Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

RNA-Interferenz ermöglicht neue Strategie gegen Grippe

Wissenschaftler haben durch umfangreiche RNA-Interferenz-Tests neue Wirtszellfaktoren identifiziert, die für Influenza-A-Infektionen unerlässlich sind. Zu sehen sind Viren, die nach 18 Stunden nach der Infektion eine menschliche Lungenzelle zerstören. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Wissenschaftler haben durch umfangreiche RNA-Interferenz-Tests neue Wirtszellfaktoren identifiziert, die für Influenza-A-Infektionen unerlässlich sind. Zu sehen sind Viren, die nach 18 Stunden nach der Infektion eine menschliche Lungenzelle zerstören. Quelle: Volker Brinkmann / Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie

22.01.2010  - 

"Grippe - der unterschätzte Killer" betitelte der Stern vor Jahren einmal seine Gesundheitstipps für den Winter.  Tatsächlich führen Infektionen mit Influenzaviren alleine in Deutschland zu mehreren Tausend tödlichen Krankheitsverläufen pro Jahr. Davon sind vor allem Patienten mit geschwächtem Immunsystem betroffen. Neuartige Influenzaviren wie beispielsweise der Neuen Grippe ("Schweinegrippe"), die sich 2009 innerhalb weniger Wochen weltweit ausbreitete, bergen zusätzliche Risiken. Bislang stehen zur Verhütung und Behandlung einer Grippeinfektion ausschließlich Impfstoffe und antivirale Medikamente zur Verfügung, die gegen das Virus selbst gerichtet sind (mehr...). Doch die Viren passen sich schnell an die neuen Medikamente an. Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin berichten nun in Nature (Online-Vorabveröffentlichung, 17. Januar 2010), wie sich Resistenzen möglicherweise vermeiden lassen.


Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

Dossier: Biotechnologie gegen Schweinegrippe

News: Umbruch in der Impfstoffherstellung: Vom Hühnerei zur Zellkultur

Wochenrückblick: Weltweite Grippeviren-Datenbank kommt nach Bonn

Grippeviren benötigen für ihre Vermehrung mehrere Hundert menschliche Proteine

Grippeviren hängen bei ihrer Vermehrung stark von den Eiweißen ab, die in der infizierten Zelle vorkommen. Welche der mehreren hundert verschiedenen Eiweißtypen allerdings von den Viren benutzt werden, war bisher noch wenig bekannt. Die Berliner Max-Planck-Forscher wollten es genau wissen. Mit Hilfe der RNA-Interferenz - damit kann jeweils das Auslesen einzelner Gene gezielt gehemmt und die Entstehung des entsprechenden Eiweißes blockiert werden - wurden Zellen jeweils so präpariert, dass ein Eiweiß in ihnen fehlte. Anschließend wurden die Zellen mit Influenzaviren infiziert und jeweils einzeln beobachtet, wie gut sich die Viren noch vermehren können. Die Forscher um Thomas Meyer und Alexander Karlas wollten herausfinden, wie wichtig das jeweils fehlende Eiweiß für die Krankheitserreger ist. Diese Fleißarbeit ermöglichte es Alexander Karlas, Nikolaus Machuy sowie Thomas F. Meyer gemeinsam mit weiteren Kollegen unter den zirka 24.000 Genen des Menschen insgesamt 287 Gene aufzuspüren, die die Anleitung für Eiweiße tragen, die bei der Virusvermehrung eine Rolle spielen. Wesentlich an dem Projekt beteiligt war auch Nikolaus Machuy. Seit der ersten Folge von biotechnologie.tv erklärt der RNA-Experte in der "Kreidezeit" komplexe Sachverhalte aus der Biotechnologie in 30 Sekunden.

Viele der identifizierten Eiweiße sind für unterschiedliche Influenzaviren gleichermaßen bedeutsam, auch für das neue H1N1 Virus der "Schweinegrippe". In Zusammenarbeit mit Thorsten Wolff vom Robert Koch-Institut wurden auch hoch-gefährliche H5N1 Influenzaviren ("Vogelgrippeviren") untersucht. Seit Herbst 2009 verfügt das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie durch Mittel aus der förderinitiative ERA-Net Pathogenomics über ein Labor der biologischen Sicherheitsstufe 3 (mehr...). Ergebnis der Untersuchungen: Auch die Vogelgrippeviren konnten sich ohne die identifizierten humanen Gene nicht vermehren.

Resistenzen umgehen

Diese sogenannten Wirtszellfaktoren, die für das Zustandekommen und den Verlauf von Influenzainfektionen unerlässlich sind, werden nun am Max-Planck-Institut weiter untersucht. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung von Medikamenten, die diese Wirtszellfaktoren blockieren, ohne nennenswerte Nebenwirkungen hervorzurufen. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Viren dieser Strategie nicht durch eine einfache Gestaltänderung entziehen können. Damit könnte einerseits verhindert werden, dass es zu immer mehr der gefürchteten Resistenzen kommt. Außerdem scheint hier ein grundlegender Mechanismus der Virenvermehrung gefunden zu sein, der auch gegen unbekannte, neue Influenzaviren wirksam sein dürfte.

Vorstellbar ist auch der direkte Weg, also nicht auf ein Medikament zu warten, dass die entsprechenden Gene unterdrückt, sondern mittels der RNA-Interferenz dies direkt in der Zelle bewirken. Mit der Untersuchung derartiger therapeutischer Anwendungen der RNA-Interferenz wurde bereits im Jahre 2004 mit dem von MPI-Direktor Thomas Meyer koordinierten europäischen Forschungsverbund (RIGHT) begonnen. Das medizinische Potenzial der 'Nobelpreis-Technologie des Jahres 2006' (mehr...) haben auch Pharmafirmen erkannt, mit denen das Institut Kontakt hält.

Infektionskrankheiten mit RNA-Interferenz bekämpfen

Mit der sich immer stärker verdichtenden Erkenntnis, dass für den Verlauf von Infektionen beide Seiten, nämlich die des Erregers und die seines Wirts, benötigt werden, eröffnen sich neue Chancen für die Behandlung akuter und chronischer Infektionen. "In der Zukunft wird die Strategie, menschliche Genfunktionen zu bestimmten Zeiten gezielt abzuschalten, eine wichtige Rolle auch bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten einnehmen - neben dem Einsatz von Antibiotika und Impfstoffen", sagt Meyer, der Leiter der Forschergruppe. "Zwar erscheint uns das Ausschalten menschlicher Genfunktionen auf den ersten Blick als problematisch, aber es handelt sich um genau dasselbe therapeutische Prinzip, das wir seit Jahrzehnten zur medikamentösen Behandlung sonstiger Erkrankungen von Krebs bis hin zu lästigen Kopfschmerzen erfolgreich heranziehen. Also warum nicht auch für die Therapie von Infektionskrankheiten?"

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit