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Naturstoffe aus maßgeschneiderten Mikroben

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Mit biotechnischen Methoden lassen sich Mikroben wie nach dem Baukastenprinzip maßschneidern, um bestimmte Naturstoffe zu synthetisieren. Quelle: www.lernspiele.org/pixelio.de

31.08.2011  - 

Noch immer basieren viele Arzneien auf Naturstoffen. Solch komplexe Wirkstoffe lassen sich jedoch nur sehr schwer chemisch herstellen. Stattdessen werden Mikroorganismen genutzt, um die Ausgangsstoffe zu produzieren. Für die spätere Anwendung müssen die Wirkstoffe oft in teuren chemischen Reaktionen noch strukturell optimiert werden. In einem Verbundprojekt wollen Forscher in Saarbrücken, Freiburg und Osnabrück nun die Produktion solcher Wirkstoffe mit Methoden des Metabolic Engineering verbessern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Arbeiten im Rahmen der Förderinitiative „KMU-innovativ“ mit rund 1,5 Millionen Euro.

 

In dem gemeinsamen Projekt wollen die Molekularbiologen Mikroorganismen genetisch umprogrammieren, um sie für die Wirkstoffproduktion zu optimieren. Neben Forschern um Rolf Müller am Institut für Pharmazeutische Biotechnologie an der Universität des Saarlandes ist die Firma ChemBiotech aus Osnabrück an dem Projekt beteiligt. Eine wichtige Aufgabe übernimmt auch die ATG:biosynthetics GmbH aus Merzhausen bei Freiburg. Das Unternehmen von Hubert Bernauer ist auf das Design der Stoffwechselwege spezialisiert. „Wir entwickeln modular aufgebaute Stoffwechselwege, die später in unterschiedliche Zelltypen eingebaut werden können“, beschreibt der Biochemiker die Aufgabe von ATG. Mithilfe des Metabolic Engineering soll die Produktion komplexer Moleküle optimiert werden. Dadurch lassen sich in den Mikroben auch Moleküle in neuen Strukturvarianten herstellen, die sich bisher nicht gewinnen ließen.

Dabei werden die artifiziellen Biosynthesewege zunächst in einzelne Bausteine untergliedert, die später mittels molekularbiologischer Methoden verknüpft werden. Damit geht es beim Metabolic Engineering ähnlich zu wie in einem Kinderzimmer. Hier wie dort werden einzelne Bausteine miteinander kombiniert, um etwas ganz Neues zu schaffen. Wenn sich Biotechnologen dabei anschicken, ihre „Bauklötzchen“, die Gene, neu zu kombinieren, entstehen maßgeschneiderte Systeme zur Produktion neuer oder verbesserter Inhaltsstoffe. Für die Biotechnologen bringt das Arbeiten mit einzelnen Komponenten einen besonderen Vorteil mit sich. Das Baukastenprinzip erleichtert ihnen spätere Modifikationen, wie beispielsweise den Austausch einzelner Bausteine gegen veränderte Versionen.

KMU-innovativ

Im Jahr 2007 erweiterte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die erfolgreichen Förderinitiativen BioChance und BioChancePlus. Unter dem Titel "KMU-innovativ" werden nun kleine und mittlere Unternehmen unterstützt, die besonders aufwendige Forschungen betreiben. Für KMU-innovativ in der Biotechnologie stehen für jede der halbjährlichen Auswahlrunden etwa 15 Millionen Euro Fördermittel bereit.

Mehr Informationen zur Förderinitiative auf biotechnologie.de: hier klicken

Broschüre KMU-innovativ als pdf und Printausgabe bei uns im Bestellservice: hier klicken

Umgekehrte Bionik

„Das, was wir machen, ist im Grunde eine umgekehrte Bionik“, erklärt ATG:biosynthetics-Chef Hubert Bernauer. „Wir nehmen nicht etwas, was es in der Natur schon gibt, wie etwa den Lotuseffekt, und übertragen die Prinzipien in die Technik. Stattdessen übertragen wir Prinzipien aus dem Ingenieurwesen, zum Beispiel die Standardisierung, auf die Natur.“ Indem einzelne Bausteine gezielt herausgegriffen und verändert werden, entstehe etwas ganz Neues. „Das macht die Natur auf der molekularen Ebene ihrer fast unendlich großen Spielwiese für „neue Lebensformen“ täglich und ungerichtet. "Wir sind nur etwas gerichteter und erzeugen Zielvorstellungen“, betont Bernauer.

Das Ziel der im Rahmen der BMBF-Förderinitiative „KMU-innovativ“ mit 1,5 Millionen Euro unterstützten Arbeiten: Unterschiedliche Wirtszellen sollen in die Lage versetzt werden, komplexe Polyketide zu produzieren. Zu dieser Stoffgruppe gehören wichtige Antibiotika wie die Tetracycline oder das Erythromycin. Diese Moleküle sind so kompliziert aufgebaut, dass eine rein chemische Synthese oft kaum effizient oder gar nicht möglich ist. Die Substanzen werden daher meist in großen Edelstahltanks mikrobiell hergestellt. Das ist aber nach Erfahrung vieler Experten keineswegs einfach: Einige Wirkstoff-Produzenten sind recht schwierig handzuhaben, produzieren schlecht, wachsen langsam oder sind im Extremfall gar nicht kultivierbar Daher wird im aktuellen Projekt versucht, die für die Naturstoff-Biosynthese notwendigen Gene in besser handhabbare Mikroorganismen zu übertragen und die fremden Gene dort zu aktivieren. Indem die Wirkstoffe in einfacher nutzbaren Mikroorganismen hergestellt werden, soll ihre Produktion effizienter und kostengünstiger gestaltet werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es aber die Hilfe des Metabolic Engineering. Denn der Stoffwechselweg, der zur Produktion der Wirkstoffe führt, muss optimal auf den Wirtsstamm angepasst werden. Gleichzeitig soll er aber auch später noch einfach verändert werden können, um künftig auch neue Strukturvarianten der Wirkstoffe herstellen zu können. „Wir wollen dies am Beispiel des Polyketides Epothilon demonstrieren, welches in den USA bereits als Krebsmedikament zugelassen ist“, sagen die Forscher aus Saarbrücken. Damit das Projekt gelingt, sind noch einige Hürden zu meistern: der Biosyntheseweg muss von Grund auf neu entworfen und totalsynthetisch hergestellt werden. Anschließend werden die Gene in verschiedene Arten von Mikroorganismen eingebaut, um einen Stamm zu finden, der die Herstellung der Epothilone besonders effizient und kostengünstig bewerkstelligen kann.

