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Biotechnologie in den Niederlanden

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Aufgrund ihrer besonderen Lage und ihrer Geschichte haben die Niederländer seit jeher ein besonders intensives Verhältnis zur Natur. Das Land ist relativ klein und dicht besiedelt, ein großer Teil der Landfläche musste dem Meer durch ein besonderes System an Dämmen und Kanälen erst abgetrotzt werden, und es gibt wenig natürliche Rohstoffe. Trotzdem sind die Niederlande nach den USA der größte Exporteur von landwirtschaftlichen Produkten, nach der Zahl an exportierten Gütern rangieren sie weltweit laut OECD an sechster Stelle. Das ist nur möglich, da die Niederlande Ingenieurskunst, Handel und wissenschaftlichen Fortschritt effizient kombinieren. Das kommt auch der Biotechnologie zugute, die in den Niederlanden im europäischen Vergleich eine starke Position inne hat.

Rechtliche und politische Grundlagen

Die erste niederländische Branche (neben der Pharmaindustrie), welche von der Biotechnologie ganz praktisch profitierte, waren die holländischen Floristen. 1993 wurden die ersten genetisch veränderten Nelken zugelassen. Zuletzt wurde im Dezember 2010 an der Universität Wageningen eine Kartoffel mit größeren Stärkekörnern entwickelt. Tatsächlich werden aber laut der Internetseitet GMO Compass derzeit keine gv-Pflanzen kommerziell in den Niederlanden angebaut.

Wie das Beispiel der vom deutschen Unternehmen BASF entwickelten Stärkekartoffel Amflora zeigt, die in den neunziger Jahren entwickelt und 2009 zum ersten Mal angebaut wurde, kann es bis zu ihrem Markteintritt noch dauern. Abzusehen ist aber jetzt schon, dass die Niederländer dieser Kartoffel und weiteren gentechnisch veränderten Pflanzensorten der Zukunft aufgeschlossener gegenüber stehen werden als ihre deutschen Nachbarn. In der aktuellen Ausgabe des Eurobarometers Biotechnologie, das im Jahr 2010 die Einstellung von Bürgern aus allen 27 EU-Mitgliedern zu den Lebenswissenschaften abfragte, wiesen 53% der Niederländer der Biotechnologie eine positive Auswirkung auf unser zukünftiges Leben zu. Negative Effekte vermuteten nur 25%. In Deutschland ist die Gruppe der Optimisten deutlich kleiner (42%) und die der Pessimisten größer (33%).

Eurobarometer Biotechnologie 2010

Die Einstellung der Niederländer zur Biotechnologie, zur Gentechnik und zur Stammzellforschung liegt im europäischen Durchschnitt, wie die 2010 durchgeführte europaweite Eurobarometer-Umfragezur Biotechnologie zeigt.

zum Report: pdf-Download

zur Einzelauswertung Niederlande auf Englisch: pdf-Download

Diese aufgeschlossene Haltung setzt sich auch bei Detailfragen fort. So finden 73% der Befragten in den Niederlanden, dass Entwicklung und Produktion von Biokraftstoffen weiter gefördert werden soll, bei der Frage von nachhaltigen Biokraftstoffen sind es sogar 91%. In Deutschland sind es nur 64% beziehungsweise 83%. Die Methode, in der Gentechnik einzelne artfremde Gene einzusetzen, lehnen 57% der Niederländer ab, bei artverwandten Genen ist die Situation ausgeglichen: 46% lehnen auch dieses Verfahren ab, 48% hingegen haben nichts dagegen. In Deutschland sind es 69% beziehungsweise 47% und 45%. Ob bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln, Klonen von Tieren oder Forschung an menschlichen Embyronen: der Anteil der  Befürworter biotechnologischer Methoden ist in den Niederlanden konstant um rund zehn Prozent höher (bzw. der Anteil der Ablehnenden um zehn Prozent niedriger) als das in Deutschland der Fall ist. Das ist aufgrund der skeptischen Haltung der Deutschen auch nicht besonders schwer, die Niederländer liegen mit ihrer Meinung ziemlich genau im europäischen Durchschnitt.

