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Leopoldina: Synthetische Biologie stellt Frage nach dem Leben

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Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in ihrer Rede die wichtige Rolle der Leopoldina in der Politikberatung. Quelle: David Ausserhofer/Leopoldina

27.09.2011  - 

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ist seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften. In dieser Funktion berät sie die Politik zu strittigen wissenschaftlichen Themen. Erst Anfang des Jahres  hatte sie beispielsweise eine Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik vorgelegt (mehr...). Auf ihrer Jahrestagung 2011 spürte die Akademie nun der Frage nach dem Leben nach. Mehr als 500 Gäste und Akademiemitglieder trafen sich dafür vom 23. bis zum 25. September in Halle (Saale). Neben mehreren Nobelpreisträgerinnen hatte sich auch die hohe Politik angemeldet: Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnete die Versammlung mit einem Festvortrag und verwies auf die Wichtigkeit der ältesten deutschen Gelehrtengesellschaft.

 

Was ist Leben? Auf den ersten Blick eine relativ einfach zu beantwortende Frage. Treffen jedoch Naturforscher, Sozialwissenschaftler, Mediziner und Philosophen aufeinander, dann geht es schnell um die Grundsätze der Gesellschaft. Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina hat sich auf ihrer Jahrestagung dieser Frage angenommen. Mehr als 500 Gäste aus aller Welt konnte Akademiepräsident Jörg Hacker vom 23. bis 25. September in Halle an der Saale begrüßen. 

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Politikberatung ist wichtige Aufgabe

Die Leopoldina sei eine besonders bedeutsame Einrichtung, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Festrede zur Eröffnung der Jahresversammlung. Als Nationale Akademie der Wissenschaften gehöre die Politikberatung zu den vornehmsten Aufgaben der Gelehrtengesellschaft, sagte sie. Die Frage „Was ist Leben?“, mit der die diesjährige Versammlung überschrieben war, beantwortete die Kanzlerin mit einem Augenzwinkern: „Auch Politiker führen ein Leben – manchmal sogar ein sehr schönes.“ Wenig später wurde sie aber wieder ernst. Im vergangenen Jahr sei der Leopoldina vor allem beim Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) eine tragende Rolle zugefallen. Die Akademie hatte sich in einer Stellungnahme für eine behutsame PID-Zulassung in Deutschland ausgesprochen. Nach einer emotionalen Debatte wurde im Bundestag schließlich ein Gesetz verabschiedet, das die PID in engen Grenzen erlaubt (mehr...). „Auch wenn ich mich persönlich anders entschieden habe, hat die Empfehlung wesentlichen Einfluss auf die Beratungen im Bundestag gehabt“, sagte Merkel nun in Halle. Entscheidungen hingen oftmals nicht nur von der Wissenschaft ab, sollten aber auch nicht konträr zu ihren Ergebnissen erfolgen, so die Bundeskanzlerin: „Das würde uns ärmer machen.“ Akademiepräsident Hacker erinnerte Merkel daran, dass Deutschland auf dem Weg zur Wissensrepublik nicht nur stabile materielle Rahmenbedingungen brauche. „Wissenschaft braucht Freiheit, diese muss mit Augenmaß in großer Verantwortung wahrgenommen werden“, forderte der Mikrobiologe und versprach: „Wir wollen auch in Zukunft zu wichtigen Themen kompetent, schnell und ausgewogen Stellung nehmen.“

 

Leopoldina-Präsident Jörg Hacker gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Rainer Haseloff.Lightbox-Link
Leopoldina-Präsident Jörg Hacker (li.) gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Rainer Haseloff (re.).Quelle: David Ausserhofer/Leopoldina

Die sich an die feierliche Eröffnung anschließende Versammlung stand dann wieder ganz im Zeichen der Wissenschaft. Aus vielen unterschiedlichen Perspektiven wurde die Frage nach dem Leben angegangen. Die Ribosomen-Expertin Ada Yonath vom Weizmann-Institut in Israel, rückte die „Fabriken des Lebens“, die Ribosomen, in den Fokus ihres Vortrages. „Ribosomen sind die universellen zellulären Maschinen, sie übersetzen den genetischen Code in funktionierende Proteine.“ Möglich wird dies nur durch ihre komplexe räumliche Struktur. Für ihre Arbeiten zu diesem Thema ist Yonath 2009 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet worden (mehr...). Für die Kristallographieexpertin stellen die Ribosomen aber auch eine besondere Hürde für die Synthetische Biologie dar. Während sich Proteine oder DNA inzwischen künstlichen herstellen lassen, glaubt Yonath nicht, dass dies bei den Ribosomen auch gelingen kann. Dafür seien die Zellorganellen einfach zu kompliziert. Viele Mechanismen müssten fein ineinandergreifen, damit die Ribosomen funktionieren, so die Forscherin.

