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EHEC: Biofilme und Autoantikörper im Visier der Forscher

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Die EHEC-Keime bilden Biofilme und haften stark an Oberflächen an. Vermutlich ist der Auslöser der aktuellen Seuchenwelle in menschlichen Gedärmen entstanden. Quelle: Manfred Rohde/HZI

14.06.2011  - 

Im Kampf gegen die EHEC-Seuchenwelle hat es in den vergangenen Tagen wichtige Erfolge gegeben. Tatsächlich scheinen Sprossen die Hauptüberträger des aggressiven Kolibakteriums HUSEC041 zu sein. An dem Darmkeim starben bisher 36 Menschen, mehr als 700 Patienten kämpfen immer noch mit der lebensbedrohlichen Komplikation HUS. Spürbar nimmt zumindest die Zahl der Neuinfektionen ab. EHEC-Forscher studieren indes weiter die genetischen Besonderheiten der Mikrobe, um ihr in Zukunft besser Paroli bieten zu können. Offenbar entsprang HUSEC041 menschlichen Gedärmen und ist ein Meister der Anhaftung, indem er effektive Biofilme aufbaut. Erste Therapieerfolge konnten Immunologen durch die Entfernung von zerstörerischen Autoantikörpern bei HUS-Patienten vermelden.

Noch vor Pfingsten hieß es für Gemüsefreunde endlich etwas aufatmen: Am 10. Juni wurde der Verzehr-Bann auf Salat, Tomaten und Gurken aufgehoben, nachdem die Keimdetektive des Robert Koch-Instituts (RKI), des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Bundesamts für Verbraucherschutz (BVL) den Verzehr von Sprossen als Hauptursache für den EHEC-Ausbruch ausgemacht hatten. Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen Tagen spürbar gesunken ist, so arbeiten Mediziner und Mikrobiologen weiter mit Nachdruck daran, den Umgang mit den aggressiven E.coli-Keimen zu verbessern und die verheerenden Konsequenzen einer Infektion in den Griff zu bekommen.

EHEC vertont

Mit der EHEC-Epidemie beschäftigen sich nun auch Musiker. Schulmusikstudenten aus Hannover haben ein Lied über den Erreger komponiert und präsentieren den e-h-e-c-Choral  in einem online-Video:

Zum Ehec-Choral (Video): hier klicken

Geburtsort in menschlichem Gedärm

Obwohl Sprossen als Überträger der EHEC-Erreger identifiziert wurden - noch immer ist nicht klar, wo der exakte Geburtsort der Seuchenwelle liegt. Die Fakten deuten jedoch darauf hin, dass der Keim HUSEC041, Serotyp O104:H4, nicht in einem Rindergedärm, sondern höchstwahrscheinlich in einem menschlichen Darmtrakt entstanden ist.  Wie Forscher vom Hygiene-Institut in Münster bereits am 2. Juni berichteten, ist der Ausbruchsstamm ein Hybrid aus zwei verschieden E.coli-Stämmen (mehr...): Im Dunkeln des Darms von Patient Null hat vermutlich ein enteroaggregatives E.coli (EAEC)-Bakterium mit EHEC-Bakterien genetisches Material ausgetauscht. Daraus hervorgegangen ist eine Mikrobe, die nicht nur das gefährliche Shiga-Toxin bildet, sondern die auch außergewöhnlich anhänglich ist. „Neben ihrer Anheftung an Darmzellen kleben sie auch an allen anderen Oberflächen, weil sie ausgezeichnete Biofilm-Bildner sind“, sagt EHEC-Experte Helge Karch.

Bis heute ist HUSEC041 allerdings nicht in Tieren aufgetaucht. Ob der Keim trotzdem mittlerweile den Sprung hin zum Nutzvieh geschafft hat, wird derzeit vom Tiermediziner Lothar Wieler in Berlin untersucht.  Die Experten gehen davon aus, dass sogenannte Infektionsträger wie die Sprossen durch menschliche Fäkalien kontaminiert wurden. „Das wäre nicht das erste Mal bei EHEC-Erregern“, betont Helge Karch.