In den Niederlanden gibt es ein gut entwickeltes System von politischen Richtlinien für Wissenschaft, Technik und Innovation, welche regelmäßig geprüft und überarbeitet werden. Verantwortlich für biotechnologisch relevante politische Richtlinien sind in den Niederlanden das Wirtschaftsministerium (Ministerie van ekonomische Zaken, MOeZ) und das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft. Während ersteres die Richtlinien für industrielle Forschung und Entwicklung sowie Innovation verantwortet, gestaltet das Bildungsministerium die Innovationspolitik im Bezug auf wissenschaftliche Forschung und Ausbildung.

Im Zeitraum von 2002-2005 förderte die niederländische Regierung die Biotechnologie mit 523,9 Mio Euro, wobei laut BioPolis-Report 75% der Mittel über spezifische Förderprogramme vergeben wurden, und sich gleichmäßig auf die Biotech-Branche und allgemeine Forschungsförderung verteilen. 

Der Schwerpunkt der niederländischen Politik in Bezug auf die Biotechnologie liegt in der industriellen und angewandten Biotechnologie. Besonders in den vergangenen Jahren war die Entwicklung biotechnologischer Produkte bis zur Marktreife mit 50% der eingesetzten Mittel der eindeutige Fokus staatlicher Förderprogramme. An zweiter Stelle steht die Grundlagenforschung, für die 25% der insgesamt vorhandenen Mittel verwendet wurden. Das übrige Viertel verteilt sich auf die Förderung von Firmengründungen, von Kooperationen von öffentlichen Forschungseinrichtungen und Industrie, und nicht zuletzt  der öffentlichen Akzeptanz von Biotechnologie.

In der Forschungsförderung steht, wie in den meisten Ländern, die Grundlagenforschung an erster Stelle, gefolgt von der Ernährungsbiotechnologie, welche die andernorts an zweiter Stelle rangierende medizinische Biotechnologie auf den dritten Platz verweist. An vierter Stelle steht die industrielle Forschung, was auf das starke private Forschungsengagement der niederländischen Biotech-Industrie zurückzuführen ist. Biotechnologische Forschung mit Tieren wird in den Niederlanden nicht gefördert.

Verglichen mit den 90er Jahren hat die niederländische Regierung ihre Ausgaben für Biotechnologie zu Beginn der 2000er Jahre verdoppelt. Dies ist maßgeblich auf zwei Programme zurückzuführen: Die Netherlands Genomics Initiative und zu einem geringeren Maß das TechnoPartner/ BioPartner-Programm. Mit diesen Programmen wurde ein Schwerpunkt auf die industrielle Verwertung von Forschungsergebnissen, die Firmengründung und die öffentliche Akzeptanz der Biotechnologie gelegt.

Der Life-Sciences Action Plan

In den Niederlanden wurde im Jahr 2004 eine Initiative in den Lebenswissenschaften mit dem Titel "Life sciences action plan 2004: breaking away from the pack" vom Wirtschaftsministerium erstellt. In fünf „Aktionslinien“ sollen unternehmerische Initiative in den Life Sciences gefördert, die Gesetze und Richtlinien vereinfacht, die Kommunikation der staatlichen Stellen intensiviert sowie die Wissensbasis und internationale Netzwerkbildung gestärkt werden.

Gesetzgebung

Die niederländische Gesetzgebung ist um einiges liberaler als die deutsche, geht jedoch nicht so weit wie  beispielsweise Großbritannien und Belgien. Bis 2002 waren die Niederlande in der Verwendung menschlicher Stammzellen zu Forschungszwecken nicht festgelegt, Forschungsanträge in diesem Bereich wurden durch das Central Committee for Research Involving Human Subjects (CCMO) nach Maßgabe eines Regierungsmemorandums von 1995 geprüft. Gemäß diesem Memorandum war die Forschung an humanen embryonalen Stammzelllinien nur dann zulässig, wenn diese bereits etabliert waren. Ihre Neugewinnung war verboten.

