Globales Börsen-Barometer: Finanzkrise gefährdet kleine Unternehmen

Vor allem für die kleineren Biotech-Unternehmen, die an den weltweiten Kapitalmärkten gehandelt werden, könnte es 2009 eng werden. Das befürchtet das Fachblatt "Nature Biotechnology" in einer aktuellen Studie. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Vor allem für die kleineren Biotech-Unternehmen, die an den weltweiten Kapitalmärkten gehandelt werden, könnte es 2009 eng werden. Das befürchtet das Fachblatt "Nature Biotechnology" in einer aktuellen Studie. Quelle: Wikimedia

Auf den ersten Blick geht es der Biotechnologie-Branche weltweit erstaunlich gut. Forschungsausgaben und Gewinne stiegen im Jahr 2008, und das trotz globaler Rezession. Doch der Teufel steckt im Detail. Es florieren nämlich vor allem die Schwergewichte der Biotech-Branche, während es bei vielen der kleineren Unternehmen ums Überleben geht. Bei jeder zweiten kleineren börsennotierten Firma wird die Kapitalausstattung nicht mal mehr ein Jahr reichen, bilanziert das Nature Biotechnology im globalen Börsenbarometer 2008. 

Hintergrund zur Studie



Seit 1996 macht sich die Fachzeitschrift Nature Biotechnology jährlich ein Bild von der Biotech-Branche, indem es einen Blick in die Bilanzen von 399 börsennotierten Biotech-Unternehmen wirft. Dieses Jahr wurden 399 Firmen erfasst (2009, Vol. 27, S. 710-721). Aus deutscher Sicht werden dabei 14 Unternehmen berücksichtigt. Die Redaktion von Nature Biotechnology zieht die Grenzen der Biotechnologie dabei ähnlich wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und ihrer Definition dedizierter Biotech-Unternehmen, die auch bei biotechnologie.de und der jährlichen Firmenumfrage in Deutschland   benutzt wird (mehr...).

So werden vor allem jene Firmen miteinbezogen, deren Hauptgeschäftsfeld die Biotechnologie darstellt. Pharmaunternehmen, Firmen der Medizintechnik sowie CROs werden nicht dazugezählt. Die Datenbasis für die Untersuchung stammen von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (Global Biotech Report 2009), dem Branchendienst BioCentury sowie den Bilanzberichten der jeweiligen Unternehmen. Inhaltlich erfasst die Studie die gesamte finanzielle Situation der Unternehmen, angefangen bei der Kapitalversorgung bis hin zu Übernahmen, Forschungsausgaben, Gewinn und Bestseller-Medikamenten. 

Kapital

Diese Übersicht zeigt die Verteilung der Finanzierungsquellen der Biotech-Firmen. Lightbox-Link
Diese Übersicht zeigt die Verteilung der Finanzierungsquellen der Biotech-Firmen. Quelle: Nature Biotechnology/BioCentury/Burill

Wichtigster Indikator für börsennotierte Firmen ist der Strom an Kapital, den sie erhalten. Wie die Untersuchung in Nature Biotechnology zeigt, versiegte dieser Strom im Jahr 2008 nicht gänzlich, wurde aber deutlich dürftiger. So fielen die Gesamtinvestitionen gegenüber 2007 um 36 Prozent (siehe Tabelle links) und damit auf den niedrigsten  Wert seit 2003.

Vor allem für kleinere Biotech-Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 250 Millionen Dollar wird das zunehmend zum Problem, so die Autoren. Sie schätzen, dass jedem zweiten dieser Kleinunternehmen in spätestens einem Jahr das Geld ausgehen wird. Da die Mehrheit der untersuchten Unternehmen (292 von 399) zu dieser Kategorie gehört, wird es demnach die Branche hart treffen.  

Die Verteilung der Finanzierungsquellen der Unternehmen zeigt auch, dass die Finanzkrise zu einer deutlichen Verschiebung im bisherigen Gefüge beigetragen hat. So wurde im Jahr 2008 nur 5,4 Milliarden Dollar Wagniskapital (2007: 6,7 Milliarden) eingenommen. Die schlechte Atmosphäre an den Kapitalmärkten führte auch dazu, dass sich kaum eine Firma 2008 an die Börse traute. Nur sechs Unternehmen kamen hinzu, im Jahr zuvor waren es noch 51. Eine der größten IPOs gelang dem italienischen Krebsspezialisten MolMed. Die Mailänder nahmen 85 Millionen Dollar für Anteile an ihrem Unternehmen ein. Das war 2008 aber die Ausnahme. Es gab nicht nur sehr wenige Börsengänge, auch der Erlös war außerordentlich gering. 2007 brachte ein durchschnittlicher Börsengang noch 58 Millionen Dollar ein, 2008 waren es nur noch 22 Millionen. Ebenfalls rückläufig waren  Kapitalerhöhungen über die Börse -insbesondere in der zweiten Hälfte des Jahres 2008.

