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Ute Krämer: Den Mechanismen pflanzlicher Metallfresser auf der Spur

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Biochemikerin Dr. Ute Krämer hat es auf Pflanzen abgesehen, die einen ausgeprägten Appetit auf Metall entwickelt haben. Quelle: MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie

22.05.2006  - 

Ute Krämer ist keine Wissenschaftlerin, die ihre Karriere von Anfang an geplant hat. Eher zufällig geriet die Biochemikerin vor über zehn Jahren in Oxford, Großbritannien, an ihr heutiges Spezialgebiet: Pflanzen, die Schwermetalle in hohen Konzentrationen aus dem Boden ziehen und in ihren Blättern anreichern können. Inzwischen hat die 36-Jährige entscheidend dazu beigetragen, die biochemischen Vorgänge dieser natürlichen Metallfresser besser zu verstehen. Die Grundlagenforscherin ebnet damit Stück für Stück den Weg, metallverseuchte Böden auf natürliche Weise zu reinigen.

Als Kind im niedersächsischen Weserbergland hätte sich Ute Krämer nie vorstellen können, Forscherin zu werden. „Das war für mich damals einfach ganz fern“, erinnert sie sich heute. Dennoch merkte Ute Krämer schon damals, dass es vor allem die Fächer Biologie und Chemie waren, die sie am meisten begeisterten. Nach dem Abitur stand daher fest: Das Biochemie-Studium in Hannover müsste das Richtige sein. Doch wirklich wohl fühlte sich Ute Krämer nicht. Das Pauken von Grundlagen war nicht ihre Leidenschaft: „Ich lerne schneller und besser, wenn ich mit Haut und Haaren in einem Problem drinstecke.“ Aufgerüttelt und vom Forscherehrgeiz gepackt wurde sie schließlich im britischen Oxford. Dorthin ging sie mit einem Stipendium nach dem Vordiplom, und bei der Suche nach einem interessanten Promotionsthema wurde die junge Studentin schließlich fündig: „Mein zukünftiger Doktorvater erzählte mir beim Vorstellungsgespräch von Pflanzen, die auf Metall kontaminierten Böden wachsen und diese Stoffe anreichern können. Das machte mich sofort neugierig.“

Pflanzen mit ausgeprägtem Appetit auf Metall

Bislang sind ungefähr 400 Pflanzenarten bekannt, die auf stark metallhaltigen Böden gedeihen und die die hochgiftigen Stoffe sogar in ihren Blättern speichern können. Die Mehrheit dieser so genannten Metall-Hyperakkumulatoren hat sich dabei auf Nickel spezialisiert. Andere haben eine Vorliebe für Kobalt, Kupfer, Mangan, Zink oder Cadmium entwickelt. Manche können dabei bis zu vier Prozent ihres Trockengewichtes in Metall anlegen. Wie die Pflanzen solch hohen Dosen in ihrem Stoffwechsel überhaupt überleben können, ist noch immer nicht ganz geklärt. Sicher ist, dass es ein hochkomplexer Vorgang ist: Die Pflanzenwurzeln müssen die Metalle nicht nur aus dem Boden herauslösen, sondern auch auf andere Pflanzenorgane verteilen, in ihr Leitungswerk einspeisen und in der Vakuole, einem wassergefüllten Speicherraum, in den Blättern ablagern. Damals in Oxford hat Ute Krämer in ihrer Promotion bei J. Andrew C. Smith am Department of Plant Sciences einen ersten Ansatzpunkt entdeckt: Offenbar gibt es erhöhte Mengen an Molekülen einer Aminosäure, genannt Histidin, die die über die Wurzel aufgenommen Metallionen so verpacken, dass sie entgiftet und im Leitungswerk der Pflanze in hohen Mengen in die Blätter transportiert werden können. Ein Erfolg, der ihr als junge Forscherin sofort eine Publikation im renommierten Fachmagazin Nature einbrachte. „Nie hätte ich gedacht, mit soviel Forscherlust im Labor zu stehen“, erinnert sie sich noch heute an ihre Zeit in England zurück.

Dermaßen motiviert setzte Ute Krämer damals ihre Arbeit in Amerika fort. Mithilfe eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdiensten (DAAD) ging die junge Deutsche an die Rutgers University in New Brunswick, New Jersey. „Anders als in Deutschland gibt es dort strenge Gesetze zur Reinigung vergifteter Böden, deshalb hatte und hat die Pflanzenforschung auf diesem Gebiet dort einen höheren Stellenwert“, sagt Krämer. Ziemlich schnell warf sie auch ihre antiamerikanischen Vorurteile über Bord: „Die Amerikaner können unglaublich produktiv und zielgerichtet arbeiten.“ Auch für sie persönlich hat sich der weite Weg gelohnt: Mit zwei Erstautor-Publikationen ebnete sie damals ihrer eigenen Laufbahn den Weg.