2002 verabschiedete das Parlament den „Embryo Act“, der nicht nur die bisherige Praxis der Forschung an etablierten Stammzelllinien gesetzlich festschrieb, sondern auch die  Neugewinnung menschlicher Stammzellen aus Embryonen erlaubte. Einzige Voraussetzung war, dass es sich dabei um überzählige Embryonen einer künstlichen Befruchtung handelte, die jetzt mit Einwilligung ihrer „Spender“ in den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung verwendet werden dürfen. Die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken ist in den Niederlanden verboten. Ebenso gibt es strenge Einschränkungen in der Präimplantationsdiagnostik. Das Klonen von Menschen und Tieren, auch zu therapeutischen Zwecken, sind analog zur EU-Gesetzgebung in den Niederlanden verboten, ebenso wie Versuche in der Kombination menschlicher und tierischer Zellen und Xenotransplantationen. Versuche mit Tieren, auch als Vorstufe zu Xenotransplantationen, sind jedoch erlaubt.

2004, nach jahrelang erfolgreichem Widerstand, hat die niederländische Regierung ein nationales Patentrecht für biotechnologische Entdeckungen verabschiedet und damit die entsprechende EU-Richtlinie vor allem auf Druck der Industrie umgesetzt.

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist in den Niederlanden erlaubt, kommerziell werden jedoch derzeit weder der Mais MON810 noch die Amflora-Kartoffel angebaut. Das Vorgehen ist im Umweltmanagementgesetz (Wet Milieubeheer en het Inrichtingen en Vergunningenbesuit Milieubeheer) festgeschrieben. 2004 verständigten sich die Dachverbände von Verbrauchern, Landwirtschaft, Pflanzenzüchtern und Ökobauern nach langer öffentlicher Diskussion auf ein Regelwerk zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Das Dokument „Koexistenz Primärproduktion“ wurde von diesem so genannten „van-Dijk-Komitee“ an den Landwirtschaftsminister übergeben und auf Basis des Reports ein Gesetz ausgearbeitet. So wurden im Europavergleich sehr geringe Mindestabstände zu nicht-gv und Bio-Anbaufeldern festgelegt, und Regeln zur Haftung bei Verschmutzung vereinbart. Für unklare Fälle wurde außerdem ein Haftungsfonds eingerichtet. In den Niederlanden sind 18 gv-Lebensmitttel auf dem Markt (Stand 2006), womit das Land nach Tschechien in Europa den zweiten Platz einnimmt. Entsprechend der europäischen Gesetzgebung müssen gv-Lebensmittel gekennzeichnet werden, anders als in Deutschland ist jedoch der Hinweis „ohne Gentechnik“ verboten.

 

Hintergrund

Unternehmen: 221 (OECD-Zählung)

Schwerpunkt: medizinische und industrielle Biotechnologie

Branchenverband: BioFarmind
www.biofarmind.nl

Größtes PPP-Netzwerk: National Genomics Initiative
www.genomics.nl

Forschungsförderung
www.lifescienceshealth.com

Rechtliche Grundlagen
Forschung mit Stammzellen erlaubt, keine Stichtagsregelung, erstes europäisches Land mit Koexistenzregelung für gv- und konventionellen Anbau, Freilandversuche, jedoch bisher kein kommerzieller gv-Anbau

Internationale Kooperationen

www.internationale-kooperationen.de

Sie interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen im Ausland? Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt einen solchen Austausch. Mehr Informationen zu möglichen Förderprogrammen und länderspezifische Hintergründe finden Sie unter:

www.internationale-kooperationen.de


Downloads

Eurobarometer Biotechnologie 2010

vollständiger Report auf Deutsch Download PDF (8,2 MB)

Eurobarometer Biotechnologie 2010 Niederlande

Detailauswertung Niederlande englisch Download PDF (1,6 MB)

Biopolis Netherlands 2007

National Report of the Netherlands Download PDF (542,7 KB)