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PID: Debatte um Erbgutcheck bei Embryonen

Der Präimplantationsdiagnostik geht immer eine künstliche Befruchtung im Labor voraus. Per Mikroinjektion wird eine Eizelle mit genau einem Spermium befruchtet.  <ic:message key='Bild vergrößern' />
Der Präimplantationsdiagnostik geht immer eine künstliche Befruchtung im Labor voraus. Per Mikroinjektion wird eine Eizelle mit genau einem Spermium befruchtet. Ein Embryo entsteht. Nach wenigen Tagen hat sich ein winziger Zellklumpen gebildet, der sich genetisch untersuchen lässt. Quelle: biotechnologie.tv

Kaum ein bioethisches Thema hat die Politik in den vergangenen Monaten so beschäftigt wie die Präimplantationsdiagnostik (PID). Der Erbguttest und die darauffolgende Auswahl von Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung entstanden sind, sind ethisch umstritten. Nach einem Jahr der Debatte hat der Bundestag am 7. Juli 2011 mehrheitlich für ein Gesetz gestimmt, das die PID in engen Grenzen zulässt. Das Dossier stellt vor, wie die PID funktioniert und welche ethischen und politischen Argumente die Debatte bestimmt haben.

Wie funktioniert die PID?


Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein Verfahren, mit dem das Erbgut von durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryonen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter untersucht werden kann.

Die PID kommt als Diagnose-Verfahren dann in Frage, wenn die Eltern Träger einer genetischen Veränderung sind, die bei ihren Kindern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Krankheit führen würde. Dabei kann es sich um eine Krankheit auf Genebene (monogenetische Krankheit) oder eine erbliche Chromosomenstörung handeln, die sich klar einer Ursache zuordnen lässt. Krankheiten, denen Störungen in mehreren Genen zugrunde liegen, können mit der PID nicht erkannt werden.

Um eine PID durchzuführen, muss zuvor eine Analyse der genetischen Veranlagung der Eltern stattfinden – nur so wissen die Ärzte, wonach sie suchen sollen. Diese Vorbereitungsphase ist sehr aufwendig, weil für jedes Elternpaar ein passender Gentest entwickelt werden muss – je nachdem, welche genetische Erkrankung vorliegt. So gibt es tausende unterschiedliche monogenetische Erkrankungen, die meisten davon sind sehr selten.

Wurde anhand der Eltern ein maßgeschneiderter Gentest für den Embryo entwickelt, müssen sich die Eltern der Prozedur einer künstlichen Befruchtung unterziehen. Hierfür wird der Frau eine Eizelle entnommen und dem Mann Spermien. Für die PID dann einem  wenige Tage alten Embryo in der Petrischale mindestens eine Zelle entnommen (Biopsie). Dafür kommen verschiedene Zeitpunkte in der Embryo-Entwicklung in Frage:

Etwa vier Tage nach der künstlichen Befruchtung besteht der Embryo aus acht Zellen. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Erbgut-Analyse möglich - hierfür werden zwei Zellen entnommen.Lightbox-Link
Etwa vier Tage nach der künstlichen Befruchtung besteht der Embryo aus acht Zellen. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Erbgut-Analyse möglich - hierfür werden zwei Zellen entnommen.Quelle: biotechnologie.tv

Blastomerbiopsie: Ab dem 4. Tag nach der in vitro-Befruchtung ist das 8-Zell-Stadium erreicht. Zu diesem Zeitpunkt sind die einzelnen Zellen pluripotent. Genau jetzt lässt sich mit einer feinen Pipette eine Zelle absaugen, ohne dass die weiteren Zellen bzw. der Embryo beschädigt werden. Im Ausland werden Blastomeren sogar noch vor dem 4. Tag nach der Befruchtung gewonnen, in diesem Stadium sind die Zellen noch totipotent. Solche frühen PID-Eingriffe sind in Deutschland nach aktueller Rechtslage nicht mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar und damit verboten. Eine PID ab dem 4. Tag nach der Befruchtung ist in Deutschland erlaubt.

 

Blastozystenbiopsie: Ab dem 5./6. Tag wird der Embryo Blastozyste genannt und besteht aus einer äußeren Zellgruppe (Ernährungszellen oder  Trophoblast) und einer inneren Zellmasse. Einige der äußeren Trophoblastenzellen können relativ problemlos entnommen werden und mittels genetischer Analysen untersucht werden.

Bis zum sechsten Tag nach der Befruchtung ist eine Entnahme von Zellen möglich. Eine befruchtete Eizelle in diesem Entwicklungstadium wird Blastozyste genannt.Lightbox-Link
Bis zum sechsten Tag nach der Befruchtung ist eine Entnahme von Zellen möglich. Eine befruchtete Eizelle in diesem Entwicklungstadium wird Blastozyste genannt.Quelle: biotechnologie.tv

Die entnommene Zelle wird auf besondere genetische Merkmale untersucht, die über die Eltern an das Kind weitergegeben werden (Genetische Diagnostik). Dazu wird zunächst aus den winzigen Zellen die DNA gewonnen, in der die Erbinformation gespeichert ist. Nun kommen molekularbiologische Methoden zum Einsatz, die schon seit vielen Jahren für Genalanysen etabliert sind.

