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Tabakpflanzen als Impfstofffabriken

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Den Fraunhofer-Forschern ist es gelungen, gentechnisch modifizierte Tabakpflanzen zur Produktion von Arzneimitteln zu nutzen. Quelle: Dirk Mahler/IME

02.08.2011  - 

Forschern vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Aachen ist es nun erstmals gelungen, einen in gentechnisch modifizierten Tabakpflanzen hergestellten Wirkstoff in die klinische Entwicklung zu bringen. Anfang Juli fiel der Startschuss, um einen gegen HI-Viren gerichteten Antikörper an gesunden Frauen in Großbritannien zu testen. Für die Entwicklung des neuartigen Tabaks hatten sich mehr als 30 Partner im EU-Projekt Pharma-Planta zusammengeschlossen.

Medizin aus Pflanzen – die meisten denken dabei an Baldriantee oder Kamillecremes. Dabei haben Biotechnologen die Pflanze schon lange als natürlichen Bioreaktor zur Medikamentenproduktion im Blick (mehr…). Forscher um Rainer Fischer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME in Aachen, haben nun eine ganz besondere Tabakpflanze gezüchtet. Indem die Gensequenz für einen HIV-Antikörper in das Erbgut eingeschleust wurde, nutzen die Wissenschaftler die Pflanze als grüne Proteinfabrik. Aus den geernteten Pflanzen wird der Wirkstoff isoliert und zu einem Vaginalgel verarbeitet, das Frauen vor einer Infektion mit dem AIDS-Erreger schützen soll.

 

Um die Antikörper aus den Pflanzen zu gewinnen, werden die Inhaltsstoffe aus den Tabakblättern extrahiert.Lightbox-Link
Um die Antikörper aus den Pflanzen zu gewinnen, werden die Inhaltsstoffe aus den Tabakblättern extrahiert.Quelle: IME

Das ist eine Premiere: Zum ersten Mal werden Antikörper, die in Tabakpflanzen produziert wurden, in klinischen Versuchen getestet. Die britische Behörde „UK Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency“ (MHRA) hat dem Beginn einer entsprechenden Phase I-Studie Anfang Juli zugestimmt. „Die Zustimmung durch die zuständige Genehmigungsbehörde MHRA ist ein wichtiger Schritt hin zur Produktion von Pharmazeutika in Pflanzen«, erklärte Fischer bei einer Pressekonferenz in London. Eine Untersuchung an elf gesunden Frauen in Großbritannien soll nun zeigen, dass das Vaginalgel sicher und gut verträglich ist. Der nächste Schritt wird dann sein, ihre Wirksamkeit zu beweisen.

Herstellung in Pflanzenzellen etwa 10- bis 50-mal preiswerter

In der Pharmaindustrie werden bisher vor allem Bakterien oder Säugerzellen für die Produktion von gentechnisch hergestellten Medikamenten genutzt. Die Zellkultur in großen Edelstahltanks ist jedoch aufwendig und teuer, deshalb suchen Forscher bereits seit einigen Jahren nach Alternativen.

Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie

Das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) betreibt angewandte Forschung in den Lebenswissenschaften  vom Molekül bis zum Ökosystem.

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Gegenüber klassischen Produktionssystemen bieten Pflanzen einige Vorteile. Sie wachsen schnell, sind einfach zu pflegen und lassen sich recht einfach gegen schädliche Einflüsse schützen. Die Herstellung hochwertiger Wirkstoffe in Pflanzenzellen ist im Vergleich zu Bakterien deshalb etwa 10- bis 50-mal preiswerter. Die Wahl auf Tabak fiel nicht von ungefähr. „Tabak ist seit langem eine interessante Pflanze für die Molekularbiologen. Sie lässt sich einfach transformieren, also mit einem fremden Gen versehen“, sagt Jürgen Drossard, ein anderer Fraunhofer-Forscher und Kollege von Fischer. Außerdem wachsen die Tabakpflanzen üppig und liefern damit auch eine höhere Menge an den gewünschten Proteinen. Aus 250 Kilogramm Tabakpflanzen werden so immerhin mehr als 5 Gramm reinen Antikörpers.

„Düngen kommt natürlich überhaupt nicht in Frage“

Weil die Pflanzen Medikamentenwirkstoffe produzieren sollen, sind sowohl die Anforderungen an die Pflanzenaufzucht als auch an das Verfahren und die Geräte zur Aufbereitung außerordentlich hoch. Für beide Prozessstufen bestanden die Aachener Forscher die strengen Prüfungen der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden. Die Tabakpflanzen werden vor allen äußeren Einflüssen geschützt und unter genau kontrollierten Bedingungen aufgezogen. „Wir lassen sie praktisch auf sterilen Substraten wachsen. Und düngen kommt natürlich überhaupt nicht in Frage“, so die Forscher.

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Die nun beginnenden klinischen Tests sind der krönende Abschluss des von der Europäischen Union geförderten Projekts Pharma-Planta. Seit 2004 entwickeln 30 Partner aus Universitäten und Industrie einen Produktionsprozess für gentechnisch hergestellte pharmazeutische Proteine aus modifizierten Pflanzen. Das Projekt soll zeigen, dass die Herstellung funktioniert, den hohen Anforderungen der Arzneimittelproduktion genügt und dass die Proteine wirksam sind. Dass diese Ziele erreicht werden können, davon waren die Forscher beim Start der klinischen Versuche in London überzeugt. Projektkoordinator Julian Ma sagte: „Die Zustimmung der MHRA, in die klinischen Studien einzusteigen, bedeutet für uns die Anerkennung, dass monoklonale Antikörper, die von Pflanzen erzeugt wurden, die gleiche Qualität haben wie mit konventionellen Methoden erzeugte.“ Das sei etwas, von dem man lange nicht gedacht habe, dass es möglich sein könnte.

 

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