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Marburg: Zukunftsschmiede für maßgeschneiderte Zellfabriken

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Rund 250 Teilnehmer waren in die Alte Aula der Universität Marburg gekommen, um über die Einsatzgebiete der Synthetischen Biologie zu diskutieren. Quelle: SYNMIKRO

06.05.2011  - 

Forscher in der Synthetischen Biologie wollen Zellen genetisch in der Manier von Ingenieuren umrüsten und sie zu Leistungen antreiben, die in der Natur bisher so nicht bekannt sind. Die fraglos wichtigsten Studienobjekte von solchen Bioingenieuren sind Mikroorganismen. Im hessischen Marburg, traditionell eine Hochburg der Mikrobiologen, soll eine Zukunftsschmiede für Bioingenieure entstehen. In dem von der hessischen Landesregierung mit mehr als 20 Millionen Euro geförderten LOEWE-Zentrum „Synthetische Mikrobiologie“ (SYNMIKRO)  arbeiten Forscher der Philipps-Universität und des Max-Planck-Insitut für terrestrische Mikrobiologie eng zusammen. Bei einer Fachtagung am 4. Mai in der Alten Aula der Philipps-Universität sprachen Wissenschaftler des Zentrums sowie Industrieforscher darüber, welche Perspektiven die Synthetische Mikrobiologie für Biotechnologie und Pharmazie eröffnet.



Die beschauliche Universitätsstadt Marburg an der Lahn gilt traditionell als Schwergewicht in der Mikrobenforschung. Mit dem im vergangenen Jahr gestarteten LOEWE-Zentrum „Synthetische Mikrobiologie“ (SYNMIKRO) (mehr...) wollen nun das Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie und die Philipps-Universität diesen Ruf noch weiter mehren: Ziel ist es, die Expertisen zu bündeln und zu einem bundesweiten Vorreiter in dem gerade sehr dynamischen Gebiet der „Synthetischen Biologie“ zu werden. Zukunft trifft auf Tradition, mit diesem Hintergedanken hatten die Veranstalter der Fachtagung „Synthetische Mikrobiologie-Perspektiven für Biotechnologie und Pharmazie“ in die ehrwürdige Alte Aula in der Marburger Altstadt geladen. Mehr als 250 Teilnehmer waren gekommen.

LOEWE-Zentrum SYNMIKRO

Im SYNMIKRO-Zentrum werden zwei Forschungsziele verfolgt: Zum einen sollen die Stoffwechselvorgänge in der Zelle noch besser verstanden werden, um mit diesem Wissen dann neue biologische Module zu erstellen, die der Zelle neue Funktionen ermöglichen.
zur Website des Zentrums: hier klicken

Neue SYNMIKRO-Professuren besetzt

Die Abkürzung LOEWE steht für das Hessische Exzellenzprogramm, in dessen Rahmen die Landesregierung den Aufbau des Zentrums mit rund 21 Millionen Euro fördert. Anfang 2010 ist SYNMIKRO als Verbund mit 26 Arbeitsgruppen gestartet. „Bisher arbeiten 170 Wissenschaftler für das Zentrum“, sagte der SYNMIKRO-Direktor Bruno Eckhardt in Marburg. In den vergangenen Monaten wurden wichtige Weichen für den Aufbau des Zentrums gestellt. So sei es geglückt, mit der Genetikerin Anke Becker (derzeit noch Universität Freiburg) eine Schlüsselprofessur für das Fach „Vergleichende Genomik“ zu besetzen. Sowohl am MPI wie an der Universität  sollen weitere Professuren und Arbeitsgruppenleiter berufen werden. Noch sind die SYNMIKRO-Forscher auf verschiedene Institute verteilt. Das soll nicht immer so bleiben. Auf den Lahnbergen wird ein Mehrzweckgebäude für die neu eingerichteten Professuren umgebaut, und auch das Max-Planck-Institut erhält für die neue Abteilung „Synthetische Zellen“ einen eigenen Modulbau. Mittelfristig ist geplant, sämtliche SYNMIKRO-Arbeitsgruppen in einem eigenen Gebäude zusammenzuführen.

