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Einigung bei Gendiagnostikgesetz

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Das Gendiagnostikgesetz erlaubt nur freiwillige Gentests. Ungeborene dürfen gar nicht auf Erbkrankheiten getestet werden. Quelle: NHGRI

22.04.2009  - 

Im Jahr 2002 kam der erste Vorschlag für die gesetzliche Regelung von genetischen Tests auf. Jetzt hat sich die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD auf einen gemeinsamen Text für ein Gendiagnostikgesetz verständigt. Es soll am 24. April im Bundestag verabschiedet werden. Demnach ist die Verwendung von Gentests in Medizin und Wirtschaft stark eingeschränkt. Untersuchungen des Erbguts sind grundsätzlich freiwillig und bei ungeborenen Kindern verboten, wenn es um die Ermittlung von genetischen Krankheiten geht, die erst im Erwachsenenalter auftreten. Auch die Beratung bei genetischen Fragen soll verbessert werden. Weitere notwendige Regelungen wie etwa zur Verwendung von genetischen Daten in Biobanken stehen allerdings noch aus, wie manche Politiker anmahnen.


Was lange währt, wird endlich. Nach sieben Jahren politischer Debatte hat sich die regierende Große Koalition offenbar auf eine gesetzliche Regelung von Gentests geeinigt. Wie aus Kreisen von CDU und SPD zu hören war, sind die letzten Meinungsverschiedenheiten beigelegt worden. Nun kann das Gesetz mit den Stimmen der beiden Parteien den Bundestag passieren. Das Gesetz ist nach Ansicht der Politiker deshalb notwendig geworden, weil die Gene in der Medizin der Zukunft voraussichtlich eine immer größere Rolle spielen werden. Deshalb soll der blick in die Gene reglementiert werden.

Gentests liefern nur Wahrscheinlichkeiten

Derzeit reicht der Blick ins Erbgut allerdings noch nicht sehr tief. "Über den Beitrag genetischer Faktoren zu den großen Volkskrankheiten haben wir derzeit noch recht dürftige Erkenntnisse", sagte der Humangenetiker Jörg Schmidtke von der Medizinischen Hochschule Hannover, als er im September 2007 den BBAW-Bericht zur "Gendiagnostik in Deutschland vorstellte (mehr...). "Krankheitsrisiken aus Genomdaten abzuleiten, ist heutzutage noch in einem sehr frühen Stadium", ergänzte Rudi Balling, Leiter des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung, ein Jahr später auf dem Weltkongress der Genetik in Berlin (mehr...) Beide Aussagen stimmen auch heute noch.

Zudem liefert ein Gentest nur Krankheits-Wahrscheinlichkeiten. Ob eine Krankheit also wirklich ausbricht, steht auf einem anderen Blatt. Für sehr wenige Krankheiten gibt es zudem überhaupt einzelne Gene, die als Auslöser exakt bestimmt werden können – dazu zählt beispielsweise Chorea Hungtinton. In jedem Fall muss der Patient mit einer Unsicherheit leben oder damit, dass zwar ein Krankheitsrisiko entdeckt wird, aber keine entsprechende Therapie zur Verfügung steht. Gerade wegen dieses Dilemmas war es auch vor allem das Recht auf Nichtwissen, auf das die Politiker während der jahrelangen Diskussion über das Gendiagnostikgesetz immer wieder hinwiesemn.

In der jetzt erzielten Einigung haben sich die Politiker nun darauf verständigt, Gentests streng zu reglementieren und nur unter bestimmten Fällen zuzulassen. Generell,  so das Credo des Gesetzes, haben Gentest nur freiwillig und nach eingehender Beratung durch Ärzte zu erfolgen. Sie dürfen mit wenigen Ausnahmen niemandem abverlangt werden, und vor der Geburt müssen sie medizinisch begründet sein.

Pränatale Tests auf Erbkrankheiten verboten

Gerade  der letzte Punkt war bis zuletzt strittig. Die SPD argumentierte, dass ein zusätzlicher Test über mögliche Erbkrankheiten Schwangeren bei der Entscheidung helfen könnte, ob sie das Kind behalten sollen oder nicht. Dies könne etwa in Familien gelten, so die Argumentation, in denen schon mehrere Frauen an erblichem Brustkrebs früh gestorben seien. Ein Verbot verletze zudem das Recht der Schwangeren auf Wissen. Die CDU setzte sich in dieser Frage aber schließlich durch. In dem Gesetzestext, der am 24. April den Bundestag passieren soll, sind genetische Tests, mit denen ungeborene Kinder auf Krankheitsrisiken im Erwachsenenalter untersucht werden können, generell verboten.

Gendiagnostikgesetz

Die jetzt erzielte Einigung basiert in der Hauptsache auf dem Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen, den das Gesundheitsministerium Ende Juni 2008 vorlegte.