Die Börsenwerte blieben von dem allgemeinen Geldmangel ebenfalls nicht unberührt. Im Durchschnitt verloren die Biotech-Firmen weltweit etwa ein Viertel ihres Werts. Die Kurse der 14 berücktsichtigen Firmen aus Deutschland fielen zwar nicht ganz so drastisch, aber immerhin noch um ein Fünftel. Die großen Verlierer waren britische und dänische Firmen, sie sackten teilweise um 40% und sogar 60 % ab.

Nachwievor stark hingegen sind die Einnahmen aus den Partnerschaften - diese Gelder sind für Biotech-Unternehmen damit zur größten Geldquelle geworden. Ihr Anteil an der Gesamtfinanzierung der Unternehmen stieg von 40 auf nahezu 60 Prozent. 

Übernahmen



Die geringen Börsenwerte sorgten dafür, dass Biotech-Unternehmen für einkaufswillige Pharma-Unternehmen immer attraktiver werden und im Jahr 2008 zum Ziel einer ganzen Reihe von Übernahmen wurden. So wurde der amerikanische Diagnostikexperte Millennium vom japanischen Pharmariesen Takeda geschluckt, der Krebs-Antikörper-Entwickler ImClone gehört jetzt Eli Lilly, und der britische Medikamentenhersteller GlaxoSmithKline verleibte sich Sirtris ein, die an altersrelevanten Enzymen forschen. Die britische Pharmakonzern Shire wiederum übernahm das Berliner Biotech-Unternehmen Jerini, das inzwischen seine Forschungsaktivitäten komplett eingestellt hat (mehr..). Der größte Zukauf des Jahres 2008 ist in der Untersuchung allerdings noch nicht erfasst. Roches vollständige Übernahme seiner US-Tochter Genentech wird erst 2009 in der Bilanz auftauchen.

Die zehn größten Übernahmen und Zusammenschlüsse 2008

ZielKäuferAbgeschlossen

Umfang (Mio. US-Dollar)

MillenniumTakedaMai8.200
Applied BiosystemsInvitrogenDezember6.700
ImCloneLillyNovember6.500
VentanaRocheFebruar3.400 
Life CellKinetic ConceptsJuni1.700
SirtrisGSKJuni720
Third Wave TechnologiesHologicJuli580
AcambisSanofi PasteurSeptember525.3
JeriniShireDezember516.6
OmrixJohnson&JohnsonDezember438

Quelle: Nature Biotechnology, 08/2009

F&E-Ausgaben, Gewinne und Bestseller



Insgesamt gab es 2008 aber nicht nur Gewitterwolken, sondern auch Sonnenschein in der globalen Biotechnologie-Landschaft. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) stiegen 2008 trotz Krise an, von 22,8 Milliarden Dollar auf 25,5 Milliarden Dollar. Der Löwenanteil davon - 11 Milliarden Dollar - wurde dabei aber von den Schwergewichten der Branche (Marktkapitalisierung von mehr als 5 Milliarden Dollar Wert) gestemmt. Viele der kleineren Konkurrenten konnten es sich 2008 indes nicht mehr leisten, allzu stark in die Zukunft zu investieren. 2008 kündigten mit 151 Unternehmen so viele Firmen wie nie zuvor an, ihre F&E-Ausgaben zu reduzieren. 168 dagegen verstärkten ihre Investitionen, der Rest blieb auf dem gleichen Niveau.

Übersicht über Umsatz, F&E-Ausgaben sowie Gewinnen/Verlusten - verteilt nach Marktkapitalisierung der Unternehmen.Lightbox-Link
Übersicht über Umsatz, F&E-Ausgaben sowie Gewinnen/Verlusten - verteilt nach Marktkapitalisierung der Unternehmen.Quelle: Nature Biotechnology

Die Gewinne konnten sich 2008 sehen lassen. Biotech-Produkte werden vor allem in der Medizin kontinuierlich beliebter und sorgen Jahr für Jahr für mehr Einnahmen. Zum zweiten Mal in Folge sind die untersuchten Firmen deshalb in die schwarzen Zahlen gerückt. 3,8 Milliarden Dollar verdienten sie zusammengenommen im Jahr 2008, im Jahr 2007 war es noch 1 Milliarde Dollar. Allerdings gibt es keine gerechte Verteilung, sondern eine große Kluft zwischen großen und kleinen Biotech-Unternehmen. So sorgen die großen Unternehmen (Marktkapitalisierung höher als 5 Milliarden Dollar) dafür, dass das Bild rosiger erscheint. Sie haben alleine wuchtige 12 Milliarden Dollar Profit zu verzeichnen. Die meisten der kleineren Unternehmen (Marktkapitalisierung niedriger als 250 Millionen US-Dollar) dagegen machen wie auch schon in den Vorjahren Verlust, zusammengenommen rund 6,2 Milliarden Dollar. Dies liegt vor allem daran, dass die meisten untersuchten Unternehmen im medizinischen Bereich tätig sind. Bis ein Wirkstoff auf den Markt kommt, mit dem sich Geld verdienen lässt, werden vor allem nur Forschungsausgaben und noch keine Einnahmen generiert. Schafft es das Präparat tatsächlich zur Zulassung und auf den Markt, kann sich ein Unternehmen, das jahrelang in den roten Zahlen war, schnell als hochprofitabel erweisen.

