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Verwirrung um Auflagen für gentechnisch veränderten Mais

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Bundesamt für Verbraucherschutz sorgt mit Bescheid für Verwirrung bei Bauern, die gentechnisch veränderten Mais anbauen. Quelle: Rainer Göttlinger (Abb.)

15.05.2007  - 

Turbulente Wochen in Sachen Grüne Gentechnik: Während immer mehr Neuigkeiten zur konkreten Ausgestaltung der Neufassung des Gentechnik-Gesetzes an die Öffentlichkeit dringen, sorgt ein Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für Verwirrung. Demnach darf der US-amerikanische Saatgutkonzern Monsanto die gentechnisch veränderte Maissorte MON 810 vorerst nicht mehr verkaufen, ohne einen sogenannten Monitoring-Plan vorzulegen. Diese Beobachtungsstudien sind für neuzugelassene gentechnisch veränderte Sorten in Europa seit 2003 verpflichtend, für alte Genehmigigungen galt bislang eine Übergangsfrist. Sowohl Befürworter als auch Gegner der Grünen Gentechnik wundern sich nicht nur über den Zeitpunkt der BVL-Veröffentlichung, sondern auch über die wissenschaftliche Begründung. Für die aktuelle Anbausaison bleibt der Bescheid ohne Folgen.

Maissorten mit dem Kürzel MON 810 enthalten ein Gen aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt). Dadurch ist der Mais in der Lage, einen Eiweißsstoff zu produzieren, der spezifisch die Larven des Schädlings Maiszünsler bekämpft. Dieser Bt-Mais ist derzeit die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die in Deutschland kommerziell angebaut werden darf. Eine Entscheidung darüber, ob der Anbau erlaubt ist, wird in Europa einheitlich geregelt und bedarf einer offiziellen Genehmigung. Wird vom jeweiligen Saatgutunternehmen kein zentralisiertes Verfahren durch die Europäische Kommission beschritten, können nationale Behörden die gültige Genehmigung erteilen, die dann auch europaweit rechtskräftig ist. Für MON 810 hatte die nationale französische Behörde im Jahr 1998 die europaweite Zulassung ausgesprochen. Erst im Jahr 2005 hatte erstmals eine deutsche Behörde, das Bundessortenamt, drei Bt-Maissorten zugelassen. Zuvor war bereits der Anbau von 17 gv-Maissorten rein rechtlich gesehen in Deutschland möglich. Diese Sorten waren jedoch meist nicht speziell für die hiesigen Klimaverhältnisse entwickelt.

Im Jahr 1999 hatten die zuständigen Minister aller EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, dass es künftig verpflichtende Beobachtungsprogramme zu den Umweltauswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen geben soll. In der Folge sind sogenannte Monitoring-Pläne seit 2003 für alle neuen Genehmigungen in Europa verpflichtend. Für Sorten, die vor diesem Stichtag zugelassen wurden und keinen solchen Plan vorweisen können, galt bislang eine Übergangsfrist.

Anfang Mai hat nun das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) einen Bescheid für den Saatgutkonzern Monsanto veröffentlicht, wonach ab sofort ein Monitoring-Plan vorgelegt werden muss, damit gentechnisch veränderter Mais zu kommerziellen Zwecken verkauft werden kann. Bereits an Landwirte abgegebenes und ausgesätes Saatgut sei von dieser Regelung allerdings nicht betroffen, heißt es in der Presseerklärung.

Zeitpunkt der Veröffentlichung verwirrend

Insbesondere der Zeitpunkt des Bescheides hat sowohl bei Monsanto selbst, als auch bei Landwirten und Gentechnik-Gegnern für Verwirrung gesorgt. Das Saatgut für 2007 ist längst verkauft und zum großen Teil bereits auf den Feldern. Für den diesjährigen Anbau mit Bt-Mais, der laut Standortregister des BVL insgesamt rund 3200 Hektar umfasst, hat der Bescheid somit keine Folgen mehr. Warum die Veröffentlichung ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt erfolgte, wird nicht konkret begründet. Stattdessen wird in der Presseerklärung auf ein Auslaufen der Übergangsfrist im Oktober 2006 verwiesen und mit folgendem Statement ergänzt: "Im Zusammenspiel mit neueren EU-Regelungen wurde diese Verpflichtung zum Monitoring für Altgenehmigungen hinausgeschoben." 