 

Mehr als 500 Teilnehmer reisten für die Jahresverssammlung der Leopoldina nach Halle.Lightbox-Link
Mehr als 500 Teilnehmer reisten für die Jahresverssammlung der Leopoldina nach Halle.Quelle: David Ausserhofer/Leopoldina

Ist ein chemisch zusammengesetzter Organismus lebendig?

Auch Leopoldina-Mitglied Eckard Wimmer, Professor an der State University of New York at Stony Brook, beschäftigte sich mit der Synthetischen Biologie. In seinem Vortrag konzentrierte er sich auf die Frage, ob chemisch zusammengesetzte Organismen lebendig seien. Spätestens jedoch als der US-amerikanische Gentechnik-Pionier Craig Venter im Frühjahr 2010 meldete, er habe künstliches Leben geschaffen, indem er ein vollständiges künstliches Genom erzeugt habe, hat die Diskussion auch die breite Öffentlichkeit erreicht (mehr…). Der Virologe Wimmer legte in Halle nun seine Sicht der Dinge dar. „Diese Arbeit ist ein Meisterwerk der DNA-Synthese und Zellbiologie eines bakteriellen Zellkadavers, aber die Schöpfung von neuem Leben ist es nicht.“ Und doch gibt es auch hier Grauzonen. Bei Viren zum Beispiel herrscht Uneinigkeit darüber, ob es sich um Lebewesen handelt oder nicht – auch die fortschreitende Entwicklung der Synthetischen Biologie könnte eines Tages in diese Bereiche vorstoßen, ist sich Wimmer sicher: „Gleichwohl weisen die Experimente mit Viren und Bakterien auf die unglaublichen Möglichkeiten der Synthetischen Biologie hin, lebendige Organismen zu verändern oder ganz neue Wesen zu kreieren“.

 

Neben den wissenschaftlichen Vorträgen blieb auch genügend Zeit, um alte Freundschaften zu erneuern und neue Bekanntschaften zu schließen.Lightbox-Link
Neben den wissenschaftlichen Vorträgen blieb auch genügend Zeit, um alte Freundschaften zu erneuern und neue Bekanntschaften zu schließen.Quelle: David Ausserhofer/Leopoldina

Eckhard Wolf, Reproduktionstiermediziner vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München, sprach in Halle wiederum über die Perspektiven der Tier-Biotechnologie für die biomedizinische Forschung. Die klassische Technik zur Erzeugung gentechnisch veränderter Nutztiere, die DNA-Mikroinjektion in Vorkerne befruchteter Eizellen, sei nicht zielgerichtet, wenig effektiv und teuer. Wolf stellte in Halle nun neu entwickelte Techniken vor. Dabei werden spezielle Genfähren genutzt, sogenannte lentivirale Vektoren, um Zellen bereits in Kultur zielgerichtet mit der gewünschten Erbinformaton auszurüsten. „Damit ist heute bei Großtieren, insbesondere beim Schwein, ein ähnliches Spektrum an Möglichkeiten der genetischen Modifikation verfügbar wie für das etablierte Modelltier Maus“, sagte Wolf.

Leopoldina

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft in Deutschland. Sie wurde im Jahr 1652 in Schweinfurt gegründet und hat seit 1878 ihren Sitz in Halle (Saale). Seit 2008 ist die Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaften.

Zur Homepage der Leopoldina: hier klicken

Bei der Versammlung in Halle kamen aber auch Experten außerhalb der Naturwissenschaften zu Wort. Der Theologe Richard Schröder sprach in der „Leopoldina-Lecture“ über den Status des menschlichen Embryos vor Beginn der Schwangerschaft. Gerade in Bezug auf die Möglichkeiten der PID hatte dieses Thema in den vergangenen Monaten auch politisch hohe Wellen geschlagen. „Die Frage ‚Wann beginnt menschliches Leben?’ ist schlampig gestellt“, kritisiert Schröder. So sei völlig unklar, was genau gemeint sei. Gerade im Zuge der PID-Diskussion sei die befruchtete Eizelle häufig dem Menschen gleichgestellt worden. „Da auf natürlichem Wege 70 Prozent der befruchteten Eizellen verloren gehen, müssten diejenigen, die die befruchtete Eizelle dem geborenen Menschen rechtlich gleichstellen, den Satz unterschreiben: Die meisten Menschen werden nie geboren“, sagte Schröder – und warnt vor dieser Interpretation: „So hatten wir das Wort Mensch bisher nicht verstanden.“

© biotechnologie.de/bk 

 

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