Mit Biotechnologie gegen Krebs

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Im Größenvergleich: Krebszelle (hinten) und gesunde Zelle Quelle: Eye of Science

Schon seit Jahrzehnten stecken öffentliche und private Investoren Millionen-Beträge in die Erforschung von Krebserkrankungen, doch ein Heilmittel ist bislang nicht gefunden. Wie schwer der Kampf gegen Krebs ist, verdeutlicht ein Blick auf die Statistik: Noch immer zählen viele der insgesamt 300 Krebsarten zu den häufigsten Todesursachen. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung. Je mehr die molekularen Details der Krebsentstehung verstanden werden, umso zielgerichteter lassen sich neuartige Medikamente entwickeln. Dies zeigte sich auch beim Deutschen Krebskongress, der vom 20. bis 23. Februar 2008 in Berlin stattfand. Die medizinische Biotechnologie spielt dabei eine entscheidende Rolle und ist inzwischen zunehmend zum Motor beim Kampf gegen Krebs geworden:  Sie steht Pate für eine ganze Reihe von Ansätzen, Krebszellen zu stoppen und zu vernichten. Mehr als 20 Krebsmedikamente befinden sich  derzeit allein bei deutschen Biotech-Firmen in der klinischen Entwicklung.

Krebs im Mittelpunkt der Forschung: Eine Einführung

Krebs kann in allen Organen sowie im Blut- und Lymphsystem des Körpers entstehen, so dass mittlerweile insgesamt rund 300 verschiedene Krebsarten beim Menschen unterschieden werden. Das Robert-Koch-Institut (RKI) bezifferte für das Jahr 2004 die Zahl der Neuerkrankungen an Krebs in Deutschland auf ca. 230.500 Erkrankungen bei Männern und ca. 206.000 bei Frauen. Die Diagnose Krebs ist dabei oftmals mit dem Tod verbunden: Nach den Herz-und Kreislauferkrankungen ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland, pro Jahr sterben 208.000 Menschen an den Folgen von Krebs. Zwar gibt es für einige Erkrankungen inzwischen bessere Diagnose- und Behandlungsmethoden, doch auch in Zukunft wird die Zahl der Krebskranken noch weiter ansteigen.

Deutscher Krebskongress

Alle zwei Jahre treffen sich in Berlin alle Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft zum Thema Krebs in Deutschland. 2008 fand die Veranstaltung vom 20. bis 23. Februar statt.

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Experten rechnen künftig mit noch mehr Krebserkrankungen

Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO schätzen, dass die Zahl der Krebserkrankungen bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zunehmen wird. Stefan Hentschel, Sprecher der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland (GEKID), sprach beim Krebskongress in Berlin (20.-23. Februar 2008) von einer erwarteten Steigerung der Neuerkrankungen um 30% bis 2020. Der Grund wird vor allem in der zunehmend älteren Bevölkerung gesehen, denn das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 65-67 Jahren. Allerdings zählt Krebs auch bei Kindern zur zweithäufigsten Todesursache, jährlich erkranken in Deutschland rund 1.750 Kinder unter 15 Jahren.

Krebsneuerkrankungen bei Männern und Frauen in DeutschlandLightbox-Link

Quelle: Robert-Koch-Institut, 2008 (Stand: Jahr 2004)


Die Erforschung der molekularen Grundlagen der Krebsentstehung gehört daher zu den am intensivsten bertriebenen biomedizinischen Wissenschaftsfeldern. In Deutschland ist das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörende Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg eine der wichtigsten Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet – neben der Vielzahl an Universitäten, Helmholtz- und Max-Planck-Instituten. Als einer der führenden deutschen Köpfe, die zu erheblichen Fortschritten in der Krebsforschung beigetragen haben, gilt unter anderen der frühere DKFZ-Geschäftsführer Harald zur Hausen, der die Grundlagen für einen Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs entwickelt hat.

Die Forschung in Deutschland ist angesichts der Vielschichtigkeit der Krebsarten in verschiedenen Netzwerken organisiert, beispielsweise unter dem Dach des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN). Hierbei versuchen die Wissenschaftler, den genetischen Ursachen von Krebs näher auf die Spur zu kommen. Gleichzeitig gibt es seit 1999 so genannte Kompetenznetze der Medizin, bei denen Krebs ebenfalls eine wesentliche Rolle spielt. Die Krebsprojekte im NGFN und den Kompetenznetzen unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 50 Millionen Euro.

Krebs und seine Gesichter: Übersicht über die wichtigsten Ursachen

Die Entstehung einer Krebskrankheit beruht in der Regel nicht nur auf einer einzigen Ursache, sondern aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die im Laufe eines Lebens in vielfältiger Weise zusammenwirken. Was alle Tumore gemeinsam haben: Sie gehen auf krankhafte Veränderungen von Genen zurück, die eine gesunde Zelle Schritt für Schritt in eine unkontrolliert wachsende Krebszelle umwandeln. Als ein wesentlicher Auslöser für dieses Wachstum werden nicht wieder zu reparierende Schäden in bestimmten Klassen von Genen gesehen, den Proto-Onkogenen, Tumorsuppressor-Genen und Reparaturgenen. Sowohl Proto-Onkogene als auch Tumorsuppressor-Gene kommen in allen gesunden Körperzellen vor und regulieren dort Zellwachstum und Zellreifung. Während Proto-Onkogene dabei das Zellwachstum fördern, wird es durch Tumorsuppressor-Gene unterdrückt. Verliert dieses genetische Kontrollsystem seine Balance, gerät das Zellwachstum aus dem Gleichgewicht und es entsteht ein Tumor.

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Immunfluoreszentrische Aufnahme einer sich teilenden menschlichen Zelle. Die Chromosomen sind blau, die Mikrotubuli der Teilungsspindel grün und die beiden Zentrosomen orange eingefärbt.Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie

Immunfluoreszenzmikroskopische Aufnahme einer sich teilenden menschlichen Zelle. Die Chromosomen sind blau, die Mikrotubuli der Teilungsspindel grün und die beiden Zentrosomen orange eingefärbt.

Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie

Die Aufgabenverteilung dieser beiden Gengruppen kann mit der Funktionsweise eines Autos verglichen werden: Die Proto-Onkogene sind in diesem Bild das Gaspedal, die Tumorsuppressorgene die Bremse. Wird das Gaspedal zu fest gedrückt (z.B. durch Mutation eines Proto-Onkogens zu einem Onkogen) oder versagen die Bremsen (z.B. durch Mutation eines Tumorsuppressorgens), gerät der Wagen (die Zelle) außer Kontrolle. Dabei gerät aber nicht nur das Wachstum und die Zellteilung durcheinander, sondern es geht auch die Fähigkeit zum programmierten Zelltod (Apoptose) verloren. Der Prozess der Apoptose bezeichnet ein Notprogramm, mit dem eine Zelle aktiv Selbstmord begehen kann - entweder weil sie mit einem Virus infiziert ist oder weil sie durch Umwelteinflüsse so geschädigt ist, dass ein Überleben nicht mehr möglich ist. Oft haben Tumorzellen aber genau diese Fähigkeit verloren, weshalb sie sich unkontrolliert teilen können. Die wachsenden Tumore zerstören dabei das umliegende gesunde Gewebe. Durch Ablösung einzelner Tumorzellen, die sich über das Blut oder das Lymphsystem im Körper verbreiten, können in anderen Organen zudem Tochtergeschwülste, so genannte Metastasen, entstehen. Von der Art und auch der Lage eines Tumors hängt es ab, wie gefährlich eine Krebserkrankung ist.

Dieser kurze Film veranschaulicht die Definition von Krebs Lightbox-Link
Dieser kurze Film veranschaulicht die Definition von Krebs Quelle: Roche, Health Kiosk, 2003

Dieser kurze Film erklärt anschaulich die Definition von Krebs. Quelle: Roche, Health Kiosk, 2003)


Genetischen Ursachen auf der Spur


In etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle beruht die Krebserkrankung auf einer angeborenen genetischen Veranlagung, bei der Onkogene, Tumorsuppressor-Gene oder DNA-Reparaturgene bereits vorgeschädigt sind und spontan zur Tumorentstehung führen können. Da die Forschung in der Genomforschung in den vergangenen Jahren enorm schnell voranschreitet, werden fast monatlich neue Gene entdeckt, die offenbar bei den verschiedensten Krebsarten eine Rolle spielen.


Krebsauslösende Substanzen in der Umwelt

Neben genetischen Risikofaktoren können aber auch Umweltfaktoren (karzinogene Substanzen) zu krebsauslösenden Veränderungen der Gene führen. Besonders hervorzuheben ist dabei das Zigarettenrauchen, das zwischen einem Viertel und einem Drittel aller Krebstodesfälle verursacht. Mindestens ebenso bedeutend dürften laut Robert-Koch-Studie falsche Ernährungsweisen wie die momentan viel diskutierte allgemeine Überernährung, ein zu hoher Anteil tierischen Fetts und ein zu geringer Anteil an Obst und Gemüse sein. Auch Aflatoxine (Schimmelpilzgifte) zählen zu den krebserregenden Substanzen, weshalb angeschimmelte Nahrungsmittel nicht gegessen werden sollten. Weitere Risikofaktoren sind chronische Infektionen durch Viren oder Bakterien, zu hoher Alkoholkonsum und Einflüsse aus der Umwelt, beispielsweise die ultraviolette Strahlung des Sonnenlichts oder Feinstaub aus Auto- und Industrieabgasen sowie Passivrauchen in Innenräumen. Welche Rolle Umweltfaktoren im Zusammenspiel mit genetischen Grundlagen spielen, ist derzeit eine der meistuntersuchten Fragen in der Krebsforschung. Um diese zu klären, werden oft große Patientengruppen mit gesunden Personen verglichen, um die wichtigsten Einflusse gezielt herauszufiltern und darauf aufbauend neue Diagnose- oder Therapieverfahren zu entwickeln.

BMBF-Förderprogramm GenoMik-Plus: Tricks der Mikroorganismen nutzenLightbox-Link

Mikrorganismen sind nicht nur nützliche, sondern auch krankheitsauslösende Bewohner des Menschen. Dieser gefährlichen Doppelrolle sind Wissenschaftler im europäischen Netzwerk "ERA-NET PathoGenomics" auf der Spur. Krebs ist dabei eine der erforschten Krankheiten.

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Viren und Bakterien als Krebsauslöser


Neben den Genen oder der Umwelt spielen auch Viren als Krebsauslöser eine Rolle. Beispiele hierfür ist der Leberzellkrebs, der unter anderem durch Hepatitis-Viren ausgelöst werden kann, oder der Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom), welcher durch bestimmte Gruppen von humanen Papillomaviren verursacht wird. Darüber hinaus können auch bakterielle Entzündungsreaktionen zur Krebsentstehung beitragen, wie sie durch das Bakterium Helicobacter pylori beim Magenkrebs verursacht werden.

Neue Theorie in der Diskussion: Krebs-Stammzellen als Ursache

Zu einer weiteren heiß diskutierten Theorie der Krebsentstehung in der modernen Krebsforschung gehören die so genannten Krebsstammzellen. Bisher wird vermutet, dass sie aus adulten Stammzellen entstehen, die sich in geringer Zahl in jedem Organ des Menschen befinden und normalerweise der Regeneration von geschädigtem Gewebe dienen. Der kanadische Wissenschaftler John Dick, einer der Pioniere auf diesem Gebiet, entdeckte Ende der 90er Jahre, dass entgegen seiner Erwartungen nur wenige Krebszellen, die er von kranken auf gesunde Mäuse übertrug, zu einer erneuten Tumorbildung führten. Diese Krebsstammzellen zeigten große Ähnlichkeit mit adulten Stammzellen, weshalb viele Wissenschaftler vermuten, dass sich aus diesen Stammzellen Krebsstammzellen entwickeln können, die als Ursprung von Tumoren dienen und im Kern der Geschwulst das Wachstum vorantreiben. Dies würde auch erklären, warum beispielsweise im Gehirn aggressive Tumore wie das Glioblastom entstehen können, obwohl es dort eigentlich keine sich vermehrenden Zellen gibt. Inzwischen konnten Krebsstammzellen in Tumoren von Brust, Bauchspeicheldrüse, Leber, Lunge, Prostata und Dickdarms nachgewiesen werden. Anhand dieser Befunde wird nun auch nicht mehr die Möglichkeit ausgeschlossen, dass Krebsstammzellen für eine Wiederkehr einer vermeintlich geheilten Krebserkrankung verantwortlich sind – offenbar können ihnen die bisherigen Behandlungsmethoden nichts anhaben, so dass sie das Tumorwachstum erneut starten können.

