Matthias Rögner: Nachhaltige Energie aus Cyanobakterien
15.11.2010 -
Wie kann man die Energieversorgung sichern, wenn natürliche Ressourcen wie Erdöl und Erdgas erschöpft sind? Der Biochemiker Matthias Rögner setzt auf Wasserstoff. Für die Erzeugung des Energieträgers nimmt er die Natur zum Vorbild: „Zunächst müssen wir dazu den Prozess der Photosynthese bis ins Detail verstehen“, sagt der erklärt der Lehrstuhlinhaber für Biochemie der Pflanzen an der Ruhr-Universität in Bochum. „Dann geht es darum, eine genetisch modifizierte Zelle entwickeln, die den Wasserstoff in großer Menge erzeugt." Als Grundlage sollen Cyanobakterien dienen - auch als Blaualgen bekannt. Wenn er sich nicht gerade mit Photosynthese oder regenerativen Energien beschäftigt, dann zieht es den studierten Biologien und Japanologen in das Land der aufgehenden Sonne. Rögners Frau ist Japanerin.
Vor etwa 3,5 Milliarden Jahre begannen primitive Einzeller, Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht in energiereichen Traubenzucker umzuwandeln: Die Photosynthese war geboren. Durch den Prozess der Wasserspaltung entstand Sauerstoff - ein „Abfallprodukt“, das sich in der Atmosphäre anreicherte und damit den Grundstock für komplexeres „Leben“ legte. Die biochemischen Abläufe der Photosynthese sind sehr kompliziert und auf molekularem Niveau bis heute noch nicht vollständig verstanden, obwohl Heerscharen von Forschern sich mit diesem Thema beschäftigen.
Das Rätsel der Photosynthese
Einer der Knackpunkte im Verständnis des wohl bedeutendsten biologischen Prozesses ist das sogenannte Photosystem II. „Hier wissen wir noch nicht, wie die Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoffionen im Detail abläuft,“ sagt der in Karlsruhe aufgewachsene Forscher. Diese Einzelheiten wollen Rögner und sein Team klären – ein Projekt der Grundlagenforschung, das viele mögliche interessante Anwendungen birgt: Das sieht auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung so: Rögner ist Koordinator eines deutschlandweiten BMBF-Verbundprojekts namens "H2-Designzellen: Design natürlicher und biomimetischer Systeme zur lichtgetriebenen Wasserstoffproduktion“. Insgesamt acht Forschergruppen unterschiedlichster Couleur – vom Biologen über Chemiker bis hin zum Verfahrenstechniker - arbeiten interdisziplinär zusammen (mehr...).
Biochemie in Bochum |
Matthias Rögner leitet die Abteilung für Biochemie der Pflanzen an der Ruhr-Universität Bochum. zur Webseite der Abteilung: hier klicken |
Auf dem Weg zum perfekten regenerativen Energieerzeuger
Das interdisziplinäre Projekt hat das Ziel, Cyanobakterien genetisch zu modifizieren und zu winzigen Wasserstofffabriken umzuwandeln. Die Einzeller sollen künftig tagein tagaus nur noch das eine tun: Sonnenenergie mittels Photosynthese in Wasserstoff umzuwandeln. Die Wissenschaftler um Rögner haben schon einige passende genetische Bausteine identifiziert, mit denen sie ihren zukünftigen Energielieferanten ausstatten wollen: Die Kopie eines Lichtschutzfaktors ist wichtig, damit die Zellen bei Anzucht im Reaktor bei höheren Temperaturen nicht absterben. Vor einem Jahr hatten Münsteraner und US-Kollegen zusammen ein derartiges natürliches Sonnenschutz-Eiweiß entdeckt (mehr...).
Ferner soll das Enzym Hydrogenase, welches aus Wasserstoffionen und photosynthetischen Elektronen Wasserstoff erzeugt, einem anderen Organismus entnommen und in die Cyanobakterien implantiert werden, da das cyanobakterieneigene Enzym recht ineffizient ist.
Der erste Prototyp eines eigens für die winzigen Wasserstoffproduzenten neu entwickelten Reaktors – einer Wohlfühloase für Cyanobakterien - steht bereits im Bochumer Labor. Noch fasst die neue Anlage nur fünf Liter. „Hier haben wir bereits die ingenieurs- und biologischen Probleme in den Griff bekommen und gehen nun mit einem 100 Liter-Reaktor in die zweite Runde,“ sagt der 58-jährige Rögner. Wenn alles gut geht, könnten in einigen Jahren Photobioreaktoren mit genetisch optimierten Cyanobakterien Wasserstoff und damit Energie erzeugen. Die großen Stromkonzerne schauen sich diese Projekte mit großem Interesse an. „Doch finanziell einsteigen will in dieser Projektphase leider noch kein Großunternehmen“, so Rögner.
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Hat Japan lieben und schätzen gelernt
Nach dem Studium der Biologie und Japanologie in Tübingen zog es den damals 26-jährigen Naturwissenschaftler für die Diplomarbeit nach Berlin an das Max-Volmer-Institut für Biophysikalische und Physikalische Chemie. „Ich war damals der erste Biologe unter Physikern und Chemikern und habe dort eine völlig neue Denkweise zum Thema Photosynthese bekommen. Dies hat sich für mein weiteres Leben als sehr vorteilhaft erwiesen“ erinnert sich Rögner. Während eines halbjährigen Forschungsaufenthaltes in Japan an der Jichi Medical School in Minamikawachi-Machi lernte er seine Frau kennen und wurde so in die japanische Kultur eingeführt. Rögners Japan-Expertise hat zu einem regen Austausch geführt: Japanische Gaststudenten und –forscher reisen regelmäßig nach Bochum, Rögners Studenten sammeln Erfahrungen in japanischen Arbeitsgruppen. Für diese Auslandsaufenthalte werden die Nachwuchsforscher vom Ehepaar Rögner vorbereitet: „Meine Frau gibt meinen Mitarbeitern japanischen Kultur- und Sprachunterricht während ich ihnen die Wissenschaft beibringe“, so Rögner. „Andererseits können wir unseren japanischen Gästen bei vielen kleinen Problemen des täglichen Lebens in Deutschland helfen – angefangen beim Essen,“ erklärt der Biologe. Nicht zuletzt wegen dieses Rundum-Services nimmt der austausch mit Japan stetig zu, was Rögners Arbeitsgruppe zu einer der internationalsten der Universität macht.
Autorin des Textes: Andrea van Bergen