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Eckpunktepapier zur Gentechnik von Kabinett beschlossen

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Wer gentechnisch gezüchteten Mais anbaut, hat derzeit eine relativ unsichere Rechtslage zu verkraften, die durch eine Novellierung des Gentechnik-Gesetzes beseitigt werden soll. Quelle: Rainer Göttlinger (Abb.)

02.03.2007  - 

Nach langwieriger Debatte ist nun zumindest eine Hürde zur Verabschiedung eines neuen Gentechnik-Gesetzes genommen: Ein von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer im Kabinett vorgelegtes Eckpunktepapier wurde am 28. Februar beschlossen. Damit hat die Regierung nun eine Diskussionsvorlage für einen möglichen Gesetzesentwurf geschaffen. Das Papier sieht dabei etwa vor, dass zwischen Feldern mit gentechnisch verändertem Mais und konventionellem Anbau künftig ein Abstand von 150 Metern gelten soll - allerdings wird dies ausdrücklich als Meinung des Bundeslandwirtschaftsministeriums ausgewiesen. In der Frage der lange umstrittenen Haftungsfrage soll es weder eine Versicherungslösung noch einen von den Beteiligten geschaffenen Ausgleichsfonds geben. Stattdessen wird eine Selbstverpflichtung angestrebt, die die Landwirte von Haftungsrisiken entlastet, wenn Schäden durch den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen entstehen sollten. Darüber sollen auch Schäden geregelt werden, bei denen der Verursacher nicht eindeutig zu klären ist.

Auf die endgültige Ausgestaltung des Eckpunktepapiers hatten alle Beteiligten seit langem gewartet und schon im Rahmen der Grünen Woche erreichten die Diskussionen erneut ihren Höhepunkt. Nun hat das Kabinett mit seinem Beschluss die Vorgaben festgelegt, ein Gesetzesentwurf steht allerdings immer noch aus. Was jetzt vorliegt, ist eine Diskussionsvorlage von Seiten der Regierung, auf deren Basis sich die Parteien letztlich über die tatsächliche Ausgestaltung in einem Gesetzesentwurf einigen können.

Regeln der guten fachlichen Praxis festlegen

Demnach sollen für Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen wollen, Regeln der guten fachlichen Praxis definiert werden. Dies betrifft sowohl Mindestabstände als auch die Lagerung, die Beförderung, die Ernte sowie eingesetzte Gegenstände, aber auch den Kontakt zu den jeweiligen Nachbarn. Für gv-Mais, der sich bereits im kommerziellen Anbau befindet, wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium ein pflanzenartspezfischer Mindestabend von 150 Meter als Vorgabe vorgeschlagen – hiermit würde sich Deutschland europaweit im Mittelfeld befinden, heißt es. Während in manchen Ländern bis zu 400 Metern (Ungarn) oder 800 Metern (Luxemburg) gelten, sind in anderen deutlich geringere Werte vorgegbene: 70 Meter (Tschechien) oder 25 Meter (Niederlande). Im Eckpunktepapier wird jedoch darauf hingewiesen, dass das neue Gentechnikgesetz jedoch auch die Möglichkeit eröffnen soll, dass durch private Absprachen und mit Zustimmung der jeweils betroffenen Nachbarn auch geringere Abstände vereinbart werden können und die aktuelle Zahl mit zunehmendem Erkenntnisfortschritt einer künftigen Anpassung unterliegt. Kritiker, insbesondere aus den Reihen der SPD hatten hier weitaus größere Abstände gefordert.

Schwellenwert soll bei 0.9 Prozent liegen

Was die strittige Frage der Haftung betrifft, so werden im Eckpunktepapier eine Versicherungslösung sowie ein Haftungsfonds ausgeschlossen. Wie es im Papier heißt, streben die Wirtschaftsverbände der Pflanzenzucht- und Biotechnologieunternehmen stattdessen eine Selbstverpflichtung an, die die Landwirte von Haftungsrisiken für Schäden entlastet, die trotz der Einhaltung der guten fachlichen Praxis nicht vollständig auszuschließen sind. Wie bisher auch sollen diejenigen Landwirte, die durch den gv-Anbau einen Schaden erleiden, in jedem Fall einen Entschädigungsanspruch erhalten – egal, ob festgestellt werden kann, wer dafür verantwortlich ist. Für dieses gesamtschuldnerische Haftungsrisiko soll dann im Rahmen der Selbstverpflichtung aufgekommen werden. Da es bisher jedoch interpretatorische Unsicherheiten im Gesetz gab, für welche Fälle von Beeinträchtigungen eine Haftung gelten soll, ist jetzt angedacht, eine abschließende Aufzählung aufzunehmen. Um Koexistenzmaßnahmen auszugestalten, ist zudem die Festschreibung eines Schwellenwertes für den Anteil von gentechnisch veränderten Bestandteilen im Saatgut vonnöten. Im Eckpunktepapier wird deutlich gemacht, das sich Deutschland an einem europaweit gültigen Wert ausrichten will, der aktuell bei 0,9 Prozent liegt. Hier hatten Kritiker zuvor einen deutlich niedrigeren Wert gefordert.