Otmar Wiestler, wissenschaftlicher Vorstand des DKFZ in Heidelberg, hält die Krebsstammzellen-Theorie für belegt und glaubt, dass zahlreiche Tumore aus adulten Stammzellen entstehen, deren genetische Programmierung aus dem Ruder gelaufen ist. Mit Hilfe der Deutschen Krebshilfe ist im Jahr 2006 ein Verbundprojekt gestartet, mit dem die Arbeit an Krebsstammzellen mit drei Millionen Euro zusätzlich unterstützt wird. Noch steht die Erforschung der Krebsstammzellen allerdings ganz am Anfang, da insbesondere die Kultivierung derartiger Zellen ein bislang ungelöstes Problem darstellt, aber eine Voraussetzung für weitere Untersuchungen ist. Wittener Immunologen um Thomas Dittmar gelang dieses Jahr mit der Verschmelzung von Brustkrebszellen und Bruststammzellen hierzu eine Alternative, mit der die Wissenschaftler die Rolle von Stammzellen bei einer Krebserkrankung nun näher untersuchen können.

Krebs gezielt bekämpfen: Innovative Therapieansätze im Überblick

Neben den drei klassischen Behandlungsverfahren gegen Krebs, der Chirurgie, Strahlentherapie und der Behandlung mit zytotoxischen Medikamenten (Chemotherapie), die in den Wachstumszyklus aller sich teilenden Zellen eingreifen, werden zunehmend auch immun- und gentherapeutische Ansätze erforscht. Zu diesen neuartiger Therapieansätzen zählen auch die so genannten Targeted Therapies. Mithilfe solcher gezielten Therapiestrategien, sollen Tumore gezielter bekämpft werden, ohne dabei den gesamten Organismus allzu sehr zu belasten – wie es bei den herkömmlichen Behandlungen der Fall ist. Alle Ansätze haben gemeinsam, dass sie möglichst nur den Krebszellen, aber nicht den gesunden Zellen des Körpers zu Leibe rücken sollen, indem gezielt Wachstum, Nährstoffversorgung und die Kommunikation der Krebszellen gestört wird.

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Die strahlentherapeutische Krebsbehandlung ist hoch entwickelt. Mit neuartigen Therapient wird versucht, den Tumor noch gezielter im Körper des Patienten zu behandeln.Quelle: UNiversität Zürich

Die strahlentherapeutische Krebsbehandlung ist hoch entwickelt. Mit neuartigen Therapien wird versucht, den Tumor noch gezielter im Körper des Patienten zu behandeln. Quelle: Universität Zürich


Unterstützt werden diese Ansätze durch eine fortschreitende Entwicklung immer genauerer Diagnostika, mit denen Krebserkrankungen beim Patienten besser analysiert werden können. Die Wissenschaft hat mitterweile herausgefunden, dass die meisten Krebsarten nicht nur auf einer, sondern auf mehreren Genmutationen beruhen, die zudem von Patient zu Patient unterschiedlich ausgeprägt sind und dementsprechend für einen optimalen Therapieverlauf unterschiedliche Behandlungsformen erfordern.

Vision von maßgeschneiderten Therapien

Daher sind sich auch viele Experten darin einig, dass keiner der hier nachfolgend vorgestellten Ansätze allein dazu beitragen kann, Krebs dauerhaft erfolgreich zu bekämpfen, sondern nur in Kombination mit weiteren Therapieformen die besten Chancen einer Heilung versprechen. Bereits jetzt ist ein großes Problem der Krebstherapie, dass es selbst bei einer einzigen Krebsart viele verschiedenen Patientengruppen mit unterschiedlichen Ansprechraten und Behandlungserfolgen auf herkömmliche Therapien gibt. In der Praxis wird deshalb verstärkt dazu übergegangen, verschiedene Therapien zu kombinieren oder gezielt solche Präparate zu entwickeln, die an mehreren Angriffspunkten gleichzeitig ansetzen. Die Hoffnung der Krebsforscher besteht darin, neue Krebsmedikamente erfolgreich miteinander zu verbinden und individuell am Patienten einzusetzen, so dass für jede Krebsart und jeden Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zur Verfügung steht. 

Targeted Therapies: Antikörper im Einsatz gegen Krebszellen

Antikörper sind eigentlich Bestandteil der körpereigenen Immunabwehr: Sie können bestimmte Strukturen (Antigene) auf der Oberfläche von Zellen erkennen und daran andocken. Diese Strukturen sind zumeist körperfremde Bestandteile, zum Beispiel Abfallprodukte von Viren oder Bakterien, die eine Zelle befallen haben. Auf diese Weise markieren die Antikörper die Zelle, wodurch sie für so genannte Killerzellen des Immunsystems sichtbar werden, die daraufhin die infizierten Zellen angreifen und zerstören. Dieser Mechanismus wird als ADCC bezeichnet („Antibody Dependent Cellular Cytotoxicity”). Daneben können Antikörper aber auch gezielt Empfängerproteine (Rezeptoren) auf der Zelloberfläche von Zellen besetzen und damit die Kommunikation innerhalb der Zelle blockieren oder gezielt aktivieren. Obwohl der Körper in der Regel keine Antikörper gegen sich selbst herstellt, werden diese Effekte in der Krebstherapie trotzdem genutzt, indem so genannte monoklonale Antikörper künstlich im Labor hergestellt werden, die sich gezielt gegen einzelne bekannte Bestandteile auf Krebszellen richten.

Tumor-Antikörper-Therapie

Hierunter fallen eine Reihe von Antikörpern, die gezielt Oberflächeneiweiße auf Krebszellen binden und diese dann durch ADCC zerstören sollen. Rituximab (MabThera®) oder Alemtuzumab (MabCampath®) sind derartige Antikörper-Medikamente , die für die Behandlung verschiedener Leukämieformen bereits auf dem Markt sind. Ebenfalls nach dem ADCC Prinzip funktioniert das noch in der Entwicklungsphase befindliche Antikörper-Präparat WX-G250 (Rencarex®) der deutschen Biotechfirma Wilex mit Sitz in München. Rencarex® ist ein Medikament zur Behandlung von Nierenzellkrebs und eines der wenigen Präparate deutscher Firmen, die sich bereits in der letzten Phase der klinischen Entwicklung (Phase III) befinden. Erste Ergebnisse dieser Studien werden noch bis Ende 2007 erwartet.
Einen anderen Mechanismus verfolgt das bereits auf dem Markt befindliche Blockbuster-Medikament Zevalin®, das in Amerika entwickelt wurde. An diesen Antikörper ist ein radioaktives Isotop (Yttrium-90) gekoppelt. Der Antikörper bringt die Strahlenquelle wie ein Taxi zur Tumorzelle, wo die dann Strahlungsenergie und nicht die Aktivität des Immunsystems zur Zerstörung der Zelle führt. Diese Form der Behandlung mittels radioaktiver Isotopen wird auch als Radioimmuntherapie bezeichnet.

