die europäischen Richter auf die Seite des Imkers – und verwerfen damit die bisher herrschende Rechtsauffassung. Für Honig bestand aus Sicht der EU-Komission bisher keine Zulassungspflicht, da die Pollen lediglich unabsichtlich und in geringsten Mengen in das Produkt gelangen. Dieser Argumentation hat der EuGH nun widersprochen. Selbst wenn der gv-Pollen nur zufällig in den Honig gelange, handele es sich doch um eine „Zutat“, stellten die Richter fest. Daher gelte der Honig als Lebensmittel, das aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurde.

Für derartige Lebensmittel gibt es in der Europäischen Union ein komplexes Regelwerk. Gv-Pflanzen dürfen nur nach einem strengen Zulassungsverfahren für die Lebensmittelproduktion verwendet werden (mehr...). "Ein Verstoß dagegen ist nach deutschem Recht sogar strafbar", sagte Bablocks Rechtsanwalt Achim Willand.

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Folgen noch nicht klar

Nach Expertenmeinung werden die Folgen des Urteils weitreichend sein - allerdings ist noch unklar, wen genau sie betreffen werden. Einerseits gibt es derzeit nur eine gv-Pflanze, die für den kommerziellen Anbau in Deutschland zugelassen ist: die Stärkekartoffel Amflora des Ludwigshafener Konzerns BASF.In diesem Jahr sind allerdings nur zwei Hektar in Sachsen-Anhalt mit der Kartoffel bepflanzt worden. In anderen Ländern sieht dies jedoch anders aus. So wird der größte Teil des in Deutschland verzehrten Honigs – rund 80 Prozent – aus anderen Staaten importiert, vor allem aus Nord- und Südamerika. Dort ist der Anbau von gv-Pflanzen aber sehr viel weiter verbreitet, wie jüngste Statistiken zeigen (mehr…). Der Honig-Verband, der die wichtigsten deutschsprachigen Importeure und Abfüller vertritt, zeigte sich zunächst jedoch unbesorgt und erklärte, dass die Produkte seiner Mitglieder weiterhin verkehrsfähig seien. Auch eine Kennzeichnung der Honigsorten sei nicht notwendig. Sie ist nach EU-Recht immer dann vorgeschrieben, wenn der Anteil aus gv-Pflanzen 0,9 Prozent überschreitet. Der Honig-Verband erklärte nun, dass die meisten gv-Spuren im Honig von in Europa als Lebensmittel zugelassenen Pflanzen stammten. Somit sei auch der betroffene Honig automatisch zugelassen: "Eine Kennzeichnungspflicht scheidet für diesen Honig aus, weil der Schwellenwert von 0,9 Prozent Pollen aus genveränderten Pflanzen nicht überschritten wird.“ Darüber hinaus enthält Honig nur 0,5 Prozent Pollen. Aus der Sicht von  Anwalt Achim Willand könne der Schwellenwert dadurch gar nicht überschritten werden. Allerdings gibt es unter Juristen auch andere Sichtweisen. Manche argumentieren, dass zwar bestimmte Erzeugnisse aus gv-Soja und -Raps als Lebensmittel zugelassen seien, nicht aber die Pollen der Pflanzen.

Ganz anders wiederum verhält es sich mit Honig, der mit Spuren nicht zugelassener gv-Pflanzen verunreinigt ist. Dieser - das hat das Urteil nun offiziell bestätigt - darf nicht verkauft werden. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium schätzt, dass etwa „30 Prozent der in Europa erzeugten Honige und nahezu alle aus Drittländern eingeführten Honige aufgrund fehlender Zulassung nicht mehr verkehrsfähig“ seien.

Urteil bringt Pflanzenforscher in Bedrängnis

Das aktuelle EU-Urteil bringt auch Forscher in Bedrängnis, die gv-Pflanzen zu Forschungszwecken im Freiland ausbringen wollen. Hier werden in der Regel Pflanzen getestet, die noch keine Zulassung haben und deren Auswirkungen auf die Umwelt getestet werden sollen. Für 2011 vermeldet das Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Freilandversuche auf einer Fläche von 5 Hektar, vor allem gv-Mais und gv-Zuckerrüben werden untersucht. Sollten in diesen Fällen künftig Klagen von Imkern drohen, so ließen sich solche Versuche kaum noch durchführen, heißt es in Expertenkreisen. Denn das Haftungsrisiko trägt der Anbauer.

Für die Imker auf der anderen Seite bedeutet das Urteil, dass sie ihren Honig testen lassen müssen. Nach Ansicht von Willand werden viele jedoch darauf verzichten. "Gibt es jedoch Hinweise, dass im aktuellen Jahr oder im Vorjahr im Abstand von vier bis fünf Kilometern zu den Bienenstöcken gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, oder geht dies aus dem Standortregister hervor, bleibt dem Imker meiner Meinung nach gar nichts anderes übrig, als diese Tests zu machen", meint der Anwalt gegenüber argarheute.com. Bienen fliegen bis zu fünf Kilometer weit. Die Tests seien aber nicht billig. Ist der Honig verunreinigt, wird der Imker klagen, so Willand.

Auf politischer Seite wird nach dem Urteil vor allem auf einen weiteren Klärungsbedarf hingewiesen. „Erst wenn die EU-Kommission über das weitere Vorgehen entschieden hat, wird sich zeigen, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung letztlich auf den nationalen und internationalen Honigmarkt haben kann“, heißt es aus dem Bundelandwirtschaftsministerium. Ministerin Ilse Aigner hat jedoch angekündigt, sich mit den für Lebensmittelkontrollen zuständigen Bundesländern und der EU-Kommission beraten zu wollen, damit die Vorgaben aus dem Urteil schnell umgesetzt werden können. Ziel sei es, eine EU-weit einheitliche Regelung zu finden.

© biotechnologie.de/bk+sw

 

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