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PID: Debatte um Erbgutcheck bei Embryonen

Der Präimplantationsdiagnostik geht immer eine künstliche Befruchtung im Labor voraus. Per Mikroinjektion wird eine Eizelle mit genau einem Spermium befruchtet.  <ic:message key='Bild vergrößern' />
Der Präimplantationsdiagnostik geht immer eine künstliche Befruchtung im Labor voraus. Per Mikroinjektion wird eine Eizelle mit genau einem Spermium befruchtet. Ein Embryo entsteht. Nach wenigen Tagen hat sich ein winziger Zellklumpen gebildet, der sich genetisch untersuchen lässt. Quelle: biotechnologie.tv

Kaum ein bioethisches Thema hat die Politik in den vergangenen Monaten so beschäftigt wie die Präimplantationsdiagnostik (PID). Der Erbguttest und die darauffolgende Auswahl von Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung entstanden sind, sind ethisch umstritten. Nach einem Jahr der Debatte hat der Bundestag am 7. Juli 2011 mehrheitlich für ein Gesetz gestimmt, das die PID in engen Grenzen zulässt. Das Dossier stellt vor, wie die PID funktioniert und welche ethischen und politischen Argumente die Debatte bestimmt haben.

Rechtliche Ausgangslage


Seit Juli 2010 ist die PID in Deutschland erlaubt. Diese Rechtslage geht auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Juli 2010 zurück (mehr...). Das Urteil war nötig geworden, weil die technischen Möglichkeiten der PID durch das im 1990 verabschiedeten Embryonenschutzgesetz (ESchG) nicht mehr erfasst sind und sich so eine Rechtsunsicherheit ergeben hatte. Verstärkt wird die juristische Diskussion durch Widersprüche mit dem Gendiagnostikgesetz (GenDG) und der rechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen (§218 StGB).

 

Embryonenschutzgesetz

Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) ist seit dem 1. Januar 1991 in Kraft und regelt alle bis dato bekannten Aspekte der Reproduktionsmedizin. Das ESchG definiert einen Embryo als befruchtete Eizelle, bei der die beiden Zellkerne miteinander verschmolzen sind, und stellt diesen ebenso wie totipotente Zellen unter besonderen Schutz. Laut ESchG ist es demnach untersagt, „eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt“ (ESchG §1 Satz1). Es ist verboten, Embryonen zu Forschungszwecken herzustellen. Damit spricht sich das ESchG streng gegen alle Praktiken aus, die zur Vernichtung von Embryonen führen können. Ausgerechnet bei der Bestimmung schwerer Erbkrankheiten macht es jedoch eine Ausnahme: §3 ESchG verbietet eine Geschlechtsauswahl der Samenzelle bei künstlicher Befruchtung, es sei denn, dass „die Auswahl der Samenzelle durch einen Arzt dazu dient, das Kind vor der Erkrankung an einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder einer ähnlich schwerwiegenden geschlechtsgebundenen Erbkrankheit zu bewahren.“ Mit diesem Paragrafen erlaubt das ESchG eine Präfertilisationsdiagnose (Polkörperdiagnostik) zur Verhinderung schwerer Erbkrankheiten. Aufgrund der technischen Möglichkeiten im Jahr 1991 ist die PID selbst nicht im ESchG erfasst.

 

Strafgesetzbuch

Ein weiterer rechtlicher Konflikt mit dem ESchG entsteht durch eine gesetzliche Ausnahmeregelung des sonst als rechtswidrig bewerteten Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch (StGB). Nach §218a Abs. 2 StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtsmäßig, um „die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Gesundheitszustands der Schwangeren abzuwenden“, welche auch aus einer Fehlgeburt, Totgeburt oder einer schweren Behinderung des ungeborenen Kindes resultieren kann. Während der Embryo geschützt wird, stellt das Gesetz in extremen Fällen die Entscheidungsfreiheit der Mutter über den Schutz des ungeborenen Kindes.

Das Strafgesetzbuch toleriert zudem, dass Frauen Medikamente oder Medizinprodukte (Spirale) verwenden, um die Einnistung von Embryonen in die Gebärmutter zu verhindern. Diese Nidationshemmung zur Schwangerschaftsverhütung ist laut §218a Abs. 1 StGB erlaubt.

 

Gendiagnostikgesetz

Eine mit §218a StGB vergleichbare Klausel findet sich auch im Gendiagnostikgesetz (GenDG). Sie erlaubt im Rahmen der PND vorgeburtliche genetische Untersuchungen auf genetische Eigenschaften, welche die Gesundheit des Embryos oder Fötus „während der Schwangerschaft oder nach der Geburt spätestens bis zum 18. Lebensjahr beeinträchtigen.“ (§15 Abs. 2 GenDG). Gemäß §218a ist bei positiver Diagnose eine Abtreibung zulässig.

 

BGH-Urteil

Am 6. Juli 2010 hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt, welches die PID in Deutschland auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wird. Der Berliner Frauenarzt Matthias Bloechle hatte bei drei erblich belasteten Paaren nach künstlicher Befruchtung eine Embryonenauslese durchgeführt, und damit am Ende einer Frau zu einem gesunden Kind verholfen. Anschließend zeigte sich der Arzt selbst an, um Rechtsklarheit zu schaffen. Das BGH sprach ihn frei und mahnte eine eindeutige rechtliche Regelung an. In seiner Urteilsbegründung hat der BGH darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, einerseits Schwangerschaftsabbrüche nach § 218a Abs. 2 StGB (aufgrund schwerer Behinderung des Kindes) straffrei zu lassen und andererseits die PID, die auf einem weitaus weniger belastenden Weg dasselbe Ziel verfolgt, bei Strafe zu untersagen. Aufgrund dieses Urteils wird in Deutschland derzeit an einer gesetzlichen Neuregelung der PID gearbeitet.

 

Hintergrund

Mehr zur PID-Debatte auf biotechnologie.de

Zum Urteil des Bundesgerichtshofs:
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Zum Votum des Ethikrats:
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Zur Stellungnahme der Wissenschaftsakademien:
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Zur aktuellen politischen Debatte:
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