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Biotechnologie in Norwegen

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Lange Zeit hat die Biotechnologie im rohstoffreichen Norwegen kaum eine Rolle gespielt. Erst seit Ende der 90er Jahre fördert die norwegische Regierung aktiv Unternehmen in der Biotechnologie, um sie als Wirtschaftszweig aufzubauen. Diese Förderprogramme zeigen nun Wirkung: Vor allem in der medizinischen Biotechnologie sind eine ganze Reihe von Unternehmen entstanden, die meisten sind in der Krebsforschung tätig. Norwegen hat inzwischen auch mehr Medikamente in der Entwicklungs-Pipeline als das einstige skandinavische Vorzeigeland Schweden. Aber auch das Thema Bioraffinerien steht bei norwegischen Firmen hoch im Kurs.

Unternehmenslandschaft

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22.000 Kilometer Küstenlinie: Nach der biomedizinischen Forschung entdeckt Norwegen jetzt das Meer als biotechnologische Ressource. Quelle: Wikimedia

Die Biotechnologie-Branche befindet sich in Norwegen noch in einer vergleichsweise frühen Phase. Erst seit Ende der 90er Jahre fördert die norwegische Regierung aktiv Unternehmen in der Biotechnologie, um sie als Wirtschaftszweig aufzubauen. Im Rahmen der europäischen Statistik-Erhebung Biopolis hat die staatliche Forschungs- und Förderinstitution  Research Council of Norway (Forskningradet/Forschungsrat) im Jahr 2007 insgesamt rund 90 Unternehmen gezählt, die in der Biotechnologie tätig sind. Bis heute sind nur eine Handvoll hinzugekommen, im Branchenverband Norwegian Bioindustry Association (NBA) gibt es rund 100 Biotechnologie-Unternehmen als Mitglied. Die meisten von ihnen sind noch sehr jung. Fast alle wurden nach 2000 gegründet und haben weniger als 50 Mitarbeiter. Bezogen auf die geringe Einwohnerzahl von 5 Millionen Menschen, kann sich Norwegen dennoch sehen lassen, man liegt im europäischen und nordamerikanischen Durchschnitt.

Als Fördereinrichtung für Forschung und Entwicklung in Unternehmen ist die SINTEF-Gruppe in Norwegen von großer Bedeutung. SINTEF ist die Abkürzung für The Foundation for Scientific and Industrial Research at the Norwegian Institute of Technology (NTH) und gilt als größte unabhängige Forschungsorganisation in Skandinavien. Jedes Jahr unterstützt sie die Entwicklung von 2000 norwegischen und anderen Unternehmen durch ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Gefördert werden sowohl Aktivitäten im Gesundheitsbereich als auch zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe.

Oslo als Zentrum der Branche

Geografisch konzentriert sich die Biotech-Branche vor allem im Süden des Landes um die Hauptstadt Oslo. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bezirk Nordland, der sich an der nordwestlichen Küste entlang zieht. Hier sind vor allem die Unternehmen angesiedelt, die Inhaltsstoffe aus dem Meer weiterverarbeiten. Die meisten Biotechnologie-Firmen in Norwegen sind damit beschäftigt, neue Medikamente oder Diagnostika zu entwickeln. Nach Angaben der NBA haben im Zeitraum zwischen 2007 und 2010 insgesamt 22 Firmen Medikamente für die Zulassung getestet. 14 dieser Unternehmen haben zusammen 72 Projekte in einer klinischen Testphase (Stand Dezember 2010). Dabei befinden sich 24 Medikamente in der dritten und letzten Testphase. In allen Testphasen, inklusive vorklinischen Studien, gab es 88 Wirkstoffkandidaten. Sechzig Prozent davon wurden in eigener Forschung oder in Kooperation mit öffentlichen Forschungseinrichtungen entwickelt, die Zahl der Public-Privat-Partnership ist innerhalb des Untersuchungszeitraums in Norwegen signifikant angestiegen. Aus Sicht der NBA können sich diese Zahlen nun sehen lassen: Mit seiner Pipeline hat Norwegen inzwischen auch das Nachbarland Schweden überholt – einst Skandinaviens Vorzeige-Biotech-Nation.