In der Alten Aula der Universität beleuchteten Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie Entwicklungen aus der synthetischen Mikrobiologie die Biotechnologie und die Arzneientwicklung verändern.  Mehrere Redner betonten, das Maßschneidern von  zellulären Fabriken sei eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu einer biobasierten Wirtschaft (Bioökonomie), die auf nachwachsende Ressourcen statt auf Erdöl setzt.

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Satz aus sieben Enzymen eingefügt

Die Konstruktion neuer Stoffwechselwege in Bakterien und Pilzen ist eine wichtige Säule des noch recht jungen Gebiets der Synthetischen Biologie. Oskar Zelder, bei BASF als Vice-President verantwortlich für die Forschung  Fermentationsprodukte, stellte vor, wie der Ludwigshafener Chemiekonzern bereits erfolgreich neue Stoffwechselpfade in Mikroben eingeschleust hat. Ein Beispiel ist der Pilz Ashbya gossypii, den die Molekularingenieure mit einem Satz sieben neuer Enzyme ausgestattet haben. Durch diese Aufrüstung eignet sich die Mikrobe nun für die Herstellung von Vitamin B2. In einem anderen Projekt haben die Forscher das Bakterium Corynebacterium glutamicum gentechnisch aufgebohrt, sodass es nun sogenannte Diaminopentane herstellen können. Kombiniert mit Rizinusöl kann aus diesen chemischen Bausteinen der Kunststoff Polyamid hergestellt werden. „Synthetische Biologie kann die Entwicklung von Produktionsstämmen stark beschleunigen“, sagte Zelder. Er bremste aber auch übertriebene Erwartungen an die Disziplin: „Sie wird keine komplette Revolution in der Chemie auslösen.“

Vier Millionen Basenpaare im Monat

Das Baumaterial für die molekularen Bastelarbeiten der Forscher liefern Gensynthese-Firmen wie Geneart aus Regensburg. Seit Anfang dieses Jahres ist  der DNA-Fabrikant volle Tochter des Konzernriesen Life Technologies (mehr...). Vorstandschef und Geneart-Gründer Ralf Wagner erläuterte, wie der Gensynthese-Spezialist seine führende Marktposition weiter ausbauen will. Derzeit stellen die Regensburger DNA-Sequenzen zu einem Preis von  0,35 Euro pro Basenpaar her. Mehr als vier Millionen Basenpaare lässt Geneart pro Monat von seinen Synthesemaschinen produzieren und sendet sie an seine Kunden. Das sei zusammengenommen etwa einmal das komplette Erbgut des Bakteriums E.coli, so Wagner. "Da wir in neue Laborflächen und Ausstattung investiert haben, ist hier noch viel Luft nach oben." Im Visier haben die Regensburger eine Syntheseleistung von zehn Millionen Basenpaaren pro Monat.

Spinnenseide aus Kieselalgen

Der Marburger Mikrobiologe Uwe Maier setzt nicht auf Bakterien oder Pilze als Minifabriken, sondern auf Kieselalgen. Derzeit tüftelt Maiers Team daran, das Protein der Spinnenseide in der Diatomeen-Art Phaeodactylum tricornutum synthetisieren zu lassen. Erste Experimente dazu verliefen vielversprechend, so Maier. „Jetzt wollen wir nachweisen, dass die Algenzellen auch tatsächlich Filamente herstellen können, wie es für die Spinnenseide typisch ist.“ Desweiteren können die gentechnisch veränderten Kieselalgen auch monoklonale Antikörper herstellen oder das Biopolymer Polyhydroxybuttersäure (PHB) herstellen, berichtete Maier. Insgesamt wurde bei der Fachtagung in Marburg deutlich, dass die Synthetische Mikrobiologie nur dann ihre ehrgeizigen Ziele erreichen kann, wenn  Grundlagenforscher die relevanten molekularen Komponenten und Prozesse in Bakterienzellen aufklären und handhabbar machen. Für die SYNMIKRO-Zukunftschmiede in Marburg hat die Arbeit erst begonnen. 

 

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