Zwei molekulare Analyse-Techniken dominieren

Die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) ist für die Feinanalyse von bestimmten Erbgutabschnitten die Methode der Wahl. Hiermit lassen sich Veränderungen in der Abfolge der DNA-Bausteine aufspüren, die zu einer mitunter folgenschweren Erkrankung führen können. Bislang sind etwa 3.500 Erkrankungen bekannt, die auf Mutationen in einem bestimmten Gen zurückzuführen sind (monogenetische Krankheiten). Dazu zählen Krankheiten wie die Muskeldystrophie Duchenne, die Autoimmunkrankheit Chorea Huntington oder die Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose.

Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) hingegen ist eine Technik, mit der sich die Struktur und Anzahl der menschlichen Chromosomen - den 46 bei der Zellteilung entstehenden Erbgutpaketen - überprüfen lässt. Hierbei werden bestimmte Positionen auf den Chromosomen mit Farbstoffmolekülen zum Leuchten gebraucht. Auffälligkeiten in der Chromosomenverteilung wie Trisomien (Bsp. Down-Syndrom) oder Monosomien (Turner-Syndrom) lassen sie damit erkennen.

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, was sich hinter dem Begriff FISH verbirgt.Quelle: biotechnologie.tv

Mithilfe dieser beiden Methoden – die anhand der genetischen Veranlagung der Eltern für jedes Paar angepasst werden müssen – wird schließlich das Erbgut des Embryos untersucht und anschließend nur die gesunden wieder in die Gebärmutter eingesetzt. In Deutschland gilt nach dem Embryonenschutzgesetz die sogenannte „Dreier-Regel“, das bedeutet, innerhalb eines Zyklus einer Frau dürfen nicht mehr als drei Eizellen im Reagenzglas befruchtet werden. Diese stehen dann auch für eine PID zur Verfügung. Eingesetzt werden dann in der Praxis meist bis zu zwei Embryonen, die gemäß der Diagnostik nicht von der krankmachenden Erbanlage betroffen sind.

Abgrenzung zu anderen Diagnosemethoden

Die PID unterscheidet sich von der Polkörperdiagnostik und der Pränataldiagnostik. Beide Verfahren sind in Deutschland zugelassen.

Die Polkörperdiagnostik ist eine sogenannte Präfertilisationsdiagnostik, d.h.  hierbei werden die Polkörper einer Eizelle nach Eindringen des Spermiums, aber vor der Verschmelzung der beiden Zellkerne untersucht. Polkörper sind Zellen, die bei den beiden Reifeteilungen der Eizelle (Meiose) entstehen und später absterben. Sie besitzen also den halben Chomosomensatz der Mutter, geben aber keinen Aufschluss über das Erbmaterial des biologischen Vaters.

Die Polkörperdiagnostik wurde nach dem Verbot der Präimplantationsdiagnostik durch das Embryonenschutzgesetz entwickelt und vorangetrieben, da eine Eizelle vor der Verschmelzung im rechtlichen Sinne noch nicht den Lebensschutz eines Embryos genießt. Sie ist sinnvoll, wenn nur die Mutter erblich belastet ist oder aufgrund ihres Alters die Gefahr einer Trisomie besteht. Anhand der Polkörper kann bereits festgestellt werden, ob einzelne Chromosomen ein Krankheitsgen tragen oder ob es zu einer Fehlverteilung der Chromosomen gekommen ist. Gleichzeitig wird die Eizelle durch die Diagnose nicht beschädigt, nach der Diagnose ist eine Schwangerschaft weiterhin möglich. Der Nutzen dieser Untersuchungsmethode ist allerdings umstritten.

 

Die Pränataldiagnostik (PND) umfasst alle Schwangerschaftsuntersuchungen. Unterschieden wird in invasive und nicht-invasive Methoden. Nichtinvasiv ist der Ultraschall, bei dem mit Hilfe einer sonographischen Aufnahme die Entwicklung des Fötus analysiert wird. Gendefekte können damit nicht einwandfrei diagnostiziert werden, dafür aber Verwachsungen, Wachstumsstörungen, die Zahl der Föten und häufig auch ihr Geschlecht. Invasive Untersuchungsmethoden bergen das Risiko einer Fehlgeburt, da sie direkt in die Schwangerschaft eingreifen. Sie sind in der Regel ab der 10. Schwangerschaftswoche möglich und kommen vor allem für Frauen ab 35 Jahre in Frage bzw. bei Paaren, die eine genetische Vorbelastung in der Familie haben. Bei der Amniozentese werden fetale Zellen aus dem Fruchtwasser untersucht (überlicherweise ab der 16./17. Schwangerschaftswoche), während bei der Chorionzottenbiopsie Fetalzellen aus den Zotten der Eihaut analysiert werden (ca. in der 13. Schwangerschaftswoche). Bei der Nabelschnurpunktion werden Zellen aus der Nabelschnur des Embryos entnommen und auf Erbschäden untersucht.

 

Hintergrund

Mehr zur PID-Debatte auf biotechnologie.de

Zum Urteil des Bundesgerichtshofs:
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Zum Votum des Ethikrats:
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Zur Stellungnahme der Wissenschaftsakademien:
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Zur aktuellen politischen Debatte:
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