Dank BioFuture wissenschaftliche Laufbahn gesichert

Der führte Ute Krämer trotz ihrer Begeisterung für die Forschungsbedingungen in Übersee wieder zurück nach Deutschland. Und schon nach kurzer Zeit, im Jahr 2000, konnte sich die Biochemikerin schließlich beim BioFuture-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchsetzen – als eine der wenigen Pflanzenforscher unter den Preisträgern. Mit den BioFuture-Geldern, die über fünf Jahre gezahlt wurden, konnte sie sich eine eigene Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm aufbauen und weiter ins Dickicht der Faktoren vordringen, die die Metalltoleranz der Pflanzen beeinflussen. „Dank BioFuture konnte ich diese Art von Forschung überhaupt fortsetzen. Ohne dieses Programm hätte ich meine wissenschaftliche Laufbahn in Deutschland vor einigen Jahren beenden müssen“, sagt Ute Krämer heute.

Inhaltlich hat die Biochemikerin damals wie heute vor allem Schlüsselgene im Visier. Als Modellpflanze nutzt Ute Krämer Arabidopsis halleri, eine Pflanze mit ausgeprägtem Zinkhunger. Genetisch gleicht sie bis zu 94 % einer anderen Modellpflanze – der Ackerschmalwand Aradopsis thaliana – deren Genom bereits seit einigen Jahren vollständig entschlüsselt ist. „Auf diese Weise müssen wir nicht alles neu erfinden und können mit dort entwickelten Methoden und im Abgleich beider Pflanzen besser nach entscheidenden Genen fahnden“, erläutert sie. Bisher haben Ute Krämer und ihr Team bereits einige interessante Gene gefunden. Offenbar sind dort Baupläne von Eiweißen gespeichert, die eine wichtige Rolle bei der Metalltoleranz von Arabidopsis halleri spielen. Dabei stehen vor allem zwei Eiweiße im Mittelpunkt des Interesses: Eines transportiert Zinkionen in die Zellvakuolen hinein und entgiftet die Metallionen auf diese Weise. Das andere sorgt dafür, dass Zink- und Cadmiumionen aus einzelnen Zellen wieder hinauskommen und dient damit wahrscheinlich sowohl zur Entgiftung der Metalle als auch zu einen verstärkten Transport der Metallionen von der Wurzel in oberirdische Pflanzenteile.

In den vergangenen fünf Jahren haben die Forscher nun vor allem auch die Werkzeuge dafür entwickelt, um abschließend und direkt feststellen zu können, wie groß die Beteiligung der Gene ist, die die Baupläne für diese Transporterproteine enthalten. In den kommenden drei bis fünf Jahren intensiver Arbeit, so hofft Ute Krämer, wird dann klar sein, ob diese Gene tatsächlich eine Schlüsselfunktion inne haben und ob sich die extremen Fähigkeiten von Arabidopsis halleri auf einige wenige Gene reduzieren lassen.

Langer Weg zum Einsatz als Bodenreiniger

Wenn diese Hürde geschafft ist, geht es jedoch erst richtig los. Arabidopsis halleri produziert nämlich nur eine geringe Biomasse – trotz extrem hoher Metallkonzentrationen in den Blättern wäre sie deshalb für einen kommerziellen Einsatz als Bodenreiniger nicht geeignet. Demzufolge müssten die Forscher einen Trick anwenden und die metallfressenden und metallspeichernden Eigenschaften von Arabidopsis halleri auf Pflanzen transferieren, die viel Biomasse produzieren können. „Bislang konnte man diese Fähigkeit in „normalen“ Pflanzen durch Gentransfer höchstens auf das Zweifache hochschrauben. Kommerziell wird es aber erst ab der zehnfachen Menge interessant, besser wäre das 100fache“, gibt die Biochemikerin zu Bedenken. Für einige Böden könnte das bereits ausreichen. Vielerorts wäre es mit einer einzigen solchen Pflanze jedoch nicht getan: schließlich sind für mit unterschiedlichen Metallen kontaminierte Böden auch unterschiedliche Metallfresser nötig.

Wirtschaftlich interessant sind solche Methoden natürlich vor allem für jene Länder, die viele verunreinigte landwirtschaftliche Flächen haben und diese entgiften müssen, um die massive Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung einzudämmen: Indien, China, Polen. In Deutschland wiederum ist das Interesse derzeit gering – es gibt weder entsprechende gesetzliche Auflagen zur Bodenreinigung noch die wirtschaftliche Notwendigkeit, auch kontaminierte Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. Aufgrund dessen sind Mittel für diese Art von Pflanzenforschung derzeit nicht üppig gesät. Ute Krämer versucht deshalb, mit möglichst vielen anderen Forschergruppen eng zusammenzuarbeiten, die an ähnlichen Themen arbeiten. „Das ist der effizienteste Weg, bei knappen Mitteln den Erkenntnisstand voranzubringen“, sagt sie.

Ihr Hauptaugenmerk liegt jedoch nicht allein in der Anwendung ihrer Forschungsergebnisse. „Wir müssen erst besser verstehen, wie die Natur tickt und können dann angemessene Strategien für die Bodensanierung entwickeln,“ findet die Wissenschaftlerin. Sehr froh ist sie darüber, dass in der Forschung vieles sowieso kaum vorhersehbar ist: „Wir wissen nie, wohin die Reise geht. Deshalb besteht immer auch die Möglichkeit, dass eines Tages Anwendungen entstehen, die wir heute noch gar nicht absehen können.“

 

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