Wachstumssignal-Hemmer

Das Phänomen, das auf Tumorzellen deutlich mehr Rezeptoren produziert werden, als für ein normales Wachstum nötig wäre, wird auch als „Überexpression“ bezeichnet. Diese Zelloberflächenproteine sind Andockstellen für Wachstumsfaktoren, die durch ihre Bindung das Wachstum der Zelle bestimmen. Durch die Überexpression werden Tumorzellen im Vergleich zu gesunden Zellen verstärkt zur Teilung angeregt. So finden sich häufig eine erhöhte Anzahl der Wachstumsrezeptoren HER-2 (EGFR2) auf Krebszellen von Brusttumoren. Daneben gibt es noch weitere Rezeptoren der EGF-Rezeptor-Familie, die verstärkt auf verschiedenen Tumoren produziert werden. Bei positivem Befund werden Antikörper-Präparate wie Trastuzumab (Herceptin®) bei Brustkrebs oder Cetuximab (Erbitux®) bei Darmkrebs eingesetzt. Sie binden an diese EGF-Rezeptoren und blockieren gezielt die Übertragung von Wachstumssignalen an die Tumorzelle.


Dieser Film zeigt die Wirkungsweise von Angiogenese-Hemmern bei der KrebstherapieLightbox-Link
Dieser Film zeigt die Wirkungsweise von Angiogenese-Hemmern bei der KrebstherapieQuelle: NDR

Ein kurzer Film des NDR zeigt die Wirkungsweise von Angiogeneshemmern bei der Krebstherapie (2:37 min). Quelle: NDR

Tumorangiogenese-Hemmer

Tumore entwickeln ein eigenes Blutgefäßsystem, um ihre Versorgung zu gewährleisten. Ein Ansatz der Tumorbekämpfung ist daher, gezielt die Gefäßneubildung des Tumors (Tumorangiogenese) zu verhindern – der Krebs soll „verhungern“. Ein Beispiel für einen derartigen Tumorangiogenese-Hemmer ist der Wirkstoff Bevacizumab (Avastin®). Dieser Wirkstoff bildete die Grundlage für das erste zugelassene Antikörper-Therapeutikum, das sich gegen Wachstumsfaktoren (VEGF-Rezeptoren) auf neugebildeten Gefäßzellen von Tumoren richtet.

Gezieltes Selbstmordprogramm in Tumorzellen (Apoptose-Modulatoren)

Daneben werden Substanzen entwickelt, die bestimmte Stoffwechselschritte in der Tumorzelle aktivieren, die zum programmierten Zelltod (Apoptose) führen. Bei der Apoptose aktiviert die Zelle ein Selbstmordprogramm, bei dem sie sich selbst zerstört. Tumorzellen sind dazu nicht mehr in der Lage, was sie unsterblich macht. Daher versuchen die Wissenschaftler über verschiedene Wirkungsweisen gezielt ein Absterben der Tumorzellen einzuleiten. Ein Ansatz ist die Verwendung von speziellen Antikörpern (IgM), die auf der Oberfläche von Tumorzellen ein Apoptose-Signal auslösen sollen. Ein derartiger Antikörper wurde an der Universität Würzburg gefunden und seit dem Jahr 2001 von der OncoMab GmbH als Spin-off weiterentwickelt.

Targeted Therapies: Signalübertragungshemmer („Small Molecules“)

Das wachsende Verständnis der zellulären Signalkaskaden im Innern der Zelle hat zudem zur Entwicklung von small molecules geführt. Dabei handelt es sich um kleine chemisch hergestellte Moleküle, die im Gegensatz zu den an der Zelloberfläche wirkenden Antikörpern gezielt in der Krebszelle die Aktivität von Molekülen der Signalübertragungswege hemmen. Man bezeichnet diese Form der Therapiestrategie auch als Molecular Targeting.

Tyrosin-Kinase-Hemmer

Signalkaskaden übertragen alle Signale, die eine Zelle an ihrer Oberfläche empfängt, ins Zellinnere, wodurch die Zelle auf Veränderungen ihrer Umwelt durch Regulation des Stoffwechsels oder durch Anpassung der Genregulation reagieren kann. Signalkaskaden sind aus verschiedenen Enzymen aufgebaut, so genannten Kinasen und Phosphatasen, die inzwischen als vielversprechende Angriffspunkte für Therapeutika gelten. Wirkstoffe wie Imatinib (Glivec®) oder Sunitinib (Sutent®) hemmen beispielsweise gezielt die Aktivität verschiedener Tyrosinkinasen und damit das Wachstum der Krebszellen. Hemmstoffe für eine Anzahl weiterer Tyrosinkinasen befinden sich in der klinischen Prüfung oder stehen kurz vor der Zulassung, wie beispielsweise der Wirkstoff Lapatinib. Das bereits in Amerika zugelassene Prudukt Lapatinib soll als Kombipräparat bei der Behandlung von Brustkrebs eingesetzt werden und zeigte in der klinischen Zulassungsstudie bei Frauen mit bereits metastasierenden Brustkrebszellen eine so deutliche Hemmung des Wachstums, dass sie vorzeitig abgebrochen werden konnte und die Zulassung des als Tykerb® vertriebenen Produktes in Europa für Ende 2007 erwartet wird.

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Nach der Bindung von Botenstoffen an den Oberflächenrezeptor von Tumorzellen kommt es intrazellulär zu einer Tyrosinkinaseaktivierung. Diese führt zu Zellwachstum und Gefäßneubildungen. Tyrosinkinaseinhibitoren (blau, Bild rechts) hemmen intrazellulär diese vom Tumor initiierte Signalkaskade.Quelle: AG Schering/CA Mehler

Nach der Bindung von Botenstoffen an den Oberflächenrezeptor von Tumorzellen kommt es intrazellulär zu einer Tyrosinkinaseaktivierung. Diese führt zu Zellwachstum und Gefäßneubildungen. Tyrosinkinaseinhibitoren (blau, Bild rechts) hemmen intrazellulär diese vom Tumor initiierte Signalkaskade. Quelle: AG Schering/CA Mehler







Proteasom-Inhibitoren

Ein anderer Ansatz wird mit Proteasom-Inhibitoren verfolgt. Proteasome sind die Mülleimer der Zellen, die den Abbau und damit das Gleichgewicht der Signalmoleküle untereinander und vieler anderer Substanzen innerhalb der Zelle regulieren. Proteasom-Inhibitoren, wie beispielsweise Bortezomib (Velcade®), hemmen den Abbau von Signalmolekülen durch Blockade dieser zellulären Mülleimer. Es entsteht ein Informationschaos, die Tumorzelle „erstickt“ an ihrem eigenen Müll und stirbt ab.