Medikamente in der Pipeline Norwegen 2010Lightbox-Link
Quelle: Norwegian Bioindustry Association 2010
Kleiner Wehrmutstropfen: Die Mehrheit der Wirkstoffe (70 Prozent) sind chemisch hergestellte Moleküle, der biologische Anteil an der Pipeline ist vergleichsweise gering. Zudem finden die meisten klinischen Studien im Ausland statt. Eine Befragung der betroffenen Unternehmen nennt dafür drei Gründe: Einen Mangel an qualifizierten Fachkräften in Norwegen und zu wenig finanzielle Anreize für Krankenhäuser und Patienten, sich an den Studien zu beteiligen.

Der Schwerpunkt der norwegischen Biotechnologie in der Medizin zeigt sich auch an den acht börsennotierten Unternehmen, die alle mit Gesundheit zu tun haben: Photocure (Oslo), PCI Biotech (Oslo), Algeta (Oslo), Clavis Pharma (Oslo), Biotec Pharmacon (Tromsö), DiaGenic (Oslo), Navamedic (Lysaker), NorDiag (Oslo). Darüber hinaus gibt es die ebenfalls an der Börse gelistete norwegisch-dänische Firma Affitech (Oslo/Kopenhagen). 

Krebsforschung im Mittelpunkt der Aktivitäten

Inzwischen gibt es auch ein erstes in Norwegen entwickeltes Produkt auf dem Markt: 2009 erhielt  das Präparat Cysview der Firma Photocure grünes Licht von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Hinter Cysview steckt der Kontrastmittel-Wirkstoff Hexvix,  mit dem sich Blasenkrebs nachweisen lässt. Die Rechte an diesem Wirkstoff hatte Photocure  2009 an den französischen Pharmakonzern Galderma verkauft. Photocure ist eines von vielen norwegischen Biotech-Unternehmen, die im Umfeld des Osloer Radium-Klinikums angesiedelt und in der Krebsforschung aktiv sind. Bereits im Jahr 2000 wurde aus Photocure die Firma PCI Biotech ausgegründet, die ein photochemisches Verfahren zur Behandlung diverser Krebsarten (Gehirntumore, Nackentumore, Blasenkrebs) entwickelt hat. Einen weit fortgeschrittenen Krebs-Wirkstoffkandidaten in der klinischen Entwicklung hat auch die Firma Algeta. Hierbei handelt es sich um das Krebsmedikament Alpharadin. Das auf Radium 223 basierende Mittel setzt in geringen Dosen radioaktive Alpha-Strahlung gegen Tumorzellen frei und soll die Lebenserwartung von Patienten mit Knochenmetastasen erhöhen. Der Wirkstoff wurde von Algeta entwickelt, für das Zulassungsverfahren kooperiert Algeta seit 2009 mit dem Leverkusener Pharmakonzern Bayer Schering.

Ebenfalls auf Krebs setzt die Firma Clavis Pharma: Sie hat unter anderem spezielle Drug Delivery -Technologien für Chemotherapeutika entwickelt. So befindet sich der Wirkstoff Elacytarabine im klinischen Zulassungsverfahren, mit dem Clavis Pharma Akute Myeloische Leukämie (AML) im Endstadium behandeln will. Darüber hinaus wird ein Wirkstoff zur Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs in der zweiten klinischen Phase getestet, der an die US-Firma Clovis Oncology auslizensiert wurde.

Die in Tromsö angesiedelte Biotec Pharmacon verfolgt wiederum zwei Richtungen: Sie entwickelt zum einen immunmodulierende Wirkstoffe, die zur Behandlung von Immunkrankheiten zum Einsatz kommen sollen.  Zum anderen hat das Unternehmen kälteresistente Enzyme aus Meerestieren im Portfolio.

Im Diagnostik-Bereich ist die Firma  DiaGenic aktiv. Sie entwickelt Gentests, um diverse Krankheiten bereits in einem frühen Stadium anhand von Blutproben zu identifizieren. 2009 wurden Tests für Brustkrebs (BCtect) und Alzheimer (ADtect) in Europa zugelassen.

