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Embryonen-Check: Wissenschaftsakademien plädieren für PID

Die Auswahl gesunder Embryonen bei der In-vitro-Fertilisation sorgt für Wirbel. Die Akademien befürworten den Test mit Einschränkungen.  <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Auswahl gesunder Embryonen bei der In-vitro-Fertilisation sorgt für Wirbel. Die Akademien befürworten den Test mit Einschränkungen.

20.01.2011  - 

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) sollte betroffenen Frauen in Deutschland unter Auflagen zugänglich gemacht werden. Das empfiehlt ein 13-köpfiges Expertengremium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). Aus Sicht der Forscher sollte der Gesetzgeber die PID ähnlich regeln wie die Pränataldiagnostik, denn andernfalls würden Widersprüche entstehen. Die Experten wollen damit den Fokus der politischen Debatte weg vom Status des Embryos lenken. Es gehe vielmehr darum, in Einzelfällen die freie Entscheidung einer Frau für ein gesundes Kind zu stärken. Die PID solle die Abtreibung schwer geschädigter Föten verhindern helfen. Die Experten empfehlen, ähnlich wie in Großbritannien eine zentrale Sachverständigen-Kommission einzurichten, die in schwerwiegenden Einzelfällen über die Möglichkeit einer PID befinden soll.

 

Kaum ein Diagnoseverfahren wird derzeit so emotional diskutiert wie die Präimplantationsdiagnostik (PID). Bei dem Verfahren geht es um die frühzeitige Diagnose von Gendefekten, die zu einer schwerwiegenden Erkrankung führen. Im Rahmen einer künstlichen Befruchtung wird einem vier Tage alten Embryo eine Testzelle entnommen. Ärzte können daran einen Gencheck durchführen und den Embryo auf Erbkrankheiten untersuchen, bevor er in den Mutterleib übertragen wird. Eingepflanzt werden nur Embryonen, die das Krankheitsgen nicht aufweisen.  Die PID ist ethisch umstritten, weil mehr Embryonen gezeugt werden müssen, als dann in die Gebärmutter der Frau gelangen. Die übrigen Embryonen werden „verworfen“, wie es in der Fachsprache heißt. In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie durch die PID Krankheiten bei Embryos entdeckt werden können.Quelle: biotechnologie.tvDurch medizinische Fortschritte ist die PID so gravierend verbessert worden, dass die Methode nicht gegen das strikte Embryonenschutzgesetz von 1990 verstößt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat deshalb im Juli 2010 das bisherige PID-Verbot aufgehoben (mehr...). Nun ist der Gesetzgeber gefragt, eine eigene Regelung im Umgang mit der PID zu finden. Seit Monaten tobt bereits ein parteiübergreifender Streit darüber, ob die PID zugelassen oder verboten werden soll. In der Debatte formieren sich derzeit verschiedene Interessengruppen.

Kontrollierte Zulassung im Einzelfall

Die Befürworter des Embryo-Genchecks erfahren nun Unterstützung seitens der Wissenschaft: 13 renommierte Forscher, darunter die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard sowie Humangenetiker, Medizinrechtler und Reproduktionsmediziner haben im Auftrag der drei Wissenschaftsakademien Leopoldina, Acatech und BBAW eine Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgearbeitet. In dem Papier, das am 18. Januar in Berlin vorgestellt wurde, sprechen sich die Forscher einstimmig für eine kontrollierte Zulassung des Verfahrens aus. Nach ihrer Auffassung könnten durch die PID spätere Schwangerschaftsabbrüche von Embryonen, die durch erhebliche Krankheiten schwer geschädigt sind, vermieden werden. Die Forscher haben versucht, einen neuen Dreh in die Debatte zu bringen: Nicht den Status des Embryos, sondern die Wahlmöglichkeit der Frau haben die Wissenschaftler bei ihrer Betrachtung in den Mittelpunkt gerückt. „Es geht darum, eine Gewissensentscheidung der Frau zu ermöglichen“, sagte der Leiter der Arbeitsgruppe, der Tübinger Mediziner Hans-Peter Zenner. Auch der Medizinrechtler Rüdiger Wolfrum betonte: „Unsere Studie will die freie Entscheidung der Frau auf ein gesundes Kind stärken“. Das Gremium  sehe  daher "keine Notwendigkeit des Staates, diese Gewissensentscheidung durch ein Gesetz zu verbieten".