Die Polyketide könnten sich nach Ansicht der Forscher besonders gut für diesen Ansatz eignen. Da Polyketide wie das Epothilon von modularen Enzymkomplexen nach einem „standardisierten“ Biosyntheseprinzip synthetisiert werden, hoffen die Forscher, durch Modifikation einzelner Biosynthesemodule Strukturvarianten generieren zu können. Indem einzelne Bausteine des Stoffwechselwegs ausgetauscht werden, können also möglicherweise neue Wirkstoffe mit ganz anderen Eigenschaften entstehen. Damit ähnelt das Projekt einem Legospiel auf molekularer Ebene. „Was wir mit der synthetischen Biologie nachahmen, macht die Natur schon seit jeher“, ergänzt Bernauer. „Wir klinken uns lediglich in die natürlichen Stoffkreisläufe ein und stimmen sie neu aufeinander ab.“

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Gene sprechen zwar dieselbe Sprache, aber in unterschiedlichem Dialekt

So einfach, wie es sich anhört, ist das Zusammenfügen der DNA aus unterschiedlichen Organismen zu etwas Neuem allerdings nicht. Eine erste Hürde stellt die Erbinformation selbst da. Wenn sie aus verschiedenen Organismen stammt, muss sie in ihrem Aufbau erst vereinheitlicht werden. Denn auch wenn die Grundstruktur der DNA in jedem Lebewesen gleich ist, so wird sie doch in allen Organismen ein klein wenig modifiziert. „Die Gene sprechen zwar alle dieselbe Sprache, aber leider in unterschiedlichem Dialekt“, beschreibt Bernauer die Situation. Ist dieses Problem gelöst, so wartet gleich die nächste Herausforderung auf die Wissenschaftler. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass auch der nächste Schritt - das Umschreiben der DNA in RNA - funktionieren kann. Dass aber gelingt nur, wenn die dafür verwendeten unterschiedlichen Bausteine gleichmäßig verbaut werden. Würde bei der Synthese der RNA einer der RNA-Bausteine übermäßig häufig verbraucht, so dass der Vorrat irgendwann erschöpft ist, bräche das ganze System zusammen. Die Erbinformation könnte dann nicht in funktionierende Proteine übersetzt werden. Auch das wie beim Legospiel: Werden beim Burgenbau alle Steine für die Mauer verwendet, kann es keinen Bergfried mehr geben.

Erste Erfolge gibt es bereits. So haben die Forscher inzwischen alle für die Herstellung von Epothilon nötigen Gene miteinander kombiniert und in einen fremden Organismus übertragen. Tatsächlich produzierten die Mikroben anschließend geringe Mengen des Krebswirkstoffs. „Wir wollen das System jetzt noch weiter optimieren“, kündigt Bernauer an. Künftig sollen die Mikroorganismen deutlich mehr Wirkstoff liefern. Das geht auf zwei verschiedenen Wegen. Eine Möglichkeit ist das sogenannte „Upscaling“, also eine Vergrößerung der Produktionsanlagen, so dass gleichzeitig mehr Bakterien gezüchtet werden können. Die andere Option besteht darin, die Ausbeute pro Bakterium zu steigern.

 

Mit Bakterien aus dem Abwasser Strom erzeugen - das zeigt die Folge 79 von biotechnologie.tv. Darüber hinaus berichten wir über das Kurzfilmfestival Bio-Fiction zu dem Thema synthetische Biologie.Quelle: biotechnologie.tv

Gute Produktionsstämme gesucht

Bei der Firma ATG wird daher an einer Optimierung des Stoffwechselweg-Designs gearbeitet. Vieles lässt sich inzwischen mit bioinformatischen Methoden am Computer simulieren, anderes jedoch kann nur mit lebenden Zellen überprüft werden. „Letztlich ist das ein iterativer Prozess“, räumt Bernauer ein. Zusammengesetzt und überprüft werden die genetischen Bauteile schließlich an der Universität des Saarlandes. Hier werden die gentechnisch modifizierten Zellen gezüchtet und genau unter die Lupe genommen. Im Prinzip geht es den Forschern darum, eine optimale Wirtszelle zu finden, die möglichst viele der im Prozess benötigten Stoffe selbst herstellt. Deshalb soll der Epothilon-Biosyntheseweg auf unterschiedliche Mikroorganismen angepasst werden, um so den optimalen Produzenten zu finden. Ein wenig Zeit bleibt den Forschern noch, um genau den richtigen Stoffwechselweg in die optimale Wirtszelle einzufügen. Die Projektförderung des BMBF läuft noch bis Ende Mai 2012. „Schön wäre, wenn wir bis dahin einen guten Produktionsstamm gefunden hätten“, gibt Bernauer das Ziel vor. 

Autor: Bernd Kaltwaßer

 

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