Weitere EHEC-Genome entziffert

Für ihre Analysen haben die Forscher weiteres Datenfutter aus dem Sequenzierlabor bekommen. Nachdem in wenigen Tagen des komplette Erbgut des Ausbruchstamms entziffert wurde (mehr...), haben die Münsteraner nachgelegt: Nun wurde innerhalb von drei Tagen das Genom des 2001 erstmals aufgetretenen Vergleichsstamm von HUSEC041 sequenziert. Erste Datenabgleiche zeigen, dass der aktuelle Ausbruchstamm offenbar eine neue Antibiotika-Resistenz entwickelt hat. Weitere Experimente in Münster sollen unterdessen weitere Rätsel zum biologischen Verhalten der gefährlichen 2011er Version von HUSEC041 lösen helfen.

Die aktuelle Datenflut hat auch Bioinformatiker im Kampf gegen EHEC auf den Plan gerufen. So haben sich Forscher um Jan Baumbach vom Informatik-Exzellenzcluster der Universität des Saarlandes auf virtuelle Spuren des Erregers begeben.

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Das Forscherteam um Baumbach hat alle Informationen über das Erbgut der harmlosen E.coli-Bakterien und deren Wechselwirkungen in einer Datenbank erfasst.  In den vergangen Tagen haben die Informatiker ihre Datenbank nun mit den Genomdaten der EHEC-Keime gefüttert und die Analyse-Plattform EhecRegNet aufgebaut (www.ehecregnet.de). Mit Hilfe des neuen Werkzeugs wollen die Forscher diejenigen Gene bei den Darmkeimen identifzieren, die sie so gefährlich werden ließen. „Wir gehen davon aus, dass es nicht mehr als zehn Gene sind, die den Unterschied machen“, sagt Baumbach. Ziel der Bioinformatiker ist es nun, die molekularen Schaltkreise für diese Schlüsselgene zu stören. „Wir wollen die genetischen Signalwege in den Bakterien nutzen, um bestimmte Gene an- und auszuschalten“, erläutert Baumbach. „So können wir den Erreger künftig mit seinem eigenen genetischen Programm bekämpfen.“

Weg mit Autoantikörpern: Neuer Therapieansatz in Greifswald

Auch bei der Behandlung des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), der von den Darmkeimen ausgelösten Komplikation, gibt es weitere Hoffnungsschimmer. Sehr viel Kopfzerbrechen bereitet den Medizinern weiterhin, warum HUS-Patienten so schlimme neurologische Ausfälle zeigen, etwa Bewusstseinstörungen oder epileptische Anfälle. Universitätsmediziner aus Greifswald und Bonn haben nun sogenannte Autoantikörper, also vom Körper gegen sich selbst gerichtete Abwehrmoleküle, als Übeltäter im Visier. „Die Autoantikörper bewirken möglicherweise die Ansammlung eines Gerinnungsfaktors im Blut“, erläutert der Greifswalder Transfusionsmediziner Andreas Greinacher, „das schränkt in der Folge die Durchblutung wichtiger Gehirnregionen und der Nebenniere ein.“ Die Mediziner haben beobachtet, dass die Autoantikörper frühestens fünf Tage nach der EHEC-Infektion im Körper gebildet werden. „Damit erklärt sich, warum die Patienten die Durchfallerkrankung in der Regel bereits überstanden haben und erst danach die schweren neurologischen Symptome auftreten“, so Greinacher. Warum nicht alle Patienten diese selbstzerstörerischen Autoantikörper bilden, ist allerdings noch ungeklärt. Aufbauend auf ihren Erkenntnisse haben die Ärzte des Greifswalder Universitätsklinikums bei den ersten HUS-Patienten mit einer neuen Therapie begonnen, die Autoantikörper entfernen kann. Die Mediziner filtern die aggressiven körpereigenen Moleküle aus dem Blut der Patienten heraus. Ob die Behandlung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann, wird sich aber erst in einigen Tagen zeigen. Greinacher :„Die ersten Entwicklungen bei den Blutwerten stimmen uns optimistisch.“

 

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