PID: Debatte um Erbgutcheck bei Embryonen
Kaum ein bioethisches Thema hat die Politik in den vergangenen Monaten so beschäftigt wie die Präimplantationsdiagnostik (PID). Der Erbguttest und die darauffolgende Auswahl von Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung entstanden sind, sind ethisch umstritten. Nach einem Jahr der Debatte hat der Bundestag am 7. Juli 2011 mehrheitlich für ein Gesetz gestimmt, das die PID in engen Grenzen zulässt. Das Dossier stellt vor, wie die PID funktioniert und welche ethischen und politischen Argumente die Debatte bestimmt haben.
Stellungnahmen weiterer Fachgremien
Bei der Diskussion über die rechtliche Regelung der PID haben sich auch verschiedene Expertengremien zu Wort gemeldet:
Votum des Ethikrates
Nach einem halben Jahr Beratung hat sich auch der Deutsche Ethikrat am 8. März 2011 zu den Gesetzentwürfen geäußert (mehr...). Überaschenderweise hat das sonst einstimmige Gremium ein gespaltenes Votum abgegeben. Eine hauchdünne Mehrheit von 13 Mitgliedern plädiert demnach für eine eingeschränkte Zulassung. Dem Mehrheitsvotum zufolge soll PID erlaubt werden, wenn bei den Eltern nachweislich Anlagen zu erblichen Gendefekten bestehen, die zu schweren Behinderungen führen oder ein hohes Risiko für Fehl-und Totgeburten bergen. Rettungsgeschwister oder Chromosomenstörungen, die mit einem hohen Alter der Mutter zusammenhängen sowie spät manifestierende Krankheiten schließen die PID-Befürworter im Ethikrat aus. Damit spricht sich das Gremium indirekt gegen eine Selektion von Embryonen mit der erblichen Veranlagung zu Brustkrebs, Alzheimer und Chorea Huntington aus. Auch das bei Spätgebärenden erhöhte Risiko für Gendefekte wie Trisomie 21 (Down-Syndrom) rechtfertigt dem Ethikrat zufolge keine Embryonenauslese. Der Ethikrat verweigert jedoch eine Liste von Krankheiten, welche die Gendiagnose rechtfertigen. Eine Geschlechtsbestimmung befürwortet der Ethikrat nur, wenn der Gendefekt über die Geschlechtschromosomen vererbt wird. Das Gremium schlägt außerdem eine verpflichtende Untersuchung und Beratung durch einen Humangenetiker, einen Reproduktionsmediziner und eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle vor. Elf Ethikratmitglieder sprachen sich hingegen für ein ausnahmsloses PID-Verbot aus. Sie befürchten eine Ausweitung der Diagnosemethode auf weniger schwere Gendefekte und sehen der selektiven Tötung behinderten Lebens Tür und Tor geöffnet. Die Entwicklung der medizinischen Möglichkeiten sowie ein Blick über die Landesgrenzen ließen vermuten, dass der Embryonenschutz weiter aufgeweicht würde. Außerdem argumentieren die Ethikratmitglieder mit sozialen Faktoren: Der Druck auf erblich belastete Paare würde zunehmen, sich dem Verfahren zu unterziehen und behindertes Leben zu vermeiden, statt es in die Gesellschaft zu integrieren. In dem 26-köpfigen Gremium gab es außerdem eine Enthaltung und ein Sondervotum, in dem eine Liste mit Krankheiten gefordert wurde, welche PID indizieren.
Stellungnahme der Wissenschaftsakademien
Ende Januar 2011 hatte eine Gruppe von 13 renommierten Forschern, darunter die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard sowie Humangenetiker, Medizinrechtler und Reproduktionsmediziner im Auftrag der drei Wissenschaftsakademien Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) eine Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik (PID) vorgelegt und sich darin für eine eingeschränkte Zulassung ausgesprochen. Aus Sicht der Forscher sollte der Gesetzgeber die PID ähnlich regeln wie die Pränataldiagnostik, denn andernfalls würden Widersprüche entstehen. Eine Zulassung der PID sollte unter begrenzten Voraussetzungen geschehen. Das Verfahren sollte nur bei Paaren durchgeführt werden, für die medizinisch tatsächlich ein hohes Risiko besteht, dass ihre Kinder an einer unheilbaren und monogenetisch bedingten schweren Krankheit leiden werden, wie etwa an der schweren Muskelschwäche Duchenne oder beim Fragile X-Syndrom. Die Forscher empfehlen, eine zentrale Sachverständigen-Stelle einzurichten, die Richtlinien zur PID erlässt und jeden Einzelfall auf einen begründeten Antrag hin befürwortet oder ablehnt. Als Vorbild für eine solche Sachverständigen-Kommission gilt den Forschern eine Regulierungsbehörde, die bereits seit über 20 Jahren in Großbritannien arbeitet (HFEA). Die Forscher schätzen, dass unter diesen Voraussetzungen hierzulande einige hundert PID jährlich vorgenommen würden. Die Experten wollen damit den Fokus der politischen Debatte weg vom Status des Embryos lenken. Es gehe vielmehr darum, in Einzelfällen die freie Entscheidung einer Frau für ein gesundes Kind zu stärken.