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Cyanobakterien als Treibstoff-Fabriken

Cyanobakterien betreiben Photosynthese. Das macht sich die Berliner Firma Cyano Biofuels zunutze. Sie hat die Mikroben so umgebaut, dass sie fortan den Biosprit Ethanol in großen Mengen herstellen können. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Cyanobakterien betreiben Photosynthese. Das macht sich die Berliner Firma Cyano Biofuels zunutze. Sie hat die Mikroben so umgebaut, dass sie fortan den Biosprit Ethanol in großen Mengen herstellen können. Quelle: biotechnologie.de

07.07.2010  - 

Cyanobakterien machen gewöhnlich im Sommer auf sich aufmerksam, dann überziehen die früher als „Blaualgen“ bezeichneten Mikroben nährstoffreiche Seen mit unappetitlichen Teppichen. Doch die Berliner Biotechnologie-Firma Cyano Biofuels hat die grün schimmernden Bakterien als effiziente Hersteller von Biotreibstoff für sich entdeckt. Cyanobakterien betreiben Photosynthese, das heißt sie verwandeln Sonnenlicht und Kohlendioxid in energiereiche Zucker. Diese können in einem nächsten Schritt zu Ethanol verarbeitet werden. Die Berliner Forscher haben durch molekulare Tricks die beiden Schritte verknüpft und die Cyanobakterien zu besonders ergiebigen Ethanol-Fabriken gemacht. Noch im diesem Jahr sollen die besten Produktionsstämme aus Berlin den Praxistest in riesigen Tanks in einer Pilotanlage in Texas bestehen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Forscher im Rahmen der Systembiologie-Initiative FORSYS.

Wie Pflanzen betreiben auch die grün schimmernden Cyanobakterien Photosynthese. Sie nutzen also das Sonnenlicht und das Kohlendioxid in der Luft, um diese in energiereiche Zucker zu verwandeln. Aus solchen Zuckern lassen sich über mehrere Stoffwechselschritte, Gärprozesse und Destillationen dann Biotreibstoffe wie etwa der Alkohol Ethanol gewinnen.

Heike Enke ist Forschungschefin bei Cyano Biofuels. Ihr Team hat Cyanobakterien für die Treibstoffproduktion fit gemacht. Lightbox-Link
Heike Enke ist Forschungschefin bei Cyano Biofuels. Ihr Team hat mehrere Cyanobakterien-Stämme für die Treibstoffproduktion fit gemacht. Quelle: biotechnologie.de
Doch Cyanobakterien, die früher auch als Blaualgen bezeichnet wurden, haben für die Ethanolproduktion gegenüber klassischen Energiepflanzen wie Mais, Raps oder Zuckerrohr entscheidende Vorteile: Sie betreiben um ein Vielfaches schneller Photosynthese. Noch dazu sind sie von Natur aus in der Lage, direkt geringe Mengen an Ethanol zu produzieren, allerdings nur im Dunkeln.

Photosynthese an die Ethanolproduktion gekoppelt

Genau hier haben die Forscher der Berliner Firma „Cyano Biofuels“ angesetzt. Das Biotechnologie-Unternehmen wurde 2007 als zweite Firma neben Cyano Biotech, einer Ausgründung der Berliner Humboldt-Universität, gegründet. „Damals zeigte uns eine Machbarkeitsstudie, dass wir Cyanobakterien zu vielversprechenden Biosprit-Produzenten umbauen können“, sagt Heike Enke, Forschungsleiterin bei Cyano Biofuels. 47 Mitarbeiter tüfteln in den Laborräumen der Firma am Wissenschafts-Campus in Berlin-Adlershof. Mithilfe molekularer Tricks haben die Berliner Forscher bei verschiedenen Cyanobakterien-Arten die Alkoholproduktion deutlich angekurbelt: „Wir haben die Photosynthese mit anderen Stoffwechselwegen so verknüpft, dass die Zelle Ethanol produzieren kann, solange Licht an ist.“  Die genetischen Veränderungen an den Zellen lieferten offenbar vielversprechende Ergebnisse: „Die Produktionsraten sind im Labor jetzt schon fantastisch und wir wollen erreichen, dass wir später im Feld ungefähr zehnmal besser sind als Zuckerrohr“, so Enke.

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„Wir können in die Wüste gehen“

Die Cyanobakterien-Kultur hat weitere Vorteile: Die Blaualgen sind sehr robust und können in Salzwasser wachsen. Somit genügt den Biotechnologen später einmal  der Zugang zum Meerwasser, um ihre Einzeller in geschlossenen Tanks zu kultivieren. Solche Tanks können auch in unwirtlichen Gegenden mit viel Sonne aufgebaut werden, ohne dass sie mit landwirtschaftlichen Nutzflächen konkurrieren müssten. „Wir können also in der Wüste kultivieren“, betont Enke. Noch dazu vermehren sich die Cyanobakterien recht langsam und sondern ein Leben lang Ethanol einfach in die sie umgebende Nährlösung ab.  „In Tanks entsteht also kaum Zellmüll und Biomasse wie bei der Algenzucht“, sagt Enke. Das erleichtere eine kontinuierliche Kultur der Mikroben für die spätere industrielle Nutzung.