Erleichterungen für Forschungsfreisetzungen angedacht

Für Forschungsfreisetzungen sieht das Eckpunktepapier einige Präzisierungen bislang strittiger Punkte vor. So soll beispielsweise ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren als Dauerrecht festgeschrieben werden. Hierdurch sollen Forschungsvorhaben mit gentechnisch veränderten Organismen, mit denen bereits ausreichend Erfahrungen gesammelt worden sind, deutlich erleichert werden. Unklar war bisher, wie dabei mit möglichen Auskreuzungen umgegangen werden soll, die im Rahmen von Forschungsfreisetzungen entstehen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte geprüft, ob man solche Ernteprodukte vom Erfordernis einer Inverkehrbringensgenehmigung befreien könnte. Hier habe die Europäische Kommission jedoch klar gemacht, dass sie darin einen Verstoß europäischen Rechts sehen würde, heißt es dazu im Eckpunktepapier. Stattdessen wird nun offenbar eine Regelung auf Vollzugsebene angestrebt. Eine Verwertung von Ernteprodukten, die GVO-Anteile aus einer Forschungsfreisetzung enthalten, soll zugelassen werden, solange sichergestellt ist, dass die GVO nicht in die Lebensmittel- und Futtermittelkette gelangen und ihre Vermehrungsfähigkeit verlieren (z.B. dthermische oder industrielle Verwertung). Bei Freisetzungen, die mit öffentlichen Bundesmitteln finanziert werden, soll geprüft werden, ob Haftungsfälle durch den Bund abgedeckt werden können.

Des weiteren ist geplant, für Arbeiten mit gentechnischen Anlagen Verfahrenserleichterungen vorzunehmen. Bisher sind diese Anlagen in vier Sicherheitsstufen (S1 bis S4) eingeteilt und künftig soll es etwa bei der Sicherheitsstufe S1 ausreichen, wenn gentechnische Arbeiten angezeigt statt angemeldet werden. Der Betreiber soll dann nach der Anzeige sofort mit seinen Arbeiten beginnen können. Darüber hinaus sollen Ausnahmemöglichkeiten, die derzeit im Gentechnikgesetz für als sicher eingestufte gentechnisch veränderte Mikroorganismen gelten, auch auf andere GVO ausgedehnt werden, die dieselben Sicherheitsanforderungen erfüllen und in gentechnischen Anlagen verwendet werden.

Nur begrenzte Informationen im Standortregister

Alle mit gv-Pflanzen bewirtschafteten Flächen – sei es in der Forschung oder zu kommerziellen Zwecken - müssen auch weiterhin in das Standortregister beim Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) angemeldet werden. Allerdings sind für die allgemeine Öffentlichkeit nur noch Angaben zur jeweiligen Gemarkung zugänglich, nicht mehr zum exakten Flurstück. Dies soll eventuellen Feldzerstörungen zuvorkommen und etwaigen Aktionen vorbeugen. Allerdings soll jedem, der ein nachvollziehbares Interesse darlegen kann – dies gilt insbesondere für die Nachbarn und Imker in der betroffenen Region – Auskunft über das tatsächliche Grundstück erteilt werden.

Auf europäischer Ebene sollte darüber hinaus eine Kennzeichnung aller pflanzlichen und tierischen Produkte, die unter Einsatz von GVO hergestellt worden sind, angestrebt werden. Dabei wird jedoch eine praktikable und unbürokratische Lösung anvisiert. Nach geltendem EU-Recht ist beispielsweise Honig aus der Kennzeichnungspflicht ausgenommen, da ein eventueller Anteil von gentechnisch verändertem Pollen im Gesamtprodukt kaum vermeidbar ist – aber in bisherigen Messungen stets deutlich unter dem Schwellenwert von 0,9 Prozent lag.

Erst vergangene Woche hatten deutsche Imker angekündigt, vor den Verwaltungsgerichten der Bundesländer zu klagen. Damit wollen sie erreichen, dass die zuständigen Lebensmittel- und Gentechniküberwachungsbehörden sich verpflichten sicherzustellen, dass Pollen gentechnisch veränderter Maissorten nicht in den Honig gelangen kann. „Realistischerweise wird dies nur möglich sein, wenn im Umfeld von Bienenstöcken, keine gv-Pflanzen angebaut werden, oder wenn der Mais geerntet wird, bevor er anfängt zu blühen“, sagte der Berliner Anwalt Achim Willand, der die Bienenzüchter vertritt, gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Ob letzterer Punkt allerdings umsetzbar ist, scheint fraglich - kaum ein Landwirt wird sich um seine eigentliche Ernte bringen lassen wollen.

 

Biosicherheit

Mehr Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderte Organismen

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