Apoptose-Modulatoren

Daneben versucht die Heidelberger Firma Apogenix mit einem Proteintherapeutikum das in vielen Krebszellen gestörte Apoptose-Programm zu reaktivieren. Dies geschieht durch die Normalisierung des Spiegels von anti-apoptotischen Proteinen, die in Krebszellen verstärkt hergestellt werden und damit ihr Absterben verhindern. Dieser Mechanismus führt zu der häufig zu beobachtenden Resistenz von Krebszellen gegenüber Chemotherapeutika. Mit Hilfe so genannter Apoptose-Sensitizer sollen gezielt die Eiweiße innerhalb der Krebszelle blockiert werden, die die Zelle vor der Ausführung des Selbstmordprogramms schützen.

Targeted Therapies: Impfen gegen Krebs (Vakzinationstherapien)

Bereits auf dem Markt befindet sich ein Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs, der seit Oktober 2006 in Deutschland verfügbar ist und auf Forschungen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg zurückgeht. Der Impfstoff richtet sich gegen vier verschiedene humane Papillomaviren, die als die gefährlichsten krebsauslösenden Vertreter dieser Gruppe von Viren gelten.

eine experimentelle Impfung gegen Krebs wurde erfolgreich in Erlangen getestet (Visite Forschung, NDR, 5:15 min)Quelle: YouTube

Dieser Film (5:15 min) berichtet über eine experimentelle Impfung gegen schwarzen Hautkrebs, die erfolgreich in Erlangen getestet wurde (Visite Forschung des NDR). Quelle: YouTube


Während heute die verfügbaren Impfstoffe vor allem zur Vorbeugung von Erkrankungen eingesetzt werden, sollen sie in Zukunft auch im Kampf gegen schon vorhandene Krankheiten verwendet werden können. Pharmaforscher arbeiten an so genannten therapeutischen Impfungen, die das Immunsystem im Kampf gegen eine bereits vorhandene Krankheit mobilisieren sollen. Diesen Ansatz verfolgt auch das deutsche Biotech-Unternehmen LipoNova bei der Entwicklung seines Tumorvakzins Reniale® gegen Nierenzellkrebs. Hierbei werden nach einem chirurgischen Eingriff die Tumorzellen eines Krebspatienten aufbereitet und wie bei einer Impfung gespritzt, so dass der Patient eine Immunreaktion gegen seine eigenen Tumorzellen entwickelt und diese dann effektiv zerstört.

Körpereigene Abwehr in Schwung bringen

Daneben gibt es weitere immuntherapeutische Ansätze, die sich allerdings ebenfalls noch in der Erforschungsphase befinden. Ziel dieser Arbeiten ist, das körpereigene Immunsystem zur Therapie von Krebserkrankungen, die durch klassische Methoden nicht mehr behandelt werden können, verstärkt zu nutzen. Im Mittelpunkt steht die adoptive T-Zelltherapie, bei der in vitro spezifische T-Zellen gegen Tumor- oder virusbefallene Zellen hergestellt und dem Patienten zurückgegeben werden. Bislang gibt es nur sehr wenige klinische Erfahrungen mit dieser aufwendigen und schwierig durchführbaren Therapieform.

Krebs bekämpfen mit Bakterien

Ein weiterer interessanter Ansatz für zukünftige Krebstherapien könnte die Verwendung von eigentlich krankheitserregenden Bakterien darstellen. So gelang es Forschern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig, Salmonellen in die Tumore krebskranker Mäuse einzuschleusen. Schon lange ist bekannt, dass einige Bakterien bevorzugt in wuchernde Krebsgeschwüre einwandern, vermutlich angelockt durch abgestorbenes Gewebe und die sauerstoffarmen Bedingungen. Die Hoffnung der Wissenschaftler: Die Mikroorganismen könnten mit Zellgiften bestückt werden, die sie dann mitten im Krebsgeschwür ausschütten und dadurch gezielt den Tumor zerstören.

RNA-basierte Therapie gegen Krebs


Die Biotech-Firma CureVac hingegen arbeitet an einem immuntherapeutischen Ansatz gegen Krebs auf Basis der Ribonukleinsäure RNA. Die RNA, speziell Boten-RNA (mRNA), wird als eine Matrize der DNA hergestellt und in der Zelle zur Herstellung von Eiweißen benötigt. Die RNA dient damit als Übersetzer der genetischen Information, die in den Genen der DNA gespeichert ist, in Eiweiße. Die Forscher von CureVac wollen diese Funktion nun gezielt ausnutzen und durch Verabreichen von speziell erzeugten mRNA-Molekülen die Zellen dazu veranlassen, praktisch jedes gewünschte Eiweiß herzustellen. Durch ihr entwickeltes Verfahren zur Herstellung stabiler mRNA-Moleküle (RNactive®) wurde es weltweit erstmals möglich, langkettige RNA in solcher Qualität und Menge zu produzieren, dass diese in der Klinik nun für therapeutische Zwecke erforscht werden können.

Umsatzfaktor Krebs: Firmen setzen auf innovative Medikamente

Die Bandbreite der angestrebten Therapieformen bei der Tumorbekämpfung zeigt, dass Krebs bei der Medikamentenentwicklung einen großen Stellenwert besitzt. Tatsächlich lag der Schwerpunkt der Wirkstoffinnovation im Jahr 2005 laut Verband forschender Arzneimittelforscher (VFA) auf der Verbesserung der Krebsbehandlung: Unter den insgesamt 23 neuen Wirkstoffen (auch als NME, New Molecular Entity, bezeichnet) befanden sich sieben, die für eine Krebstherapie entwickelt wurden. Drei der 2005 neu eingeführten Medikamente sind gentechnisch hergestellte Wirkstoffe, sogenannte Biopharmazeutika. Im Jahr 2006 wuchs die Zahl sogar auf elf Biopharmazeutika von insgesamt 36 Neuzulassungen. Anfang 2008 lag  die Zahl gentechnischer Arzneimittel in Deutschland bei 134. In Deutschland und der EU sind bislang sechs biotechnologisch hergestellte Biopharmazeutika speziell gegen Krebs (bzw. prophylaktisch gegen eine HPV-Infektion als ein Verursacher des Gebärmutterhalskrebs) zugelassen (s. Tabelle). Sie sind das Ergebnis innovativer Forschung auf dem Gebiet der gezielten Therapien (Targeted Therapies) und wurden fast ausschließlich in amerikanischen Biotech-Unternehmen entwickelt.