Text des Entwurfs: pdf-Download

"Daran lassen wir es nicht scheitern", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carola Reimann, der Nachrichtenagentur dpa. Schließlich würden vorgeburtliche Untersuchungen auf später ausbrechende Krankheiten in der Praxis nur selten gemacht. Insgsamt ist das beschlussreife Gesetz aber laut Reimann ein "Meilenstein" beim Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten der Bürger. Reimanns Kollegin in der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz (CDU), begrüßte die Einigung ebenfalls. "Es ist ein wichtiges und überfälliges Gesetz, das deutliche Verbesserung für alle Beteiligten bringt."

Arbeitgeber dürfen Bewerber nicht testen 

So sollen Arbeitgeber und Versicherungen generell keine Gen- Untersuchungen von Bewerbern und Kunden verlangen dürfen. Allerdings gibt es Ausnahmen. Arbeitgeber dürfen Tests verlangen, wenn der Arbeitsschutz betroffen ist. In der Chemieindustrie ist es denkbar, dass eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe am Arbeitsplatz im Voraus geprüft wird. Auch gängige Standardtests zur körperlichen Eignung, etwa um bei angehenden Fernfahrern oder Elektrikern eine Rot-Grün-Farbblindheit auszuschließen, bleiben erlaubt.

Versicherungen dürfen ihre Kunden nicht zu Gentests verpflichten. Wenn aber schon Ergebnisse vorliegen, können sie verlangen, diese einzusehen, aber erst bei einer Versicherungssumme von mehr als 300 000 Euro oder einer jährlichen Rentenleistung, die 30 000 Euro übersteigt. Die Regelung löst die bisherige Selbstverpflichtung der Versicherer ab, nach der Ergebnisse von Gentests nur bei Versicherungssummen unter 250 000 Euro verschwiegen werden dürfen.

Genetische Beratung nur von Ärzten

Das Gesetz soll außerdem die genetische Beratung verbessern. "Jeder der nachfragt, soll eine ordentliche Beratung bekommen", sagt SPD-Gesundheitsexpertin Reimann. Gentests zu medizinischen Zwecken dürfen demnach nur Ärzte vornehmen. Bei einer voraussagenden Untersuchung muss es ein Facharzt mit einschlägiger Qualifikation sein. Der Arzt muss den Patienten "über Wesen, Bedeutung und Tragweite" der genetischen Untersuchung aufklären und dessen schriftliche Einwilligung einholen, die dieser jederzeit widerrufen kann.

Vor und nach einem prädiktiven Gentest hat der Patient ein Recht auf ärztliche Beratung, etwa zur möglichen psychischen Belastung durch die Befunde. Auch nach einem diagnostischen Test sollte der Arzt eine genetische Beratung anbieten. Genetische Reihenuntersuchungen sind auch künftig erlaubt, wenn sie auf einen gesundheitlichen Nutzen für die Patienten zielen, wie das bereits angebotene Screening von Neugeborenen auf bestimmte behandelbare Stoffwechselerkrankungen.

Bis zu 5000 Euro Strafe für heimliche Vaterschaftstests

Desweiteren werden heimliche Vaterschaftstests verboten und mit bis zu 5000 Euro bestraft. Eine Überprüfung der Abstammung darf nur mit Zustimmung des Kindes und des jeweiligen Elternteils durchgeführt werden. Ein vorgeburtlicher Vaterschaftstest kommt nur bei einer Schwangerschaft nach sexuellem Missbrauch oder einer Vergewaltigung in Frage und muss von einem Arzt vorgenommen werden. Bei anderen Verstößen sind bis zu 300 000 Euro Strafe möglich. Bei ungeborenen Kindern sind zudem reine Geschlechtsbestimmungen untersagt. Sie könnten zur Auslese führen, so die Befürchtung. Stellt der Arzt bei einem aus medizinischen Gründen vorgenommenen Test aber das Geschlecht fest, kann er es der Frau auf Wunsch nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche mitteilen. Weiterhin erlaubt bleiben pränatale Untersuchungen auf Behinderungen, wie die Ultraschalluntersuchung der Nackenfalte hinsichtlich des Down-Syndroms.

Regelung für Biobanken steht noch aus

Das nun beschlussreife Gendiagnostikgesetz hat eine lange Vorgeschichte. Bereits vor sieben Jahren hatte die Enquête-Kommission "Recht und Ethik in der modernen Medizin" ein Gendiagnostikgesetz empfohlen. In der vergangenen Legislaturperiode scheiterte die Verabschiedung aber an Differenzen über pränatale Tests auf Erbkrankheiten. Der jetzt vereinbarte Text beruht auf einem Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium, den Ulla Schmidt (SPD) im Sommer 2008 vorlegte und den das Kabinett billigte (mehr...).

Noch bevor das Gesetz verabschiedet ist, mahnten Politiker schon weiteren Regelungsbedarf an. Grüne (der Entschließungsantrag der Grünen-Fraktion als pdf-Download) wie SPD (das Papier der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung als pdf-Download)  halten Bestimmungen zum Probandenschutz und zum  Umgang mit genetischen Proben und Daten in Biobanken für dringend geboten. Das sei ein "Riesenfeld", meinte SPD-Experin Reimann, das man allerdings gesondert angehen müsse.

 

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