Photobioreaktoren mit Hightech vermessen

Herzstück der Labors von Cyano Biofuels auf dem Adlershof-Campus in Berlin ist ein Hightech-Raum mit zahlreichen sogenannten Photobioreaktoren: In fest verschraubten Glaskolben blubbert grüne Bakterienbrühe - manchmal mehr, manchmal weniger dicht. Die Gefäße werden über Schläuche ständig mit genau abgemessenen Mengen an Kohlendioxid versorgt und sind von grellen Leuchtstoffröhren umzingelt. „Hier stehen unsere besten Produktionsstämme“, erläutert Enke. Das Geschehen in den Photobioreaktoren wird exakt vermessen. Fest installierte Laptops registrieren andauernd verschiedenste Stoffwechsel-Werte, wie etwa den CO2-Gehalt oder die Ethanol-Konzentration.

Die Pilotanlage von Algenol in Florida: In langgestreckten Folientanks schwimmt Cyanobakterien-Brühe. Ein Ethanol-Wassergemisch verdunstet und kann am Zeltdach eingefangen werden.Lightbox-Link
Die Pilotanlage von Algenol in Florida: In langgestreckten Folientanks schwimmt Cyanobakterien-Brühe. Ein Ethanol-Wassergemisch verdunstet und kann am Zeltdach eingefangen werden.Quelle: Algenol Biofuels
Die Forscher wollen an verschiedenen Stellschrauben drehen, um die Ethanolausbeute noch weiter zu erhöhen. Dazu nutzen sie auch systembiologische Methoden: Anhand von mathematischen Modellierungen wollen die Forscher herausfinden, wie sich Teilprozesse der Photosynthese und des Kohlenhydratstoffwechsels noch besser verzahnen lassen. CyanoBiofuels koordiniert dazu ein Verbundprojekt im Rahmen der Systembiologie-Initiative FORSYS-Partner. Das BMBF unterstützt das Firmenprojekt zwischen 2008 bis 2011 mit 158.000 Euro.

Pilotanlage geht dieses Jahr in Texas in Betrieb

Mit Spannung erwarten die Berliner nun die ersten Testläufe ihrer besten Produktionsstämme für die kommerzielle Anwendung. Cyano Biofuels ist eine 100-prozentige Forschungstochter des US-Unternehmens Algenol Biofuels mit Sitz in Florida. Algenol hat ein geschlossenes Kultursystem entwickelt, um den Biosprit kontinuierlich abzuzapfen: In langestreckten, zeltförmigen Tanks aus transparenter Folie wird die Blaualgenbrühe kultiviert, ein Ethanol-Wasser-Gemisch verdunstet und lagert sich als Kondensat am Zeltdach ab, wo es kontinuierlich abgeführt werden kann.

Cyano Biofuels

Die Cyano Biofuels GmbH wurde 2007 in Berlin gegründet. Das Biotech-Unternehmen ist die deutsche Forschungstochter des US-Unternehmens Algenol Biofuels.

Mehr Infos zu Cyano Biofuels: hier klicken

Mehr Infos zu Algenol Biofuels: hier klicken

„Das Kondensat, wir nennen es Bier, ist bereits so stark mit Ethanol angereichert, dass eine anschließende Destillation wirtschaftlich Sinn macht“, sagt Dirk Radzinski, der im Management von Algenol tätig ist. Ziel sei es, eine Gallone Bioethanol zum Preis von 1 US-Dollar herzustellen und das mit einer sauberen CO2-Bilanz. Derzeit baut Algenol zwei Pilotanlagen im texanischen Freeport (Fläche: 10 Hektar) und in Fort Myers in Florida (16 Hektar) auf. Hier müssen die Cyanobakterien aus Berlin beweisen, ob sie schon den harschen Anforderungen außerhalb des Labors gewachsen sind. Für den Erfolgsfall hat Algenol schon den Bau einer industriellen Großanlage in der mexikanischen Wüste geplant: Auf einem 40.000 Hektar-Grundstück, mehr als die Hälfte der Fläche Berlins, soll dann eine Milliarde Liter Bioethanol entstehen.

Die Firma Cyano Biofuels indes will an ihrem Standort in der deutschen Hauptstadt noch kräftig zulegen. „Bis Ende 2012 wollen wir auf mehr als 120 Mitarbeiter anwachsen“, sagt Dirk Radzinski.

Mehr Informationen zu Cyano Biofuels gibt es in der 45. Folge von biotechnologie.tv: hier klicken


Autor: Philipp Graf

 

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