Übersicht der in Deutschland zugelassenen Biopharmazeutika zur gezielten Krebsbehandlung

ArzneimittelIndikationEntwicklerVertrieb
AvastinDarmkrebsGenentechRoche
ErbituxDarmkrebsImClone SystemsMerck KGaA
GardasilGebärmutterhalskrebsSanofi Pasteur MSDSanofi Pasteur MSD
GlivecLeukämieCiba-Geigy/NovartisNovartis
HerceptinBrustkrebsGenentechRoche
MabCampathLeukämieIlex PharmaceuticalsBayer Schering
MabTheraLymphomGenentechRoche
NexavarNierenkrebs

Bayer/

Onyx Pharmaceuticals

Bayer
SprycelLeukämieBristol-Myers-SquibbBristol-Myers-Squibb
SutentDarmkrebsSugen/PfizerPfizer
TarcevaLungenkrebs

OSI Pharmaceuticals/

Genentech

Roche
TargretinLymphomLigand PharmaceuticalsLigand Pharmaceuticals
VelcadeLymphomProScript/MilleniumJanssen-CILAG
ZevalinLymphomIdec PharmaceuticalsBayer Schering

Quelle: EMEA (2007)

Laut Brancheninformationsdienst IMS Health wird bereits jetzt weltweit mit Produkten zur Krebsbehandlung ein Umsatz von 31 Milliarden Dollar erwirtschaftet, für das Jahr 2010 erwarten die Analysten sogar eine Verdopplung. Experten sind sich darin einig, dass aufgrund wachsender Patientenzahlen die Krebsmedizin an Bedeutung noch weiter zunehmen und die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vom ersten Platz der lebensbedrohenden Krankheiten verdrängen wird. Dabei konzentrieren sich die Medikamenten-Hersteller vermehrt auf die Entwicklung und Produktion biotechnologischer Pharmazeutika. Weltweit schätzen Analysten, dass mittlerweile 44% aller Medikamente in der Entwicklungsphase als biotechnologische Produkte klassifiziert werden können. Fast ein Drittel aller klinischen Phase Studien werden bereits mit Biopharmazeutika geführt. In der Entwicklungsphase konzentrieren sich die Hersteller dabei vor allem auf die Behandlung von Krebs mit überwiegend Antikörper- und Vakzinierungsstrategien.

Biotechnologisch hergestellte Krebsmedikamente als Blockbuster


Auch in Deutschland sind die Krebstherapeutika auf dem Vormarsch und umfassen mittlerweile mehr als ein Drittel aller Biopharmazeutika in der klinischen Entwicklung (Phase II und III). Der deutsche Umsatz allein mit biotechnologisch hergestellten Medikamenten erreichte 2006 laut VFA über 3.1 Milliarden Euro. Die Sparte der Biopharmazeutika bildete 2006 insgesamt 12% des Gesamtumsatzes der Pharma/Biotech-Branche in Deutschland. Der Umsatz mit Krebstherapeutika stieg dabei um 62% im Vergleich zum Jahr 2005 sprunghaft an und umfasst mit über 373 Millionen Euro einen Anteil von fast 12% innerhalb aller hergestellten Biopharmazeutika. Die Entwicklung innovativer Krebstherapeutika wird daher zukünftig als sehr lukrativ eingeschätzt. Tatsächlich haben einige der Biotech-Produkte zur Krebsbehandlung längst einen Blockbuster-Status im Medikamentensektor erreicht und ihren Unternehmen Milliardenumsätze beschert. Vor allem der Schweizer Konzern Roche profitierte von der weitsichtigen Entscheidung, Anfang der 90er Jahre  bei der amerikanischen Biotechfirma Genentech einzusteigen und mit Biogen Idec zu kooperieren, wodurch der Pharmakonzern gleich von drei der umsatzstärksten Biopharmazeutika profitierte und damit  beim Umsatz das Segment der biotechnologisch hergestellten Krebstherapeutika inzwischen anführt (s. Tabelle). Senkrechtstarter war dabei das Medikament Avastin®, das im Vergleich zum Jahr 2005 seinen Umsatz weltweit um fast 80% auf 2.4 Mrd. Euro steigerte.

Umsatzstärkste Krebsmedikamente aus biotechnologischer Herstellung

ArzneimittelFirmaUmsatz 2006 in Mrd. Dollar
MabTheraBiogen Idec, Genentech, Roche3.9
HerceptinGenentech, Roche3.1
GlivecNovartis2.5
AvastinGenentech, Roche2.4
ErbituxImClone, BMS, Merck1.1

Quelle: Nature Biotechnology (April, 2007)

Deutsche Biotech-Branche: Viele Unternehmen entwickeln Krebstherapien

Innovationstreiber der Pharmaindustrie bei der Herstellung neuer innovativer Biopharmazeutika sind dabei vor allem kleine und mittlere Biotech-Unternehmen (KMUs). Denn angesichts der zu erwartenden Umsatzausfälle durch bevorstehende Patentabläufe entdecken große Pharmafirmen zunehmend die Möglichkeit, ihre Pipelines durch Einlizensierung von Wirkstoffen oder Aufkauf von Biotechfirmen  zu füllen, die sich auf neue innovative Produkte, Verfahren und Methoden vor allem im Bereich der Life Science spezialisiert haben. Dieser Trend wurde Anfang der 90er Jahre mit dem Einstieg des Schweizer Pharmakonzerns Roche bei der amerikanischen Biotech-Firma Genentech eingeleitet und fand seitdem viele Nachahmer. Genentech bescherte Roche mit der Weiterentwicklung seiner Biopharmazeutika Avastin®, Herceptin® und Tarceva® Milliardenumsätze.


Auch deutsche KMUs locken zunehmend Investoren, denn sie besitzen eine Reihe von hoffnungsvollen Krebstherapeutika in der Pipeline (s. Tabelle) oder entwickeln vielversprechende Ansätze für neuartige Therapiemodelle. Zu einem der größten privaten Wagniskapitalgeber stieg in den vergangenen Jahre Dietmar Hopp auf, Mitgründer des Softwarekonzerns SAP. Er ist heute der wichtigste Einzelinvestor der deutschen Biotechnologie und konzentrierte sich dabei insbesondere auf Firmen, die Krebsmedikamente entwickeln. Der Milliardär ist mittlerweile mit über 250 Millionen Euro an verschiedenen Firmen beteiligt, darunter Apogenix GmbH, Curacyte AG, Curevac GmbH, Immatics GmbH und GPC Biotech.

