Jörg Vogel: Mit RNA-Schnipseln gegen Krankheiten
23.02.2010 -
Die Ribonukleinsäure fristete lange einen Dornröschenschlaf – erst vor einigen Jahren wurde sie wachgeküsst und sorgt seit dem stetig für Forschungsfurore. Jörg Vogel glaubte schon immer an die RNA – sie zieht sich auch wie ein roter Faden durch sein Forscherleben, das ihn auch nach Schweden und Israel führte. Kürzlich wurde der RNA-Experte zum Leiter des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg berufen und tritt in die Fußstapfen des renommierten Mikrobiologen Jörg Hacker, der 2008 zum Präsidenten des Robert-Koch-Instituts berufen wurde. Wie sein Vorgänger will Vogel seine Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten nutzen.
Schon während seiner Zeit an der Humboldt-Universität zu Berlin hatte Vogel erste Berührung mit RNA, der Kopie der Erbsubstanz. „Meine Doktorarbeit an Pflanzen war der Schlüssel zur RNA-Welt“, erzählt er. Nach erfolgreichem Studium und Promotion in Berlin ging Vogel für zwei Jahre an die Uppsala Universität in Schweden, um dort nach kleinen RNA-Molekülen in Bakterien zu fahnden. „Das war ein 'High Risk'-Projekt, doch bereits nach einem Jahr konnten wir einen Riesenerfolg verbuchen", wie er sich erinnert. Mit einer Veröffentlichung seiner Ergebnisse im Fachmagazin Current Biology (2001, Ausgabe 11, S. 941-950) rollte er ein ganzes Feld neu auf (Publikation als pdf-Download).
Institut für molekulare Infektionsbiologie |
Das Institut wurde 1993 als interdisziplinäres Zentrum an der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg gegründet und lange Jahre durch Jörg Hacker, jetzt Präsident am Robert-Koch-Institut, geleitet. zur Website: hier klicken |
Wissensdrang nach Mikrobiologie führte den gebürtigen Cottbuser anschließend an die Hebräische Universität Jerusalem in Israel. Vogel erinnert sich gerne an die Zeit und fühlt sich den Menschen dort tief verbunden. „Trotz geringer finanzieller Mittel wird in Israel hervorragende Wissenschaft gemacht. Ich habe mich dort immer sehr wohl gefühlt, obwohl ich während der Zweiten Intifada dort unten war“, so der 42jährige. „Manchmal gab es zwei bis drei Bombenanschläge pro Woche.“
Mix aus international orientierter Forschung und guter Lehre
Zurück in Deutschland übernahm er 2004 die Leitung einer selbstständigen Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Es folgten mehrere Rufe an verschiedenste, auch internationale Universitäten. Vogel entschied sich schließlich für die Julius-Maximilians-Universität Würzburg und ist seit November 2009 Leiter des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie. „Die Nachfolge von Jörg Hacker anzutreten, einem Experten für bakterielle Pathogenese, ist eine einmalige Chance für mich,“ so der Wissenschaftler. Überzeugt haben ihn auch die vielen international bekannten Forscher , die in Würzburg angesiedelt sind, und das nahezu perfekte universitäre Umfeld. „Ich werde mir einen gesunden Mix aus international kompetitiver Forschung und guter Lehre bewahren,“ formuliert Vogel seine Ziele.
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Mit kleinsten RNA-Partikeln Infektionskrankheiten bekämpfen
Sein Forschungsfeld hat sich erst innerhalb der letzten Jahre immer mehr zu einer dynamischen Disziplin entwickelt. Etliche Jahrzehnte fristete die RNA ein Schattendasein in der Forschergemeinde. Man sah sie als Botenstoff der Erbinformation an und gestand ihr eine Assistentenrolle bei der Herstellung von Eiweißen zu. Erst im Jahr 2001 entwich die RNA ihrem Mauerblümchendasein: Forscher entdeckten ein riesiges Reich an kleinen RNA-Partikeln in Bakterien und auch in höheren Organismen – spätestens jetzt war klar, dass die RNA sehr viel mehr auf dem Kasten haben muss. „Heute wissen wir, dass die Anzahl an kleinen regulatorischen RNA-Molekülen in Bakterien fast so groß ist wie die Zahl der regulatorischen Proteine.“ Erst kürzlich veröffentlichte die Arbeitsgruppe um Vogel eine Studie im Fachmagazin Nature Structural & Molecular Biology (2009, Ausgabe 16, S. 840-846) (Publikation als pdf-Download). Die Ergebnisse zeigten erstmalig, dass kleine RNA-Partikel, kurz sRNA genannt, an bestimmte Erbgutsequenzen binden und dadurch die Übersetzung in Eiweiße verhindern können.
Einen großen Erfolg auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten konnte der Wissenschaftler erst jüngst verbuchen: Im Fachmagazin Nature (2010, 17. Februar Online-Vorabveröffentlichung) berichtete Vogel über das für den Menschen gefährliche Magenbakterium Helicobacter pylori, dem Verursacher von Magengeschwüren und Magenkrebs. „Wir konnten erstmalig kleine RNA-Partikel nachweisen, welche die Gene des Erregers regulieren,“ erläutert Vogel. Diese Erkenntnisse können den Wissenschaftlern bei der Entwicklung neuer Impfstoffe helfen. „Falls ich eine Finanzierung für solche Projekte bekomme, dann möchte ich meine Ansätze gern mehr in Richtung Therapie und Synthetische Biologie lenken“ so Vogel.
Autorin: Andrea van Bergen