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Biotechnologie an vorderster Front im Kampf gegen EHEC

Zwar erkannt aber noch nicht gebannt: Das EHEC-Bakterium hat eine bedrohliche Seuchenwelle ausgelöst. Biotechnologische Verfahren helfen bei Diagnose und Therapie. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Zwar erkannt aber noch nicht gebannt: Das Darmbakterium EHEC hat eine ungekannte Seuchenwelle ausgelöst. Biotechnologische Verfahren helfen bei Diagnose und Therapie. Quelle: HZI Braunschweig

31.05.2011  - 

Bereits 15 Todesfälle, mehr als 300 Patienten mit der gefährlichen Komplikation HUS, 1400 Personen mit Infektionsverdacht und Millionen Verbraucher in Sorge: Die Krise um den Darmkeim EHEC hat in Deutschland ungekannte Ausmaße erreicht. Schon jetzt wird aber auch deutlich, welch zentrale Rolle der Biotechnologie bei der Bewältigung der angespannten Situation zukommt. Ob beim Erstellen eines molekularen Steckbrief des Erregers, für die rasche Diagnose oder die Therapieversuche mit dem Antikörper Eculizumab - aus den molekularbiologischen Labors kommen derzeit die hoffnungsvollsten Ansätze im Kampf gegen EHEC. biotechnologie.de stellt die wichtigsten vor.

Äußerlich sind die EHEC-Erreger nicht von ihren harmlosen Artgenossen zu unterscheiden, es sind stäbchenförmige Escherichia coli –Bakterien. Doch in ihrem Erbgut haben die EHEC-Erreger einige Veränderungen angesammelt, die sie so außergewöhnlich aggressiv machen. Mit Hochdruck haben Molekularbiologen deshalb das Genom der Mikroben durchforstet, um ein möglichst genaues Profil des Übeltäters zu erstellen (mehr...).

Fahndungserfolg: Der Ausbruchsstamm heißt HUSEC041

Am Institut für Hygiene am Universitätsklinikum Münster ist die geballte wissenschaftliche Expertise für EHEC-Keime versammelt. Hier ist das Konsiliarlabor für das Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS) angesiedelt. Im Labor werden die Proben von Patienten aus der gesamten Bundesrepublik untersucht und eingeordnet. Außerdem verfügt das Team um Forscher Helge Karch über eine sogenannte Referenz-Stammsammlung. Es ist ein Archiv über sämtliche 42 EHEC-Erregertypen, die seit 1996 in Deutschland aufgetaucht sind. Dieses Keimarchiv hat den Forschern in der vergangen Woche gute Dienste geleistet, um den genauen Steckbrief des Ausbruchsstamms zu erstellen. Nach zahlreichen Zellkulturtests und Nachweisen auf Basis der Polymerasekettenreaktion (PCR) hat das Team um Karch den genetischen Fingerabdruck des Erregers erstellt: 

In dieser Folge der Kreidezeit geht es um die Polymerasekettenreaktion oder kurz PCR. Quelle: biotechnologie.tv Am 26. Mai teilten die Münsteraner Forscher mit, der gefährliche EHEC-Erreger zähle zu den bisher bekannten 42 Typen. Die Hygieniker verzeichnen ihn in ihrem Katalog unter dem Namen HUSEC041, Serotyp O104:H4. Das Besondere: Dem Ausbruchsstamm fehlt im Erbgut ein bestimmtes Gen namens eae, das in den meisten anderen EHEC-Keimen vorkommt. Als weitere Besonderheit hat der Erreger Resistenzen gegen Penicilline und bestimmte Breitband-Antibiotika entwickelt. HUSEC041 produziert zudem das Shigatoxin2, eine aggressive Variante des Giftstoffs, der die EHEC-Keime für Menschen so gefährlich macht. „Der Stamm kann als Hybrid oder Chimäre bezeichnet werden, da er Virulenzeigenschaften unterschiedlicher Erreger vereint“, so EHEC-Experte Karch. Warum die Mikrobe aber eine solch unerhörte Durchschlagskraft entwickelt hat, haben die Forscher noch nicht vollends geklärt. Mehr Informationen soll die komplette Sequenzierung des Erreger-Genoms liefern. Dank ultraschneller Sequenzierverfahren wird in den nächsten Tagen mit der gesamten Abfolge des etwa fünf Millionen Basenpaare langen Erbguts gerechnet.

