EFSA gibt grünes Licht für gv-Stärkekartoffel Amflora
12.06.2009 -
Der seit Jahren andauernde Streit um die europäische Zulassung der gentechnisch veränderte Stärke-Kartoffel Amflora vom Chemiekonzern BASF geht in die nächste Runde. Experten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kamen am 11. Juni in einer Stellungnahme zum Ergebnis, dass es keine negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Umwelt gebe. Damit macht die EFSA den Weg frei für eine Zulassung durch die Europäische Kommission. Doch Umweltkommissar Stavros Dimas, bekannt als Gentechnik-Gegner, will die Entscheidung offenbar auf später vertagen.
Die aktuelle Stellungnahme der EFSA ist eine weitere Etappe im unendlichen Streit um die Stärkekartoffel Amflora. Stärke ist in der Industrie ein wichtiges Produkt: Sie wird unter anderem in der Klebstoffherstellung gebraucht, aber auch in der Papierproduktion oder der Textilstoffindustrie. In Europa stammt die meiste industriell verwendete Stärke aus der Kartoffel. Hier liegen allerdings normalerweise zwei verschiedene Formen von Stärke vor, Amylose und Amylopektin. Letztere ist dabei häufiger gefragt, weil sie über besondere Verdickungs- und Bindungseigenschaften verfügt. Mit Amylopektinstärke beschichtetes Papier erhält mehr Glanz, Beton und Klebstoffe bleiben durch den Zusatz dieser Stärkeform länger verarbeitungsfähig. Eine Trennung von Amylopektin und Amylose ist prinzipiell möglich, jedoch mit einem hohen Energieaufwand verbunden und unwirtschaftlich. Bisher wird daher die gelierende Wirkung der Amylose verringert, indem man sie vor der Anwendung chemisch modifiziert. Das wiederum geht mit erhöhtem Verbrauch von Energie und Wasser einher.
Hintergrund |
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Seit 1996 läuft Zulassungsprozess der BASF
Aufgrund dieser Anwendungsfelder haben Pflanzenbiotechnologen der BASF Plant Science eine gentechnisch veränderte Kartoffel entwickelt, die eine für technische Anwendungen optimierte, reine Amylopektinstärke bildet. Dafür wurde in der Kartoffel der für die Bildung von Amylose verantwortliche Stoffwechselweg gezielt blockiert. Käme diese Kartoffel nun in der industriellen Produktion zum Einsatz, könnten bisherige Aufreinungs- und Trennungsschritte wegfallen, so die Hoffnung.
Zehn Jahre hat die Entwicklung der Kartoffel bei BASF gedauert. So lange hatten die Entwickler in Labor- und Feldversuchen die molekulare Zusammensetzung der Kartoffel analysiert, mit herkömmlichen Knollen verglichen und ihre Wechselwirkung mit der Umwelt unter die Lupe genommen. Um sie in der Industrie einzusetzen, muss die neue Sorte allerdings von der EU zugelassen werden – dies ist jedoch ein langwieriger Prozess.
Im Jahr 1996 hatte BASF erstmals einen Zulassungsantrag eingereicht. Während des europäischen Moratoriums zu gentechnisch veränderten Produkten im Zeitraum zwischen 1998 und 2004 lag der Antrag indes in der Schublade, weil in in der EU keine Zulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen erteilt. 2003 konnte BASF aufgrund geänderter Bestimmungen erneut ein Dossier einreichen. 2006 veröffentlichte die EFSA ihre erste Stellungnahme zu Amflora und bescheinigte der Kartoffel keine Sicherheitsbedenken.
