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Photosynthese-Forschung: Das künstliche Blatt als Spritquelle

Blätter sind die Photosynthese-Organe der Pflanzen. Zu gern würden Forscher die Prozesse der Photosynthese technisch nachbauen, um nachhaltige Energieträger zu gewinnen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Blätter sind die Photosynthese-Organe der Pflanzen. Zu gern würden Forscher die Prozesse der Photosynthese technisch nachbauen, um nachhaltige Energieträger zu gewinnen. Quelle: John Sullivan/Wikimedia commons

28.07.2011  - 

Mit der Photosynthese haben Pflanzen innerhalb von zweieinhalb Milliarden Jahren den mit Abstand wichtigsten Stoffwechselprozess auf der Erde entwickelt. Er ermöglicht es, die schier unerschöpfliche Energie des Sonnenlichts einzufangen und sie in Form von energiereichen chemischen Verbindungen (Zucker) zu speichern. Schon lange ist es ein Forschertraum, die Photosynthese technisch nachzuahmen und sie sogar noch leistungsfähiger zu machen. Dank zahlreicher wissenschaftlicher Fortschritte in den letzten Jahren, aber auch aufgrund der Abkehr von fossilen Brennstoffen, rückt die künstliche Photosynthese immer stärker in den Blickpunkt von Forschern. Weltweit tüfteln Chemiker und Bioingenieure am „Künstlichen Blatt“, das direkt aus Sonnenlicht Treibstoffe wie etwa Wasserstoff herstellen soll. Bei einer Tagung in Berlin berichteten Forscher, wie weit sie auf dem Weg zu einer künstlichen Photosynthese-Maschine gekommen sind.

Sonnenstrahlen einfangen und in Form von energiereichen Zuckermolekülen speichern – das ist eine physikalisch-chemische Meisterleistung, die die Natur in den vergangenen Jahrmillionen auf ihre Weise perfekt gelöst hat. Nur zu gerne würden Energieforscher die natürliche Photosynthese technisch nachahmen. Ließe sich aus Sonnenlicht direkt ein Brennstoff herstellen, dann würde das die Energieversorgung revolutionieren. Mittlerweile wird weltweit mit Nachdruck an Systemen der künstlichen Photosynthese geforscht. Um das Thema kreiste auch ein Vortragsblock bei einer Fachkonferenz in Berlin-Dahlem, zu der sich vom 24. bis 28. Juli mehr als 120 internationale Photosynthese-Spezialisten im Harnack-Haus der Max-Planck-Gesellschaft trafen.

Bei der Tagung in Berlin ging es insbesondere um die einzelnen Komponenten der Photosynthese.Lightbox-Link
Im Mittelpunkt der Konferenz standen die Moleküle, die in den Blättern Licht einfangen können. Quelle: biotechnologie.de

Künstliches Blatt sieht nicht aus wie sein Vorbild

Eine Vision, die Forscher wie Alfred Holzwarth vom Max-Planck-Institut für Bioanorganische Chemie in Mülheim an der Ruhr antreibt, ist das Künstliche Blatt. „Es geht um ein System, das in irgendeiner Weise Licht einsammelt und dann direkt eine energiereiche Verbindung herstellt, ohne über eine Zwischenstufe zu gehen, wie das etwa bei Strom aus Solarzellen der Fall ist“, sagt Holzwarth. Klar ist schon jetzt. Ein solches künstliches Blatt im Labor sieht ganz gewiss nicht aus wie die natürlichen Vorbilder, so Holzwarth. „Niemand hat bisher ein solches künstliches Blatt hergestellt.“ Noch sind etliche technische Probleme zu lösen. Doch Teilerfolge gibt es schon. Neben Labors aus den Vereinigten Staaten und Japan ist auch Deutschland gut im Rennen.

Bei der Tagung drehte sich alles um Photorezeptoren von photosynthetischen Organismen.Lightbox-Link
Bei der Tagung drehte sich alles um Photorezeptoren von photosynthetischen Organismen.Quelle: biotechnologie.de

Um die Photosynthese technisch nachzuahmen, interessieren sich Forscher insbesondere für die ersten Reaktionsschritte des komplexen Stoffwechselprozesses. In der sogenannten Lichtreaktion wird in der Pflanze das Sonnenlicht von Molekülkomplexen, den Photosystemen, eingefangen. Die Lichtenergie wird genutzt, um Wassermoleküle zu spalten. Hierbei werden Elektronen, Wasserstoff-Ionen (Protonen) und Sauerstoff freigesetzt. Erst in einem späteren Schritt reagieren die Elektronen und die Protonen in den Blättern mit Kohlendioxid, um energiereiche Zuckerverbindungen aufzubauen.

Lichtgetriebene Treibstofffabriken

Biologen, Chemiker und Ingenieure interessieren sich besonders für die frühen Prozesse, die Lichternte und die Wasserspaltung. Nur zu gerne würden sie diese Reaktionen eng miteinander koppeln und optimieren, um direkt einen speicherbaren Energieträger wie Wasserstoff herzustellen. Drei Ansätze gibt es. „Entweder werden die Komponenten komplett künstlich nachgebaut oder es werden Teile von biologischen Systemen in synthetische Materialien eingebettet“, sagt Wolfgang Gärtner vom MPI für Bioanorganische Chemie. Ein dritter Ansatz sei biotechnologisch ausgerichtet. „Hier geht es darum, Mikroben gentechnisch so zu verändern, dass sie zu effizienten, lichtgetriebenen Treibstofffabriken werden“. 

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Für Alfred Holzwarth hat diese dritte, biotechnologische Lösung das größte Potenzial, schon in den nächsten Jahren brauchbare Ergebnisse zu liefern. Doch auch für die komplette technische Schaffung eines künstlichen Blatts sieht er optimistisch in die Zukunft. „Sehr weit sind wir bereits bei der Herstellung von künstlichen Lichteinfangsystemen.“ So hat Holzwarth mit seiner Arbeitsgruppe eine Reihe von Antennenmolekülen konstruiert, die sich am Blattfarbstoff Chlorophyll orientieren. In Lösungen lagern sich die Kunstmoleküle selbständig zu aktiven Lichtantennen zusammen. Derzeit tüfteln die Mühlheimer Forscher noch daran, ihre Konstrukte robuster zu machen. „Doch hier sind wir nahe bei einer Lösung“, sagt Holzwarth.  Auch der Würzburger Chemiker Frank Würthner stellt mit seinem Team künstliche Sammelantennen her, die sich selbst zu Aggregaten zusammenlagern. „Deutschland ist in der organischen Photovoltaik führend, doch in der Photokatalyseforschung sind nur wenige aktiv“, sagt Würthner.

Fortschritte bei der Suche nach günstigen Katalysatoren

Diese Forschung ist jedoch entscheidend, um auch den nächsten großen Schritt zu machen: Für die Wasserspaltung braucht es sogenannte Katalysatoren, die die Umwandlung der Lichtenergie in chemische Energie in Gang setzen. Doch die Industrie kennt hierfür nur sehr teure und seltene Elemente wie Platin oder Iridium. Für eine nachhaltige Lösung im großen Maßstab kommen sie nicht in Frage. Immerhin: Gleich zwei Forschergruppen aus den USA hätten hier in den letzten Monaten sehr ermutigende Ergebnisse für kostengünstige und brauchbare Katalysatoren vorgestellt, so Holzwarth. Auch hier seien allerdings Fragen wie die Langzeitstabilität noch nicht befriedigend gelöst. Der Traum der Forscher ist ein Photosynthese-Modul nach dem Baukastenprinzip, sagt Holzwarth: „Wir wollen einen Lichteinfall-Chip produzieren, den man dann mit einem Katalyse-Chip kombinieren kann.“ Gerade in Mühlheim sieht der Chemiker einen hervorragenden Standort, um diesen Plan umzusetzen. So wird das Max-Planck-Institut für Bioanorganische Chemie derzeit umgewidmet in ein MPI für chemische Energieforschung. Gemeinsam mit dem ebenfalls in Mühlheim ansässigen MPI für Kohlenforschung sollen die Grundlagen für den Bau eines funktionierenden „Künstlichen Blatts“ gelegt werden.

Autor: Philipp Graf

 

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