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Forscher erzeugen Stammzellen per RNA-Trick

Mit Hilfe synthetischer RNA-Moleküle ist es US-Forschern gelungen, Hautzellen in den Alleskönner-Zustand zurückzuprogrammieren. Damit bringen sie die iPS-Technik einen entscheidenden Schritt voran. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mit Hilfe synthetischer RNA-Moleküle ist es US-Forschern gelungen, Hautzellen in den Alleskönner-Zustand zurückzuprogrammieren. Daraus ließen sich Muskelzellen züchten (Bild). Quelle: Derrick Rossi/Cell Stem Cell

06.10.2010  - 

Molekularbiologen der Harvard University in Boston ist ein weiterer Meilenstein bei der künstlichen Gewinnung von Stammzellen im Labor geglückt. Sie haben das Rezept für die Herstellung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) entscheidend verbessert. Statt wie bisher Gene oder Eiweiße schleusten sie synthetische RNA-Moleküle in Hautzellen ein. Dadurch wurden die Körperzellen in ein Alleskönner-Stadium zurückprogrammiert, und zwar effizienter und sicherer als mit den bisherigen Methoden. Wie sie im Fachjournal Cell Stem Cell (30. September 2010, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, haben die Forscher die entstandenen Zellen „RiPS“ getauft - für RNA-induzierte pluripotente Stammzellen. Sie gelten als Hoffnungsträger für Anwendungen der Regenerativen Medizin. Auch unter deutschen Forschern herrscht Aufbruchstimmung, wie derzeit zahlreiche Fachkonferenzen zur Stammzellen-Medizin dokumentieren.

Vor drei Jahren sorgte die Erzeugung von künstlichen Stammzellen für einen Paukenschlag in der Wissenschaftlerwelt. 2007 war es Forschern aus Japan und den USA erstmals gelungen, durch das Einschleusen eines Cocktails von vier bestimmten Genen Hautzellen zu Stammzellen umzuprogrammieren (mehr...). Damit gab es erstmals eine Alternative zu den umstrittenen embryonalen Stammzellen. Die künstlich hergestellten iPS-Zellen können in der Kulturschale in verschiedene Gewebe weiterentwickelt werden und sollen künftig Patienten mit Herzerkrankungen, Diabetes oder sogar Parkinson helfen. In den letzten Jahren ist die Weiterentwicklung der iPS-Technik zu einem der dynamischten Forschungsgebiete in der Zellbiologie geworden. Dabei wurde die Rezeptur für die Herstellung künstlichen Alleskönner-Zellen nach und nach verfeinert und vor allem sicherer gemacht.

Die Entdeckung der iPS-Zellen...

...begann im Jahr 2006 in Japan. Wichtige Meilensteine:


Juni 2007:
Von der Hautzelle zur Stammzelle: Umprogrammierung mit gentechnischen Tricks

November 2007: Molekulare Verjüngungskur: Von menschlichen Körperzellen zu vielseitigen Stammzellen

Juni 2008: Sanfte Umprogrammierung der Hautzelle zur Stammzelle

Februar 2009: Mit einem Gen zur Stammzelle

April 2009: Stammzellen ohne Gentransfer hergestellt

Juli 2009: Chinesische Forscher züchten Mäuse aus Hautzellen

Januar 2010: Hautzellen direkt zu Nervenzellen umprogrammiert

Die Probleme waren und sind immer noch zahlreich: Viren, die als Genfähren für die einzuschleusenden Reprogrammierungsfaktoren dienen, können Krebs verursachen. Auch die zufällig ins Erbgut eingefügten Gene bergen ein Risiko, Krebs auszulösen. Wichtige Fortschritte wurden etwa vom Forscherteam um Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster erzielt, dem es gelungen ist, die Zahl der notwendigen Reprogrammierungsgene von ursprünglich vier auf ein einziges zu reduzieren (mehr...). Andere Forscherteams verwenden statt Genen direkt die Proteine, die daraus gebildet werden (proteininduzierte iPS oder pIPS, mehr...). Doch noch kranken diese Verfahren bisher an ihrer Ineffizienz. Nur eine von 1000, in manchen Fällen gar 10.000 Hautzellen, wird zu einer iPS-Zelle.

Der Trick mit der stabilen RNA

Forscher der Bostoner Harvard-University um den Biologen Derrick Rossi sind nun einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Der Trick: statt DNA griffen die Zellbiologen zum Botenmolekül RNA, um die Zellen umzuprogrammieren. RNA übermittelt die genetische Information von der DNA an die Ribosomen. Diese winzigen biologischen Fabriken in Zellen bauen anhand der Information Aminosäuren zu Eiweißmolekülen zusammen. Um Hautzellen zu Stammzellen umzuprogrammieren, sind vier solcher Proteine nötig. Indem Rossi RNA mit dem Bauplan für die vier Eiweiße direkt in die Hautzellen einbringt, kann er auf Viren als Überträger der Geninformation verzichten.