Akademien zur PID

Die Ad-hoc-Stellungnahme der wissenschaftlichen Akademien wurde von einem 13-köpfigen Expertengremium ausgearbeitet.
Die Stellungnahme:  pdf-Download

Widerspruchsfreiheit gefordert

Eine weiteres Argument, das die Forscher ins Feld führen, ist das der „Widerspruchsfreiheit“ im Umgang mit der PID im Vergleich zur Pränataldiagnostik.  Denn die Realität zeige, dass der Schutz des Embryos, den die PID-Gegner einforderten, in der Lebenspraxis nicht immer umgesetzt werde. „Ein Beispiel sind etwa Verhütungsmittel wie die Spirale oder die Pille danach“, sagte Zenner. Bei der Pränataldiagnostik, etwa durch eine Fruchtwasseruntersuchung ist ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer medizinischer Indikation erlaubt, wenn ein Gencheck auf eine schwere Schädigung des Embryos hindeutet. „Eine solche für Frauen oft belastende Schwangerschaft auf Probe kann durch eine Zulassung der PID vermieden werden“, sagte Zenner. Um die verworrene juristische Gemengelage generell zu glätten, schlägt das Expertengremium dem Gesetzgeber vor, Regelungen zum Embryonenschutz und Gendiagnostik in einem eigenen Fortpflanzungsmedizin-Gesetz zu fassen.

Zentrale Kommission nach britischem Vorbild vorgeschlagen

Eine Zulassung der PID sollten nach Ansicht der Wissenschaftler jedoch nur unter begrenzten Voraussetzungen geschehen. Das Verfahren sollte nur bei Paaren durchgeführt werden, für die medizinisch tatsächlich ein hohes Risiko besteht, dass ihre Kinder an einer unheilbaren und monogenetisch bedingten schweren Krankheit leiden werden, wie etwa an der schweren Muskelschwäche Duchenne oder beim Fragile X-Syndrom.  Der Lübecker Reproduktionsmediziner Klaus Diedrich sagte, auch schwerwiegende Fälle von erblichem Brustkrebs kämen mitunter als mögliche Indikation für eine PID in  Betracht. Hans-Peter Zenner wies jedoch darauf hin, erblicher Brustkrebs sei ein schwieriges Beispiel. "Uns ist wichtig: Es soll keine Liste von Krankheiten abgearbeitet werden. Sondern es soll im Einzelfall entschieden werden."

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Die Forscher empfehlen, eine zentrale Sachverständigen-Stelle einzurichten, die Richtlinien zur PID erlässt und jeden Einzelfall auf einen begründeten Antrag hin befürwortet oder ablehnt. Als Vorbild für eine solche Sachverständigen-Kommission  gilt den Forschern eine Regulierungsbehörde, die bereits seit über 20 Jahren in Großbritannien arbeitet (HFEA). Die Forscher schätzen, dass unter diesen Voraussetzungen hierzulande einige hundert PID jährlich vorgenommen würden. Die Untersuchung selbst dürfe nur in wenigen Einrichtungen und nach umfassender Beratung der Eltern durchgeführt werden. Der von PID-Gegnern befürchtete Dammbruch hin zu sogenannten Designer-Babys sei indes nicht zu erwarten, betonten die Experten.  

Mit ihrer einstimmig beschlossenen Empfehlung geht das Akademien-Gremium damit deutlich über die Vorschläge hinaus, die drei fraktionsübergreifende Gruppen von Bundestagsabgeordneten bislang für eine gesetzliche Regelung vorgestellt haben. Keine von ihnen hat sich bisher für die Zulassung der PID eingesetzt. Voraussichtlich noch vor der Sommerpause will der Bundestag über die PID abstimmen.

 

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