Doch mit welchen Biotech-Medikamenten wird eigentlich Geld verdient? Auch hierauf geht die Untersuchung von Nature Biotechnology ein (siehe Tabelle unten). Das Rheuma-Präparat Enbrel war auch 2008 der absolute Bestseller unter den biotechnologisch hergestellten Medikamenten und spülte genau 6,2 Milliarden Dollar in die Kassen des US-amerikanischen Unternehmens Amgen. Weitere Blockbuster sind Rituxan von Genentech und Biogen, das gegen Non-Hodkin-Lymphom verschrieben wird, Remicade von Johnson & Jonhson gegen Arthritis, entzündlichen Dickdarm und Morbus Crohn sowie der Krebs-Antiköper Avastin von Genentech. Avastin ist laut einer Mitteilung von Roche vor kurzem für die fünfte Indikation zugelassen worden, was die Einnahmen künftig noch einmal erhöhen dürfte. Damit haben Antikörper-Präparate inzwischen die lange an der Spitze der Bestsellerliste angesiedelten Hormonpräparate überholt.

Nature Biotechnology hat darüber hinaus die Unternehmen ermittelt, die 2008 am meisten an Gewinnen zugelegt bzw. abgebaut haben. Mit Qiagen ist auch ein deutsches Unternehmen unter den Unternehmen, die 2008 ihren Gewinn am stärksten steigern konnten. So verdiente das Hildener Unternehmen 2007 mit 650 Millionen Dollar schon sehr ordentlich, 2008 lief es aber offenbar noch besser. 893 Millionen Dollar verblieben am Ende in der Kasse, das ist eine Steigerung um 37 Prozent.

Die meistverkauften Biotech-Medikamente 2008

Handelsname (Wirkstoff)/ HerstellerIndikation

Umsatz 2008

(Mio. US-Dollar)

Umsatz 2007

(Mio. US-Dollar)

Enbrel (etanercept) / AmgenRheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondylitis ankylosans, Schuppenflechte, juvenile idiopathische Arthritis6.1915.273
Rituxan (rituximab) / Genentech, Biogen IdecNon-Hodkins-Lymphom, Rheumatoide Arthritis5.4804.604
Remicade (infliximab) / Johnson&JohnsonMorbus Crohn, Psoriasis-Arthritis, Spondylitis ankylosans, Colitis ulcerosa, Rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte5.2734.420
Avastin (bevacizumab) / GenentechKolorektales Karzinom, Nicht-kleinzelliges-Bronchailkarzinom, Brustkrebs, Hirntumore (Zulassung Mai 2009), Nierenzellkrebs (Zulassung August 2009)4.8073.431
Humira (adalimumab) / AbbottRheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Schuppenflechte, Morbus Crohn, Spondylitis ankylosans, juvenile idiopathische Arthritis4.5213.064
Gleevec/Glivec (imatinib mesylate) / NovartisChronische myeloische Leukämie, Gastrointestinaler Stromatumor, akute lymphatische Leukämie, Hypereosinophiles Syndrom, Mastozytose, Dermatofibrosarcoma protuberans, myelodysplastisches Syndrom, myeloproliferative Erkrankung3.7003.050
Lantus (Insulin glargine) / Sanofi AventisDiabetes Typ I und II3.6682.840
Neulasta (Pegfilgrastim) / AmgenInfektion durch chemotherapiebedingte Neutropenie3.3183.000
Aranesp (Darbepoetin alfa) / AmgenAnämie3.1373.614
Prevnar / WyethImpfstoff gegen Erkrankungen durch Streptococcus pneumoniae2.7162.439

Quelle: Nature Biotechnology, 2009

Hintergrund

Globales Börsenbarometer: Seit 1996 sieht sich  die Redaktion des Fachmagazins Nature Biotechnology jedes Jahr an, wie es den an der Börse notierten Biotech-Firmen weltweit ergangen ist. Als Grundlage dienen Zahlen von  Ernst & Young, BioCentury und aus den Finanzberichten einzelner Unternehmen.
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Deutsche Biotech-Branche: Wenn Sie sich über die Situation der deutschen Biotech-Branche informieren möchten, lesen Sie die Ergebnisse der jährlich von biotechnologie.de im Auftrag des BMBF durchgeführten Firmenumfrage zur Biotechnologie in Deutschland.
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EU-Studie zu Forschung und Entwicklung: Eine jährliche Erfassung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Industrie führt die EU-Kommission durch. Dabei schneidet der Biopharma-Sektor im Vergleich zu anderen Branchen sehr gut ab.
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