Darüber hinaus gibt es in Norwegen mehrere Niederlassungen börsennotierter internationaler Firmen. Die meisten von ihnen sind aus norwegischen Biotech-Unternehmen entstanden, welche mit ausländischen Firmen fusioniert sind oder übernommen wurden. Beispiele für solche ursprünglich norwegischen Großunternehmen sind die in Oslo ansässige britisch-norwegische Firma Axis-Shield, die aus der Fusion der norwegischen Axis Biochemicals mit dem britischen Unternehmen Shield Diagnostics hervorgegangen sind. Darüber hinaus hat der US-Konzern GE Healthcare einen Sitz in Oslo – ein Standort, der einst durch die Übernahme von Nycomed Amersham International entstand. Ebenso verhält es sich mit Alpharma in Oslo, einem seit 1903 existierenden Traditionsunternehmen und einstiges Flaggschiff der norwegischen Biotech-Branche, inzwischen eine 100-prozentige Tochter der US-Firma King Pharmaceuticals, die wiederum inzwischen zum Pharmariesen Pfizer gehört.  

Industrielle Biotechnologie und Wirkstoffe aus dem Meer

Neben der Medizin gibt es zudem Unternehmen, die sich mit der Verwertung nachwachsender Rohstoffe und industrieller Biotechnologie beschäftigen. Als Beobachter ist der Forschungsrat deshalb auf europäischer Ebene am ERA-NET Industrial Biotechnology beteiligt.

Besonders aktiv in dieser Hinsicht ist unter anderem der international tätige Chemiekonzern Borregaard mit Hauptquartier in Sarpsborg. Als Papier- und Zellulosehersteller gegründet, unterhält er inzwischen eine der weltweit größten Bioraffinerien und erforscht Biochemikalien, um erdölbasierte Rohstoffe zu ersetzen. Der Konzern will zudem in der ersten Jahreshälfte 2011 mit dem Bau einer Pilot-Produktionsstätte für Bioethanol beginnen, in der Kraftstoff aus Biomasse gewonnen werden soll. Das Projekt wird zu etwa 40 % von der norwegischen Regierung gefördert. Darüber hinaus ist die Firma in diversen EU-Projekten vertreten, die an der Gewinnung von Zucker aus Biomasse sowie dessen Weiterverarbeitung arbeiten.

In der industriellen Biotechnologie aktiv ist aber auch die Firma Biosentrum (Sitz in Stavanger) an der Westküste Norwegens, die sich auf das Up-Scaling von biotechnologischen Laborprozessen für den industriellen Einsatz spezialisiert hat.

Seit einigen Jahren gibt es zudem immer mehr Unternehmen, die sich mit der Ressource Meer beschäftigen – nicht ungewöhnlich für einen Staat, der über insgesamt 22.000 Kilometer Küste verfügt und dessen Wirtschaft unter anderem auf Fischfang basiert. So geht es hier um die Gewinnung medizinisch wirksamer Stoffe (z.B. Bei Navamedic oder Biotec Pharmacon), die Gewinnung von Enzymen oder Biomaterilien für industrielle Zwecke (Aqua Biotech Technology; FMC Biopolymer) sowie die Weiterentwicklung der Aquakultur mit Hilfe der Biotechnologie  – sei es für Nahrungs-/Futtermittelinhaltsstoffe (z.B. Pronova BioPharma, BioMar) oder Tiergesundheit (Alpharma, ScanVacc, AquaGen).

Unternehmen, die sich mit der Anwendung der Biotechnologie in der Landwirtschaft beschäftigen, gibt es in Norwegen so gut wie nicht – lediglich die Frage nach neuen Energiequellen bzw. die Umwandlung von Biomasse für energetische Zwecke steht im Mittelpunkt einer wachsenden Anzahl von Firmen (u.a. Norsk Biogass, Aker Grenland Industry).

 

Hintergrund

Unternehmen:  rund 100

Schwerpunkt: medizinische Biotechnologie (Krebsforschung), Bioraffinerie, Aquakultur

Branchenverband: Norwegian Bioindustry Association (NBA)www.biotekforum.no
Forschungsförderung: The Foundation for Scientific and Industrial Research at the Norwegian Institute of Technology (SINTEF) www.sintef.no; Research Council (Forskningsradet) www.forskningsradet.no

Rechtliche Grundlagen: Forschung mit Stammzellen erlaubt, keine Stichtagsregelung, PID gesetzlich geregelt, gv-Anbauverbot