Schnelltests für Diagnose und Rasterfahndung

Den molekularen Steckbrief des Erregers haben die Mikrobiologen aus Münster derweil genutzt, um einen aussagekräftigen Schnelltest zu entwickeln. Seit dem 30. Mai ist der Test öffentlich für alle Hygiene-Labors zugänglich und nutzbar (www.ehec.org). Der Nachweis basiert auf dem PCR-Verfahren und überprüft gleichzeitig vier Merkmale, die für HUSEC041 typisch sind. „Wir haben das Verfahren in den vergangenen Tagen umfangreich geprüft. Mit dem Test lässt sich der Ausbruchsstamm zweifelsfrei in nur wenigen Stunden nachweisen“, so Helge Karch.  Der Test soll nicht nur helfen, die Ursache der tausenden akuten Infektionsfälle abzuklären. Auch für Lebensmittel-Labors steht nun ein Nachweis zur Verfügung, den sie für die Rasterfahndung nach verseuchtem Gemüse und der immer noch unklaren Infektionsquelle einsetzen können. Auch Molekulardiagnostik-Spezialisten wollen vom enormen Testbedarf während der Seuchenwelle profitieren und haben in Windeseile eigene Testverfahren für HUSEC041 auf den Markt gebracht. So hat Deutschlands größtes Biotech-Unternehmen Qiagen bereits reagiert und vertreibt seit der vergangenen Woche ebenfalls einen PCR-basierten Test.

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Hoffnungsschimmer: Der Antikörper Eculizumab

Nicht nur bei der Diagnose, auch bei der Behandlung der schweren EHEC-Infektionen mit der Komplikation HUS scheint der derzeit einzige vielversprechende neue Behandlungsansatz aus biotechnologischen Labors zu kommen: Der Antikörper Eculizumab. Antikörper sind Erkennungsmoleküle des Immunsystems, die sehr spezifisch an andere Moleküle andocken und sie dadurch unschädlich machen können. In der Krebstherapie werden die meist teuren Antikörper schon seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt.

Den Patienten mit lebensbedrohlichem HUS können Nierenspezialisten bisher jedoch nur mit einer Blutwäsche helfen. Hierbei wird das Blut der Patienten mit Dialyse-Filtern in Zellen und Plasma aufgetrennt und das mit den Bakterientoxinen belastete Plasma durch Spenderplasma ausgetauscht. Doch die Mediziner mussten leider feststellen: In einigen Fällen sprechen die Betroffenen nicht auf diese sogenannte Plasmapherese an. Seit dem 27. Mai haben Mediziner in verschiedenen Kliniken, etwa in Hannover und Hamburg, damit begonnen, Patienten das Biotech-Medikament Eculizumab zu verabreichen. Es handelt sich um einen sogenannten monoklonalen Antikörper, der von dem US-Biotech-Unternehmen Alexion Pharma entwickelt wurde.

EHEC- Informationen

Infos beim Robert-Koch-Institut: hier klicken

Die EHEC-Website des Hygiene-Instituts in Münster: hier klicken

Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen: hier klicken

Das unter dem Namen Soliris vertriebene Präparat ist seit 2007 nur für die Therapie der paroxysomalen nächtlichen Hämoglobinurie, einer seltenen Blutkrankheit zugelassen. Wie Forscher aus Heidelberg, Montreal und Paris erst kürzlich im Fachblatt New England Journal of Medicine (2011, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, wurde das Mittel in einer experimentellen Therapie erfolgreich bei drei Kindern mit schwerem HUS eingesetzt. Der Antikörper blockiert ein Eiweiß des körpereigenen Komplementsystems, das einen Seitenarm des Immunsystems darstellt. Dadurch wird die Zerstörung von Blutzellen, die typisch für HUS ist, abgemildert. Die Autoren hatten ihre aktuelle Veröffentlichung im Zuge der EHEC-Welle an alle deutschen Nierenspezialisten versandt. Auch bei den nun behandelten Erwachsenen scheint der Antikörper zu wirken, wie Mediziner aus Hannover und Hamburg berichteten. „Wir hoffen, dass sich die ersten positiven Signale in den nächsten Tagen bestätigen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, Reinhard Brunkhorst, am 30. Mai. Bislang wisse man jedoch noch wenig über die längerfristige Wirkung und möglichen Nebenwirkungen der Behandlung. Deutsche Nierenspezialisten haben gemeinsam ein Protokoll erarbeitet, um die Wirksamkeit von Eculuzimab bei der aktuellen EHEC-Welle so systematisch wie möglich zu untersuchen.

Unterdessen geht die Suche nach der eigentlichen Quelle für HUSEC041 weiter. Biotechnologische Methoden werden jedenfalls weiter an vorderster Front im Einsatz sein, um die EHEC-Krise in den Griff zu bekommen.

 

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