Ausgewählte deutsche Biotechnologie-Unternehmen mit Krebstherapeutika in der klinischen Phase oder deren Vorbereitung

UnternehmenKategorie
Antisense Pharma GmbHSmall Molecule
Apogenix GmbHAntikörper, Small Molecule
Cellgenix GmbHVakzinierung
CureVac GmbHVakzinierung
GPC Biotech AGSmall Molecule
Immatics Biotechnologies GmbHVakzinierung
LipoNova AGVakzinierung
MediGene AGSmall Molecule, Vakzinierung
Micromet AGAntikörper
OncoMab GmbHAntikörper
TRION Pharma AGAntikörper
Wilex AGAntikörper, Small Molecule


Investitionen wie diese zeichnen sich durch einen hohen Vertrauensvorschuss aus, denn viele Produkte befinden sich noch ganz am Anfang ihrer Entwicklungsphase. Dies gilt beispielsweise für das Hauptprodukt der Tübinger Firma Immatics Biotechnologies, IMA901, einem immuntherapeutischen Ansatz gegen Nierenzellkrebs. Die Produktkandidaten von Immatics basieren auf tumor-assoziierten Peptiden (TUMAPs), die das Immunsystem gezielt gegen Krebszellen stimulieren. Gegründet wurde die Immatics GmbH im Jahr 2000 als Spin-off des Instituts für Immunologie der Universität Tübingen, dessen Leiter Hans-Georg Rammensee zu den weltweit führenden Immunologen gezählt wird. Damit ist die Immatics GmbH ebenso ein Beispiel für die Umsetzung von universitärer Grundlagenforschung in innovative Produkte und Verfahren.

Rammensee stand ebenfalls Pate bei der Gründung eines weiteren deutschen Biotech-Unternehmens, der CureVac, die ebenfalls einen viel versprechenden Impfstrategie-Ansatz gegen Krebs verfolgt. Das Unternehmen erhielt Ende Mai den Innovationspreis der Vereinigung der deutschen Biotechnologie-Unternehmen (VBU) für seinen immuntherapeutischen Ansatz gegen Krebs auf Basis von Boten-RNA Molekülen (RNActive®), mit dem es nun in die klinische Phase eintreten will.

Heinning Walczak: Das Selbstmordprogramm der Zelle im VisierLightbox-Link
Henning Walczak hat das Auf und Ab einer Biotech-Firma in der Krebsforschung mit Apogenix erlebt.
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Dem Selbstmordprogramm von Zellen auf der Spur

Auch die Heidelberger Firma Apogenix wurde von einem renommierten Wissenschaftler und Pionier auf dem Gebiet der Apoptose-Forschung, Peter Krammer, sowie seinem Kollegen Henning Walczak vom Deutschen Krebsforschungszentrum gegründet, um das therapeutische Potential ihrer Forschungsergebnisse in Form innovativer Medikamente nutzbar zu machen. Apogenix hat sich auf die Entwicklung spezieller Apoptose-Modulatoren spezialisiert, die das Selbstmordprogramm einer Zelle entweder anschalten oder blockieren können. Der am weitesten entwickelte Produktkandidat APG101 erhielt 2006 von der EMEA den „Orphan-Drug“-Status, für 2008 wird mit dem Beginn der klinischen Phase I gerechnet.

Einige Unternehmen haben schon marktnahe Produkte im Portefolio 

Neben vielfältiger Entwicklungsaktivitäten erwarten einige deutsche Biotechnologie-Unternehmen aber auch wichtige Phase-III Daten. Ein marktnahes deutsches Biotech-Unternehmen, das auf die Entwicklung innovativer Krebstherapeutika setzt, ist die Wilex AG, die 2006 dank finanzieller Unterstützung von Dietmar Hopp mit dem größten deutschen Biotech-Börsengang seit fünf Jahren auf sich aufmerksam machte. Erste Zwischenergebnisse der Phase III-Studie zur Wirksamkeit des Nierenkrebstherapeutikums Rencarex® wurden Ende 2007 als hoffnungsvoll bezeichnet. Nun wartet die Branche auf die vollständigen Ergebnisse.

Ein anderes Hopp-Investment, die GPC Biotech AG in München, zeigte 2007, dass es nicht jedes Krebsmedikament auch tatsächlich bis zur Zulassung schafft. Noch Anfang 2007 galt dasUnternehmen als Hoffnungsträger: Alle Experten rechneten fest damit, dass die Zulassung des Prostatakrebs-Medikaments Satraplatin in den USA erfolgreich sein würde. Von Dow Jones Newswires befragte Analysten kalkulierten den Umsatz mit Satraplatin für 2008 mit 107 Millionen Euro und erwarteten bis zum Jahr 2014 einen Anstieg auf über 900 Millionen Euro. Dies hätte gut der Hälfte des Umsatzes entsprochen, den die gesamte deutsche Biotech-Branche derzeit pro Jahr erwirtschaftet. Im Sommer 2007 jedoch kam der Rückschlag: Das bei der US-Zulassungsbehörde FDA für Krebsmedikamente zuständige Beratungsgremium ODAC vertagte eine Entscheidung zu Satraplatin. Daraufhin zog GPC den Zulassungsantrag schließlich zurück und musste den Entwicklungsplan überarbeiten. Um Kosten zu sparen und die weitere Finanzierung der Firma zu sichern, wurde die F&E-Belegschaft massiv reduziert. 

Horst Lindhofer hat sich vor seiner Karriere als Wissenschaftler und Unternehmensgründer als Musiker versucht. Sein größter Hit "Pogo in Togo" stürmte in den 80er Jahren die Hitparade.Lightbox-Link

Horst Lindhofer: Der Biologe hat es mit seiner Firma Trion geschafft und einen Krebsantikörper vom Labor bis zum Markt zu entwickelt. Doch Lindhofer hat auch schon eine Musikkarriere hinter sich.

Im Profil: Krebsbekämpfer mit Musikkarriere

Gute Nachrichten hatte unterdessen Trion Pharma zu vermelden, das als Tochterunternehmen der Fresenius Biotech einen Antikörper (Removab) gegen Bauchwassersucht in Folge von Tumoren entwickelt hat. Aufgrund positiver Daten der Phase-III-Studie, die 2007 beendet wurde, ist im Dezember 2007 bei der europäischen Zulassungsbehörde ein Zulassungsantrag eingereicht worden. Am 19. Februar 2009 kam nun grünes Licht zum zuständigen EMEA-Ausschuss CHMP, der sich für eine Zulassung ausgesprochen hat. Sie wird für April 2009 erwartet. Damit steht der erste Antikörper made in Germany kurz vor dem Markteintritt (mehr...)

