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Rasterfahndung nach den Herzinfarktgenen

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Äußere Faktoren, in Verbindung mit einer schlechten genetischen Veranlagung, erhöhen das Herzinfarkrisiko. Quelle: Günter Havlena/pixelio.de

21.03.2011  - 

In den Industrienationen zählen koronare Herzerkrankungen zu den Volkskrankheiten. Jedes Jahr sterben in Europa rund 750.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Die zugrunde liegende Atherosklerose der Herzkranzarterien gehört damit zu den häufigsten Todesursachen. Bei der Entstehung der Erkrankung spielen vererbbare Risikofaktoren eine erhebliche Rolle. Erst jüngst haben deutsche Forscher in Zusammenarbeit mit weltweit mehr als 150 Wissenschaftlern 13 neue Risikogene für die koronare Herzerkrankung und den Herzinfarkt aufgedeckt. Die Ergebnisse sind unter dem Dach des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts "Atherogenomics" entstanden. Die Forscher zeigen damit auch neue Therapiestrategien auf.

Sie gilt in der Herz-Kreislauf-Medizin als Wurzel vielen Übels: die Atherosklerose. Bluthochdruck, Angina pectoris oder Herzinfarkt – diese und noch einige weitere Erkrankungen werden ausgelöst aufgrund verengter Gefäßwände oder „verkalkter Gefäße“, wie es umgangssprachlich heißt. Bei einem gesunden Menschen sind die Innenwände der Blutgefäße normalerweise glatt und geschmeidig. Blut, Sauerstoff und Nährstoffe werden so ungehindert in alle Teile des Körpers transportiert. Doch unter bestimmten Faktoren oder mit zunehmendem Alter können sich Fette und andere Substanzen an den Innenwänden absetzen und sogenannte Plaques bilden - der Innendurchmesser des Gefäßes wird dadurch immer enger, bis die Blutbahn letztlich vollständig blockiert ist. Tritt dieser Fall beispielsweise in einer Arterie des Herzens ein, kommt es zu einem Herzinfarkt. An den Folgen eines Infarkts sterben in Europa jedes Jahr rund 750.000 Menschen. Bestimmte Risikofaktoren für eine Atherosklerose lassen sich oft mehr oder weniger gut beeinflussen, dazu gehören: Cholesterin, Diabestes mellitus, Bluthochdruck, Übergewicht, rauchen, Bewegungsmangel und Stress.

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Suche nach Risikogenen

Weit weniger gut beeinflussbar sind allerdings genetische Veranlagungen, doch gerade die scheinen eine erhebliche Rolle bei einer Erkrankung zu spielen. Aus diesem Grund fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2001 die Untersuchung der koronaren Herzerkrankungen und des Herzinfarkts im Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN). Mit der Initiative NGFN-Plus wird die Förderung seit 2008 fortgesetzt, um Genomforschung in die medizinische Praxis zu überführen. Dabei setzen die Forscher unter anderem auf großangelegte  Genomuntersuchungen, die erst seit wenigen Jahren überhaupt möglich sind. Durch die Entwicklung von DNA-Chips lassen sich bis zu einer Millionen Gene gleichzeitig analysieren. Im Verbundprojekt „Atherogenomics“ wollen die Wissenschaftler die Gene identifizieren und charakterisieren, die mit Atherosklerose-Erkrankungen verknüpft sind. Mit in diesem Verbund sind Forscher aus den Universitäten Lübeck, Regensburg, Mainz, Ulm, Leipzig und der Euroimmun AG. Zusammen werden sie mit etwa 4,4 Millionen Euro gefördert. Die deutschen Forschermit Kollegen aus aller Welt zusammen: Sie sind zur Zeit Tel des internationalen Konsortium CARDIoGRAM und Mitglied im EU-Netzwerk Cardiogenic.

Eine Volkskrankheit: In Europa sterben jährlich mehr als 750.000 Menschen an den Folgen eines Herzinfarkts.Lightbox-Link
Eine Volkskrankheit: In Europa sterben jährlich mehr als 750.000 Menschen an den Folgen eines Herzinfarkts.Quelle: Michael-Bührke/pixelio.de
  

