Mit Biotechnologie gegen Krebs
Schon seit Jahrzehnten stecken öffentliche und private Investoren Millionen-Beträge in die Erforschung von Krebserkrankungen, doch ein Heilmittel ist bislang nicht gefunden. Wie schwer der Kampf gegen Krebs ist, verdeutlicht ein Blick auf die Statistik: Noch immer zählen viele der insgesamt 300 Krebsarten zu den häufigsten Todesursachen. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung. Je mehr die molekularen Details der Krebsentstehung verstanden werden, umso zielgerichteter lassen sich neuartige Medikamente entwickeln. Dies zeigte sich auch beim Deutschen Krebskongress, der vom 20. bis 23. Februar 2008 in Berlin stattfand. Die medizinische Biotechnologie spielt dabei eine entscheidende Rolle und ist inzwischen zunehmend zum Motor beim Kampf gegen Krebs geworden: Sie steht Pate für eine ganze Reihe von Ansätzen, Krebszellen zu stoppen und zu vernichten. Mehr als 20 Krebsmedikamente befinden sich derzeit allein bei deutschen Biotech-Firmen in der klinischen Entwicklung.
Umsatzfaktor Krebs: Firmen setzen auf innovative Medikamente
Die Bandbreite der angestrebten Therapieformen bei der Tumorbekämpfung zeigt, dass Krebs bei der Medikamentenentwicklung einen großen Stellenwert besitzt. Tatsächlich lag der Schwerpunkt der Wirkstoffinnovation im Jahr 2005 laut Verband forschender Arzneimittelforscher (VFA) auf der Verbesserung der Krebsbehandlung: Unter den insgesamt 23 neuen Wirkstoffen (auch als NME, New Molecular Entity, bezeichnet) befanden sich sieben, die für eine Krebstherapie entwickelt wurden. Drei der 2005 neu eingeführten Medikamente sind gentechnisch hergestellte Wirkstoffe, sogenannte Biopharmazeutika. Im Jahr 2006 wuchs die Zahl sogar auf elf Biopharmazeutika von insgesamt 36 Neuzulassungen. Anfang 2008 lag die Zahl gentechnischer Arzneimittel in Deutschland bei 134. In Deutschland und der EU sind bislang sechs biotechnologisch hergestellte Biopharmazeutika speziell gegen Krebs (bzw. prophylaktisch gegen eine HPV-Infektion als ein Verursacher des Gebärmutterhalskrebs) zugelassen (s. Tabelle). Sie sind das Ergebnis innovativer Forschung auf dem Gebiet der gezielten Therapien (Targeted Therapies) und wurden fast ausschließlich in amerikanischen Biotech-Unternehmen entwickelt.
Übersicht der in Deutschland zugelassenen Biopharmazeutika zur gezielten Krebsbehandlung
Arzneimittel | Indikation | Entwickler | Vertrieb |
Avastin | Darmkrebs | Genentech | Roche |
Erbitux | Darmkrebs | ImClone Systems | Merck KGaA |
Gardasil | Gebärmutterhalskrebs | Sanofi Pasteur MSD | Sanofi Pasteur MSD |
Glivec | Leukämie | Ciba-Geigy/Novartis | Novartis |
Herceptin | Brustkrebs | Genentech | Roche |
MabCampath | Leukämie | Ilex Pharmaceuticals | Bayer Schering |
MabThera | Lymphom | Genentech | Roche |
Nexavar | Nierenkrebs | Bayer/ Onyx Pharmaceuticals | Bayer |
Sprycel | Leukämie | Bristol-Myers-Squibb | Bristol-Myers-Squibb |
Sutent | Darmkrebs | Sugen/Pfizer | Pfizer |
Tarceva | Lungenkrebs | OSI Pharmaceuticals/ Genentech | Roche |
Targretin | Lymphom | Ligand Pharmaceuticals | Ligand Pharmaceuticals |
Velcade | Lymphom | ProScript/Millenium | Janssen-CILAG |
Zevalin | Lymphom | Idec Pharmaceuticals | Bayer Schering |
Quelle: EMEA (2007)
Laut Brancheninformationsdienst IMS Health wird bereits jetzt weltweit mit Produkten zur Krebsbehandlung ein Umsatz von 31 Milliarden Dollar erwirtschaftet, für das Jahr 2010 erwarten die Analysten sogar eine Verdopplung. Experten sind sich darin einig, dass aufgrund wachsender Patientenzahlen die Krebsmedizin an Bedeutung noch weiter zunehmen und die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vom ersten Platz der lebensbedrohenden Krankheiten verdrängen wird. Dabei konzentrieren sich die Medikamenten-Hersteller vermehrt auf die Entwicklung und Produktion biotechnologischer Pharmazeutika. Weltweit schätzen Analysten, dass mittlerweile 44% aller Medikamente in der Entwicklungsphase als biotechnologische Produkte klassifiziert werden können. Fast ein Drittel aller klinischen Phase Studien werden bereits mit Biopharmazeutika geführt. In der Entwicklungsphase konzentrieren sich die Hersteller dabei vor allem auf die Behandlung von Krebs mit überwiegend Antikörper- und Vakzinierungsstrategien.
Biotechnologisch hergestellte Krebsmedikamente als Blockbuster
Auch in Deutschland sind die Krebstherapeutika auf dem Vormarsch und umfassen mittlerweile mehr als ein Drittel aller Biopharmazeutika in der klinischen Entwicklung (Phase II und III). Der deutsche Umsatz allein mit biotechnologisch hergestellten Medikamenten erreichte 2006 laut VFA über 3.1 Milliarden Euro. Die Sparte der Biopharmazeutika bildete 2006 insgesamt 12% des Gesamtumsatzes der Pharma/Biotech-Branche in Deutschland. Der Umsatz mit Krebstherapeutika stieg dabei um 62% im Vergleich zum Jahr 2005 sprunghaft an und umfasst mit über 373 Millionen Euro einen Anteil von fast 12% innerhalb aller hergestellten Biopharmazeutika. Die Entwicklung innovativer Krebstherapeutika wird daher zukünftig als sehr lukrativ eingeschätzt. Tatsächlich haben einige der Biotech-Produkte zur Krebsbehandlung längst einen Blockbuster-Status im Medikamentensektor erreicht und ihren Unternehmen Milliardenumsätze beschert. Vor allem der Schweizer Konzern Roche profitierte von der weitsichtigen Entscheidung, Anfang der 90er Jahre bei der amerikanischen Biotechfirma Genentech einzusteigen und mit Biogen Idec zu kooperieren, wodurch der Pharmakonzern gleich von drei der umsatzstärksten Biopharmazeutika profitierte und damit beim Umsatz das Segment der biotechnologisch hergestellten Krebstherapeutika inzwischen anführt (s. Tabelle). Senkrechtstarter war dabei das Medikament Avastin®, das im Vergleich zum Jahr 2005 seinen Umsatz weltweit um fast 80% auf 2.4 Mrd. Euro steigerte.
Umsatzstärkste Krebsmedikamente aus biotechnologischer Herstellung
Arzneimittel | Firma | Umsatz 2006 in Mrd. Dollar |
MabThera | Biogen Idec, Genentech, Roche | 3.9 |
Herceptin | Genentech, Roche | 3.1 |
Glivec | Novartis | 2.5 |
Avastin | Genentech, Roche | 2.4 |
Erbitux | ImClone, BMS, Merck | 1.1 |
Quelle: Nature Biotechnology (April, 2007)