Wissenschaftliche Begründung löst Überraschung aus

Überraschung hat auch die wissenschaftliche Begründung des Bescheides ausglöst, wonach „auf der Grundlage neuer oder zusätzlicher Erkenntnisse ein berechtigter Grund zur Annahme besteht, dass der gentechnisch veränderte Organismus eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt.“ Als Beleg für diese Aussage werden eine Reihe von Studien angeführt. Ergebnisse von Untersuchungen, die im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Sicherheitsforschung in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden, sind darin jedoch nicht berücksichtigt worden. Gleiches gilt für eine Reihe von anderen aktuellen Studien.

Mehr Informationen zur Bewertung der angeführten Studien finden Sie hier

Die Reaktionen auf diese Kehrwende in der Sicherheitsbewertung von Bt-Mais erfolgte prompt. Während viele wissenschaftliche Experten ihre Verwunderung äußerten und das Vorgehen der Behörde auch öffentlich kritisierten, gingen Gentechnik-Gegner noch einen Schritt weiter.  „Nach einer solchen Einschätzung müsste der Anbau eigentlich sofort gestoppt werden“, sagte Ulrike Brendel von der Umweltorganisation Greenpeace in der Süddeutschen Zeitung:

Wahrscheinlich ist jedoch, dass der Bescheid gar keine Auswirkungen haben wird. So sei die Einreichung eines Monitoring-Planes überhaupt kein Problem, versichert Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder. Zudem habe der Konzern bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits einen neuen Antrag auf Zulassung von MON 810 gestellt, der einen Beobachtungsplan enthalte. Die bisherige Zulassung war nach zehn Jahren automatisch abgelaufen. Wenn die Firma die EU-Genehmigung bis 2008 erhält, bleibt der Bescheid des BVL ohne Folgen.

Novelle des Gentechnik-Gesetzes nimmt konkrete Formen an

Unterdessen nimmt die Novelle des Gentechnik-Gesetzes langsam konkrete Formen an. So ist in den vergangenen Wochen ein Referentenentwurf an die Öffentlichkeit gelangt, der die Ausgestaltung der geplanten Gesetzesänderungen konkretisiert. Im Wesentlichen folgt der Entwurf dabei den Positionen des Ende Februar vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunktepapiers. Demnach soll der bürokratische Aufwand für Forschungsfreisetzungen mit gentechnisch veränderten Organismen, mit denen bereits ausreichend Erfahrung gesammelt worden sind, erheblich erleichtert werden. Weniger Bürokratie ist auch bei der Anmeldung von Arbeiten mit gentechnischen Anlagen vorgesehen. Was den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen angeht, so werden pflanzenspezifische Regeln der guten fachlichen Praxis definiert. Dies betrifft sowohl Mindestabstände als auch die Lagerung, die Beförderung, die Ernte sowie eingesetzte Gegenstände, aber auch den Kontakt zu den jeweiligen Nachbarn. Für gv-Mais, der sich bereits im kommerziellen Anbau befindet, wird ein pflanzenartspezfischer Mindestabend von 150 Meter als Vorgabe festgelegt. Derzeit befindet sich der Entwurf in Abstimmung zwischen dem BVL, dem Bundeslandwirtschaftsministerium und dem Bundesforschungsministerium. Industrievertreter gehen davon aus, dass im November dieses Jahres eine Novelle beschlossen sein könnte.

 

Biosicherheit

Mehr Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderte Organismen

Sie suchen ausführliche Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderter Organismen? Die Webseite biosicherheit.de hat hierzu ein umfangreiches Angebot. Zum aktuellen BVL-Bescheid gibt es eine ausführliche Disskussion der zitierten Studien. Mehr


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