Runder Tisch: Globale Ernährung mit und ohne Gentechnik
08.06.2010 -
Wie lassen sich künftig neun Milliarden Menschen trotz Klimawandel ernähren? Welchen Beitrag kann die Pflanzenbiotechnologie leisten und welche Alternativen gibt es? Wie kann sich Deutschland auf internationaler Ebene einbringen? Das waren die Hauptthemen des dritten Runden Tisches Pflanzengenetik, zu dem Bundesforschungsministerin Annette Schavan am 8. Juni rund 30 Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Umweltverbänden und Kirchen geladen hatte. Im Anschluss kündigte Schavan für Herbst 2010 eine neue Förderinitiative an, um die Kooperation deutscher Forscher mit Entwicklungs- und Schwellenländern in Ernährungsfragen zu intensivieren. Dies soll in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMLEV) sowie dem Bundesministerium für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geschehen. Ein vierter Runder Tisch unter Federführung von BMBF-Staatssekretär Georg Schütte soll noch einmal Fragen zur biologischen Sicherheitsforschung behandeln.
"Die Initiative wird die Diskussionsergebnisse des Runden Tisches berücksichtigen", betonte Schavan, die sich über den Verlauf des dritten Runden Tisches zufrieden zeigte. Nach dem ersten Runden Tisch im Mai 2009 (mehr..) sowie dem zweiten im Juli 2009 (mehr..), ging es dieses Mal insbesondere um die Frage, welche Rolle die Agrarforschung bei der Sicherung der Welternährung spielen kann. Neben Schavan war dabei auch BMLEV-Staatssekretär Robert Kloos sowie ein Vertreter des BMZ anwesend. Gefordert wurde ein „systemarer“ Ansatz, der viele Faktoren in den Blick nimmt und nicht nur für, sondern auch mit den Landwirten Lösungen entwickelt. Wie dies konkret aussehen könnte, darüber wurde mitunter kontrovers diskutiert – vor allem was den Umgang mit der Pflanzenbiotechnologie betrifft. „Ich bin davon überzeugt, dass gentechnische Ansätze einen Beitrag zur Welternährung leisten können, indem robustere Pflanzen entwickelt werden, die Dürre oder Kälteeinbrüche besser als bisher standhalten können", sagte Schavan.
Gleichwohl mahnte sie jedoch an, dass diese Wege nicht das alleinige Mittel seien und es insgesamt um Nachhaltigkeit gehen muss. Aus diesem Grund sollen in der neuen Förderinitiative, die das BMBF gemeinsam mit BMZ und BMELV bis Herbst entwickeln will, auch Ansätze der konventionellen und ökologischen Agrarforschung berücksichtigt werden. Viele Teilnehmer betonten, dass dies eine konsequente Weiterentwicklung der modernen Landwirtschaft sei. Am Ende zähle nicht die Methode, sondern das beste Ergebnis. "Die Diskussionen am Runden Tisch haben gezeigt, dass wir das gesamte Spektrum der zur Verfügung stehenden Forschungsmethoden verantwortungsbewusst für die weltweite Ernährungssicherheit einsetzen müssen", so Schavan.
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Schließen sich Ökolandbau und Gentechnik aus?
„Aus meiner Sicht schließen sich Ökolandbau und Gentechnik überhaupt nicht aus“, betonte etwa Joachim von Braun, Professor am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Angesichts der großen Herausforderungen, die Klimawandel und Bevölkerungswachstum mit sich bringen, könne man vermutlich erst durch eine Verknüpfung vieler Ansätze zu neuen Lösungen kommen, so der Experte für Welternährung. Dies würde auch in einigen Nichtregierungsorganisationen inzwischen anerkannt, sagte er und verwies unter anderem auf eine vom WWF im Jahr 2009 vorgestellt Studie, die biotechnologische Wege zur Klimarettung explizit miteinschließt (mehr...). Für eine Überwindung des Wettkampfes zwischen unterschiedlichen Lagern setzte sich auch Ortwin Renn, Sozialwissenschaftler der Universität Stuttgart, ein: „Systemare Forschung heißt doch, dass wir gemeinsame Ziele definieren und die besten Wege zur Lösung finden.“ Vielfach ließ sich eine Annäherung zwischen Gegner und Befürwortern der Grünen Gentechnik feststellen. „Im Vergleich zum ersten Mal ist die Sprache deutlich sanfter geworden, Gegner und Befürworter haben sich gegenseitig akzeptiert und ähnliche Ziele formuliert, auch wenn einige Grundpositionen natürlich immer noch unterschiedlich sind“, bilanzierte Inge Broer, Professorin an der Universität Rostock.
Dies zeigte sich auch an der Reaktion der Umweltverbände. So begrüßten Hartmut Vogtmann vom Deutschen Naturschutzring (DNR), Felix Prinz von Löwenstein vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Broder Beckling von der Universität Vechta und Urs Niggli vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick zwar die neue geplante Förderinitiative des BMBF, plädierten aber vor allem für eine intensivere Forschung im ökologischen Landbau, die sie bisher in der deutschen Forschungsförderung für unterrepräsentiert halten. „Mit gewissen Maßnahmen, zum Beispiel einer gezielteren Sortenselektion, können wir auf das Produktionsniveau der konventionellen Landwirtschaft kommen“, so Niggli auf einer nach dem Runden Tisch anberaumten Pressekonferenz. Für solche Innovationen sei jedoch mehr Forschung nötig.
Dass sich auch Pflanzenzüchter für eine ganzheitliche Forschung einsetzen, machte Henning von der Ohe vom Saatgutunternehmen KWS Saat deutlich. "In unserer Zuchtstation in Peru analysieren wir die genetischen Ressourcen lokaler Sorten. Uns ist der ökosystemare Ansatz wichtig", sagte von der Ohe. Christoph Herrlinger vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) unterstrich zudem die Bereitschaft der deutschen Unternehmen, sich an der von Schavan angekündigten Förderinitiative zu beteiligen.
Biologische Sicherheitsforschung bei viertem Runden Tisch
Die Ressourceneffizienz im Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen rückte wiederum Reinhard Hüttl in den Vordergrund. Der Vorsitzende des BioÖkonomierates nahm, zum ersten Mal am Runden Tisch teil und kündigte für September ein Papier des Gremiums an, dass Forderungen und Prioritäten zur Weiterentwicklung der deutschen Agrar- und Bioforschungsförderung in Richtung einer wissensbasierten Bioökonomie zusammenfasst. Schavan betonte, dass die neue Förderinitiative in die Ausarbeitung des neuen Bioökonomie-Rahmenprogramms eingebettet werden soll.
Wenig Zeit blieb beim dritten Runden Tisch für das Thema biologische Sicherheitsforschung gentechnisch veränderter Pflanzen. "Wir dürfen nicht für ein methodenoffenes Vorgehen bei Entwicklungsländern werben und hier zuhause die eine Technik doch ablehnen", verwies Hans Kast von der BASF, die erst im März eine EU-Zulassung für die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora erhalten haben (mehr..), auf Probleme der Glaubwürdigkeit im internationalen Kontext. Eine Reihe von Teilnehmern hatte zur Veransaltung Positionspapiere zum Umgang mit gv-Pflanzen erstellt, die nun unter Federführung von BMBF-Staatssekretär Georg Schütte im Rahmen eines vierten Runden Tisches diskutiert werden sollen. Ein Termin steht noch nicht fest.