Markergene |
Im Labor dienen sie dazu, diejenigen Pflanzen herauszufiltern, bei denen die gentechnische Veränderung auch geklappt hat. Forscher verwenden hierzu oft Antibiotikaresistenzgene, die an das gewünschte Zielgen gekoppelt werden. Enthalten Zellen diese Gene, sind sie unempfindlich gegenüber dem entsprechenden Antibiotikum. Nach der Gen-Übertragung werden deshalb alle Zellen mit dem Antibiotikum behandelt. Aus den überlebenden Zellen werden dann die gv-Pflanzen gezüchtet. Nach dieser Prozedur haben die Selektionsmarker keine Funktion mehr. Der Einsatz von Antibiotikaresistenzmarkern unterliegt strengen Regeln. |
Streitpunkt Antibiotika-Resistenzgen
Seitdem ist nun die EU-Kommission am Ball. Aufgrund politischer Unstimmigkeiten kam bisher jedoch keine Entscheidung zustande. Dies ist insbesondere auf Umwelt-Kommissar Stavros Dimas zurückzuführen. Diskussionen bereitet insbesondere die Tatsache, dass Amflora ein bestimmtes Markergen namens nptII enthält, mit dem Wissenschaftler im Labor gentechnisch veränderte Pflanzenzellen kennzeichnen. Kritisch daran ist, dass es sich hierbei um ein sogenanntes Antibiotikaresistenzgen handelt, das unter Umständen in der Lage ist, in Bakterien Resistenzen gegen die Antibiotika Kanamycin und Neomycin zu vermitteln.
Kritiker befürchten nun, dass das Gen von den Kartoffeln in den Körper von Menschen oder Tieren gelangen und dort auf Krankheitserreger übergehen könnte. Die Mikroben wären dann gegen diese Antibiotika immun. Aufgrund dieser Bedenken hatte die EU-Kommission deshalb bereits 2007 eine gesonderte Stellungnahme der EFSA zu diesem Thema angefordert. Das Fazit der Experten: Es besteht keine gesundheitliche Gefahr für Tiere oder Menschen durch das Markergen nptII. Im Labor sei ein solcher Transfer unter bestimmten Bedingungen schon beobachtet worden, in der Natur dagegen noch nie, heißt es in der Expertise.
Dennoch kam es auch danach zu keiner Entscheidung durch die EU-Kommission. In der Zwischenzeit hat BASF im Juli 2008 vor dem Europäischen Gericht erster Instanz eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission eingereicht. Trotz positiver Bewertungen der EFSA zögere sie die Zulassung von Amflora hinaus, lautet der Vorwurf. Dimas hatte unterdessen erneut eine EFSA-Stellungnahme zur Frage der Antibiotika-Resistenzmarkergene angefordert. Die nun vorliegende positive Empfehlung ist erstmals nicht einstimmig erfolgt. Dies gibt Gentechnik-Gegnern neue Nahrung. So rief dDie Umweltorganisation Greenpeace die Kommission auf, Amflora nicht zuzulassen. Das Resistenz-Gen gefährde «die Wirksamkeit von wichtigen Antibiotika, die in der Human- und Tiermedizin benötigt werden», warnte Gentechnik-Expertin Stephanie Töwe und warf der EFSA Verantwortungslosigkeit vor. BASF dagegen sieht mit der mehrheitlich positiven Bewertung den Weg für eine Zulassung geebnet. «Die heutige Stellungnahme gibt der gesamten EU-Kommission die abschließende wissenschaftliche Klarheit, um Amflora zuzulassen», sagte Vorstandsmitglied Stefan Marcinowski in Limburgerhof.
Endgültige Entscheidung nicht in Sicht
Derzeit sieht es danach aus, dass die Kommission die Entscheidung erneut verschieben wird. Zu unklar ist die politische Linie quer durch alle Zuständigkeiten und Mitgliedsländer. Vor den Neuwahlen der Kommission scheint sich weder Dimas noch Kommissionspräsident Barroso für die Gentechnik starkmachen zu wollen.
Die grüne Gentechnik ist auch in der Bundesregierung und unter Deutschlands Spitzenpolitikern allgemein umstritten. Während CDU- Politiker wie Forschungsministerin Annette Schavan positiv eingestellt sind, zeigen sich Landwirtschaftsministern Ilse Aigner (CSU) sowie Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) skeptisch.