RiPS könnte zum Standard für die Stammzell-Gewinnung werden

Seine ersten Versuche lieferten zunächst eine Reihe von Fehlschlägen: Jedesmal aktivierten die fremden RNA-Stränge das zelleigene Abwehrsystem, wurden auf der Stelle attackiert und abgebaut. Mit Hilfe eines chemischen Verfahrens veränderte Rossi die RNA-Moleküle derart, dass das zelluläre Abwehrsystem nicht mehr ansprang. „Das war der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Rossi, der auch am Children’s Hospital Boston forscht. „Wir konnten nun RNA für jedes beliebige Protein herstellen und in Zellen einschleusen.“ Ein schöner Nebeneffekt: Die Ausbeute bei der Umwandlung von Hautzellen in iPS verhundertfachte sich.

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Förderung: 80 Millionen Euro für neues Stammzell-Forschungszentrum in Münster

Nach Ansicht von Rossi liegt das vielleicht daran, dass das Verfahren dem natürlichen Prozess ähnele, in dem sich Zellen selbst verändern. Noch sei unklar, ob die eingeschleuste RNA an der zelleigenen DNA so genannte epigenetische Veränderungen bewirke. Die Harvard-Forscher bezeichnen ihre Stammzellen als „RiPS“ – für RNA-induzierte pluripotente Stammzellen. Sie seien embryonalen Stammzellen ähnlicher als herkömmliche iPS. Die ersten RiPS konnte das Forscherteam um Rossi erfolgreich in Muskelzellen verwandeln.  „Rossis Technik funktioniert, ohne das Genom zu verändern – und das auch noch effizient“, kommentiert Doug Melton, Kodirektor des Harvard Stem Cell Institute. Doug Melton hat bereits angekündigt, dass iPS an der Harvard University und in den angeschlossenen Krankenhäusern künftig mit Rossis Methode produziert werden. Auch iPS-Pionier Shinya Yamanaka, hat Rossis Ansatz als vielversprechend bezeichnet. „Die Qualität der mit dieser Methode hergestellten iPS muss nun sorgfältig untersucht werden“, sagt Yamanaka.  Bislang habe sich noch kein Standard für die Erzeugung von iPS etablieren können. „Ich glaube, dass diese Methode das Potenzial dazu hat“, so Yamanaka.

Zahlreiche Konferenzen zur Stammzellen-Medizin

Auch bei deutschen Forschern wurde die Veröffentlichung aufmerksam verfolgt. Derzeit häufen sich Fachkonferenzen zur Stammzellforschung und ihren medizinischen Anwendungen. Erst in der vergangenen Woche trafen in Lübeck zum Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Stammzellenforschung (GSZ), um über Chancen und Risiken der iPS-Technologie zu diskutieren. Um den möglichen Einsatz von Stammzellen für Therapien geht es auch auf dem „5. Weltkongress für Präventive & Regenerative Medizin“, der noch bis 7. Oktober parallel zur Messe Biotechnica in Hannover stattfindet. In Heidelberg tauschten sich Biomediziner bei einem internationalen Symposium über Stammzellen als Ursache und mögliches Ziel der Behandlung von Krebserkrankungen aus. Und am 13. Oktober startet eine dreitägige Konferenz zur Regenerativen Biologie und Medizin in Stuttgart.

 

Studie

Bestandsaufnahme der Regenerativen Medizin in Deutschland

Sie wollen wissen, wie es um die Regenerative Medizin in Deutschland steht? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat hierzu die Unternehmensberatung CapGemini beauftragt, eine Studie durchzuführen. Am 20. April 2007 wurden die Ergebnisse der umfassenden Bestandsaufnahme veröffentlicht. Mehr


Biomaterialien

Andreas Lendlein vom GKSS Forschungszentrum in Teltow arbeitet im Rahmen der Regenerativen Medizin an funktionalen Biomaterialien, die sich gezielt in einer bestimmten Weise verformen lassen: zum Beispiel ein sich selbst verknotender Operationsfaden. Lendlein gehört zu jenen 51 Nachwuchsforschern, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem BioFuture-Preis ausgezeichnet wurden.

www.biofuture-wettbewerb.de

Podcast mit Andreas Lendlein:
Audiobeitrag hören
(Interview im Auftrag der Helmholtz-Gemeinschaft, 48kbps)


Zentren der Regenerativen Medizin

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützen die Regenerative Medizin mit speziellen Zentren an sechs Standorten in Deutschland: Berlin, Leipzig, Dresden, Hannover, Rostock und in der Region Neckar-Alb.


bcrt.charite.de
www.trm.uni-leipzig.de
www.crt-dresden.de
www.rebirth-hannover.de
www.cardiac-stemcell-therapy.com
www.info-rm.de


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Sie möchten noch mehr Persönlichkeiten aus der biotechnologischen Forschung in Deutschland kennenlernen? In der Rubrik Menschen haben wir bereits eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Unternehmern porträtiert.


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Förderbeispiele

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