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Infektionsforscher jagen das EHEC-Bakterium

Das EHEC-Bakterium macht den Infektionsmedizinern große Sorgen. In Münster versuchen Mikrobiologen einen genauen Steckbrief des Übeltäters zu erstellen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Das EHEC-Bakterium macht den Infektionsmedizinern große Sorgen. In Münster versuchen Mikrobiologen einen genauen Steckbrief des Übeltäters zu erstellen.

24.05.2011  - 

Die Situation um den gefährlichen Darmkeim mit dem Kürzel EHEC spitzt sich weiter zu. Hunderte Menschen, insbesondere erwachsene Frauen, haben sich offenbar mit einem ungewöhnlich aggressiven Typ des enterohämorrhagischen E. coli angesteckt. Die Mikrobe sondert Giftstoffe ab und löst dadurch blutige Darmentzündungen aus, in besonders ernsten Fällen kommt es zu Nierenversagen. Im deutschen Speziallabor für EHEC-Erkrankungen an der Universitätsklinik Münster wird derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, einen genauen Steckbrief des Erregers zu erstellen. Des Weiteren versuchen Epidemiologen, die Quelle für EHEC einzukreisen. Bei den Behandlungsstrategien, die die Ursachen der Infektion bekämpfen, ist allerdings noch viel Forschungsarbeit zu leisten, wie biotechnologie.de im Gespräch mit dem Hohenheimer Mikrobiologen Herbert Schmidt erfuhr.

Im Institut für Hygiene am Universitätsklinikum Münster läuft der Betrieb auf Hochtouren. Im dort angesiedelten Konsiliarlabor laufen derzeit die Fäden zusammen bei der Suche nach dem gefährlichen Darmkeim EHEC, der derzeit weite Teile Deutschlands in Atem hält. Das Team um Helge Karch, seit fast 30 Jahren eine Kapazität bei der Erforschung von EHEC-Bakterien, arbeitet mit Nachdruck daran, ein detailliertes Profil der Mikrobe zu erstellen, um sie besser bekämpfen zu können.

Selbst für Karch hat das Geschehen derzeit eine neue Dimension erreicht: „So etwas habe ich noch nie erlebt. Das Ausmaß hat mich schon erschüttert“, sagte der Münsteraner Forscher gegenüber ZEIT ONLINE.  Bislang sind in Deutschland 42 verschiedene Stämme von EHEC-Erregern bekannt. Sie befielen in der Vergangenheit zumeist Kinder, führten jedoch in extrem seltenen Fällen zu lebensbedrohlichen Symptomen. Anders der derzeit grassierende Erreger: Er betrifft offenbar besonders erwachsene Frauen und nimmt lebensbedrohliche Verläufe, etwa zerstörte Darmschleimhäute und Blutgerinnsel in Nieren- und Hirngefäßen.

Vermutlich ein neuer Erregertyp

Die Forscher vermuten, dass sie womöglich nun einen neuen EHEC-Typ vor sich haben, der einen besonders aggressiven Giftcocktail im Darmtrakt absondert. Das könnte sich auch Herbert Schmidt vorstellen. Der Lebensmittelmikrobiologe von der Universität Hohenheim hat viele Jahre im Labor von Karch geforscht und beschäftigt sich mit den krankheitsauslösenden Mechanismen der EHEC-Keime. Eine zentrale Rolle nimmt dabei ein mobiles Gen namens stx im Erbgut der Bakterien ein. Es dient als Bauanleitung für ein gefährliches Gift, das Shigatoxin. „Shigatoxin schädigt auf vielfältige Weise: Es blockiert die Proteinbiosynthese, löst in Zellen den programmierten Zelltod aus und greift in Signalkaskaden ein“, erläutert Schmidt.

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Insbesondere die Darmschleimhaut und die innere Wand von Gefäßzellen gehen dadurch zugrunde. Wieso die ursprünglich harmlosen Darmmikroben den Giftstoff überhaupt produzieren, sei immer noch unklar. Offensichtlich wurde das Toxin-Gen im Laufe der Evolution von Viren auf die E.coli-Bakterien übertragen und hat sich seither im Erbgut gehalten. Zudem existiert noch eine Vielzahl weiterer Virulenz-Faktoren, die zu einer Infektion beitragen.

Bisher kommt man um die Dialyse nicht herum

Trotz jahrelanger Forschungsbemühungen ist es Medizinern bisher nicht gelungen, die zerstörerischen Shigatoxine in ihrer Wirkung direkt zu bekämpfen. „Derzeit kommt man um eine Dialyse nicht herum“, sagt Schmidt. Das Blut von Patienten muss mittels Dialyse von Giftstoffen gereinigt werden, bis der Körper die Infektion besiegt hat. Auf Antibiotika sollte bei der Therapie unbedingt verzichtet werden, denn sie würden den Krankheitsverlauf eher noch verschlechtern statt zu nützen. „Beim Einsatz von Antibiotika geraten die Bakterien in eine Art Schockzustand und produzieren sogar noch mehr Toxin“, so Schmidt.

Bisher weitgehend erfolglos verlaufen sind laut Schmidt Versuche, einen Impfstoff gegen das Toxin zu entwickeln. Andere Behandlungsstrategien versuchen die Rezeptoren auf den Zellen zu blockieren, über die das Shigatoxin aufgenommen wird. Einen anderen Ansatz verfolgt Alexander Mellmann vom Hygiene Institut des Universitätsklinikums in Münster. Die Forscher wollen gezielt Genomveränderungen bei EHEC-Bakterien anstoßen. „So soll erreicht werden, dass die Bakterien Gene verlieren, durch die sie bisher so gefährlich für die Menschen weltweit sind“, so Mellmann.

 

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