Genvarianten erhöhen Herzinfarktrisiko

Jetzt liegen erste Ergebnisse der Atherogenomics-Wissenschaftler vor: Gemeinsam entdeckten sie 13 neue Risikogene für Herzerkrankungen. Zudem wurden 10 bereits bekannte Risikogene bestätigt. Für die Studie wurden 22.000 Patienten mit koronarer Herzkrankheit und 65.000 gesunde Personen untersucht. Das Ergebnis wurde bei weiteren 50.000 Personen bestätigt. Unter der Leitung von Heribert Schunker von der Universität Lübeck wurden die Ergebnisse genetischer Untersuchungen gesunder und herzkranker Personen aus vielen Ländern zusammengetragen. In Kooperation mit einem Team des Helmholtz Zentrum Münchens analysierten die deutschen Forscher die Gene und veröffentlichten nun das Ergebnis der großangelegten Studie im Nature Genetics (online-Veröffentlichung, 6 März 2011). „Gemeinsam haben wir die bislang größte genetische Studie zu kardiovaskulären Erkrankungen durchgeführt“, sagt Schunker, „insgesamt konnten wir in unseren Daten 23 genetische Varianten nachweisen, die das Herzinfarktrisiko erhöhen.“ Laut der Studie erhöht schon das alleinige Vorliegen eines der 13 Gene das Krankheitsrisiko um 6-17 Prozent. Die Ergebnisse der Forscher machen deutlich, dass die Infarkt-verdächtigen Genabschnitte relativ häufig und in verschiedenen Varianten auftreten. Praktisch trägt also jeder Mensch mehr oder weniger viele dieser vererbbaren Risikofaktoren.

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, was SNPs sind.Quelle: biotechnologie.tv  

Kleine genetische Variationen

Gefunden wurden die Risiokogene mithilfe von DNA-Chips. „Bis zu einer Millionen über das gesamte Genom verteilter Genvarianten können mit diesen Chips gleichzeitig analysiert werden“, sagt die Lübecker Studienkoordinatorin Jeanette Erdmann. Diese Genvarianten, sogenannte „Single Nucleotide Polymorphism“ (SNPs), sind kleine genetische Variationen, die für Unterschiede zwischen einzelnen Personen verantwortlich sind. Die meisten SNPs haben keinen Effekt und sind von geringer Bedeutung, einige werden allerdings mit bestimmten Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Brustkrebs oder Fettsucht in Verbindung gebracht. Erst seit der Entwicklung von SNP-Chips können sich Wissenschaftler überhaupt effektiv auf die Suche nach den Ursachen von Volkskrankheiten begeben. „Bei der jetzigen Studie wurden die SNPs von Patienten mit koronarer Herzkrankheit miteinander und gegenüber gesunden Personen verglichen“, erklärt Erdmann, somit konnten die Wissenschaftler schließlich die 23 Risikogene bestimmten. Die Forscher müssen nun nach der molekularen Bedeutung der Gene suchen und herausfinden, welche krankmachenden Prozesse sie in einem Menschen auslösen. „Eine überraschende Erkenntnis war die Tatsache, dass nur wenige der SNPs die Anfälligkeit für die koronare Herzkrankheit über eine Wirkung auf traditionelle Risikofaktoren wie hohes Cholesterin oder hoher Blutdruck vermitteln“, sagt Christian Hengstenberg vom Universitätsklinikum Regensburg. Vielmehr spielen wohl bei der überwiegenden Mehrheit der Risikogene bislang unbekannte Mechanismen eine große Rolle. Erste molekulare Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass einige der Risikogene mit Entzündungsprozessen in Verbindung stehen. „Bei Patienten, die eine Entzündung in ihrem Körper hatten, waren genau diese Gene aktiv“, erklärt Erdmann.

Als Risikofaktoren gelten: Rauchen, Cholesterin, Übergewicht, Alter, Diabestes mellitus, Bewegungsmangel und StressLightbox-Link
Als Risikofaktoren gelten: Rauchen, Cholesterin, Übergewicht, Alter, Diabetes mellitus, Bewegungsmangel und StressQuelle: Jerzy/pixelio.de
 

Eine persönliche Risikoeinschätzung

Im Hinblick auf die neuen Erkenntnisse sieht sie Wissenschaftlerin zunächst die Möglichkeit für individuelle Risikoeinschätzungen: „Würde die genetische Analyse ergeben, dass das persönliche Risiko für Herzerkrankungen sehr groß ist, hätte dieser Mensch zumindest die Chance seinen Lebensstil zu verändern und somit andere Risikofaktoren, wie beispielsweise das Rauchen, abzuschalten.“ Mit der Lübecker Firma Euroimmun arbeiten die Wissenschaftler schon seit einiger Zeit an einem Test, der das Herzinfarktrisiko anzeigen soll. Doch damit aus dem Wissen um die Gene direkte therapeutische Strategien entwickelt werden können, müssen die Wissenschaftler noch viele offene Fragen beantworten. Die Vorrausetzungen sind gut: die Universität Lübeck ist unter anderem Teil des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung, das mit Unterstützung des BMBF in den nächsten Jahren entstehen. Und auch Erdmann ist optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, dass wir nun die gewonnenen Einsichten zum Wohle der Patienten nutzen können.“

© biotechnologie.de/tk

 

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