Deutsche Forscher treiben Entwicklung von Krebswirkstoffen voran

Dass eine langfristige Grundlagenforschung aber auch zur Entwicklung erfolgreicher Krebsmedikamente führt, kann insbesondere anhand der Forschungsarbeiten des Krebsforschers Axel Ullrich, Direktor des Max-Planck-Institutes für Biochemie, seit vielen Jahren verfolgt werden. Ullrich hatte bereits 1991 gemeinsam mit der New York University die Firma Sugen Inc. in Kalifornien gegründet, die zugleich die erste Ausgründung eines Biotechnologie-Unternehmens aus der Max-Planck-Gesellschaft war. Mit der Firma wurden die Grundlagen zur Entwicklung eines multi-spezifischen Tyrosin-Kinase-Hemmers als Krebsmedikament gelegt, das 2006 schließlich durch Pfizer unter dem Namen Sutent® (Sutinib) auf den Markt gebracht wurde. Bereits zuvor war auf Basis von Ullrichs Forschungsarbeiten das Brustkrebstherapeutikum Herceptin® entwickelt worden, dass für den Pharmakonzern Roche zu einem der lukrativsten biotechnologischen Blockbustermedikamente weltweit wurde. Auch die Biotech-Firma U3 Pharma in Martinsried wurde von Axel Ullrich gegründet und entwickelt neuartige Antikörper gegen Krebs. Mit insgesamt vier Firmengründungen, drei davon auf dem Campus in Martinsried, und rund 60 Patenten, gehört Ullrich damit nicht nur nicht wissenschaftlich zu den erfolgreichsten Krebsforschern weltweit.

Der Marktzulassung des Papilloma-Impfstoffs Gardasil® im Jahr 2006 als erstem Krebsimpfstoff zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs ging ebenfalls eine jahrzentelange Grundlagenforschung unter der Leitung von Harald zur Hausen und Lutz Gissmann am Deutschen Krebsforschungszentrum voraus. Den deutschen Wissenschaftlern gelang es mit biotechnologischen Tricks, die Papillomaviren als treibende Kraft im wuchernden Krebsgewebe zu identifizieren . Da sich humane Papillomaviren nicht züchten lassen, kamen jedoch bisherigen Methoden zur Herstellung von Impfstoffen nicht in Frage. Daher wurden mit biotechnologischen Methoden virusähnliche Partikel (virus-like particles, VLPs) des Haupthüllenproteins L1 von vier verschiedenen humanen HPV Typen in der Hefe Saccharomyces cerevisiae produziert. Gegen diese VLPs im Impfstoff produziert der Körper Antikörper, die sich bei einer Infektion mit Papillomaviren direkt gegen die lebenden Viren richten und sie vernichten. Bereits 1984 hatte sich zur Hausen mit der Idee des Impsftoffs an deutsche Pharmafirmen gewandt, war jedoch auf wenig Begeisterung gestoßen. Die Branche sah damals offenbar keinen guten Markt für einen Impfstoff, so dass schließlich amerikanische Firmen die in Deutschland entwickelte Idee aufgriffen.

Medikamentenkosten im Visier: Teure Krebstherapien auf dem Prüfstand

Biopharmazeutika wie therapeutische Antikörper sind zwar im Vergleich zu chemischen Wirkstoffen hochspezifisch in ihrer Wirkung, aber auch sehr kostenintensiv in ihrer Herstellung. Ähnlich wie bei allen neuen Medikamenten ist die Entwicklungsphase zudem oft von Misserfolgen gekrönt. So kann sich ein Wirkstoff, der in Studien bei Tieren große Hoffnungen geweckt hat, beim Menschen schnell als völlig wirkungslos erweisen. Von rund 10 000 Substanzen, die im Labor erforscht werden, schaffen es durchschnittlich gerade mal zehn neue Wirkstoffe in die Phase der klinischen Versuche, also der Erprobung am Menschen. Davon übersteht wiederum nur eine Substanz alle klinischen Studien und wird als Medikament zugelassen. Ein Medikament, das die Marktzulassung erreicht, hat in der Regel acht bis zwölf Jahre intensive Entwicklungsarbeit und Millionen an Investitionen hinter sich. Eine Studie der Bostoner Tufts University schätzte die Kosten für die Entwicklung neuartiger Medikamente mittlerweile auf 800 Millionen Dollar. So unterscheiden sich auch die Herstellungskosten beträchtlich. Während chemische Wirkstoffe in der Regel synthetisch hergestellt werden und weniger als einen Euro pro Gramm kosten, müssen Antikörper in teuren Säugetierzellen erzeugt werden, damit sie ihre Funktionalität für den Menschen nicht verlieren. Diese Produktionsbedingungen sind so aufwendig, dass eine Verabreichungsdosis eines Antikörperpräparates schnell hunderte oder sogar tausende an Euros verschlingen kann (s. Tabelle). Gibt es zudem auch noch keine Konkurrenz für den Wirkstoff, schnellt der Preis noch mal in die Höhe.


Monatliche Kosten von Blockbustermedikamenten in Amerika

ProduktIndikationKosten pro Monat
ZevalinLymphome24.000 US Dollar
ErbituxDarmkrebs10.000 US Dollar
AvastinDarmkrebs4.400 US Dollar
GleevecLeukämie2.200 US Dollar

Quelle: Brand Eins (2006)


Auch in Deutschland stehen die Kosten von innovativen Therapien häufig im Mittelpunkt gesundheitspolitischer Diskussionen, die durch Einführung einer Kosten-Nutzen Analyse  verschärft wird. Wird ein Präparat vom Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) oder durch die europäischen Zulassungsbehörde EMEA (European Medicines Evaluation Agency) in Deutschland zugelassen, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-Ba) darüber, ob die gesetzlichen Kassen dafür aufkommen sollen. Im Zuge der Gesundheitsreform wurde im Jahr 2003 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gegründet. Im Auftrag des G-Ba hat das IQWiG die Aufgabe, das in Deutschland nie zuvor geprüfte Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Erstattung von neuen und bereits zugelassenen Medikamenten zu hinterfragen. Ziel ist es, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel, im Jahr 2006 lagen diese immerhin bei über 25 Milliarden Euro, zu begrenzen.


Kosten von Blockbustermedikamenten in Deutschland (2005)

ProduktIndikationKosten
MabTheraLymphome15.300 Euro1
MabCampathLeukämie9.000 Euro1
ErbituxDarmkrebs6.300 Euro1
GlivecLeukämie6.070 Euro2
AvastinDarmkrebs4.650 Euro1
HerceptinBrustkrebs4.800 Euro1
TarcevaLungenkrebs2.223 Euro2

1Sechs Wochen, 2Vier Wochen
Quelle: Rüdiger Strehl, Finanzierungsprobleme der modernen Krebsmedizin in Deutschland, Verband der Universitätskliniken/UKT, 2006


Kosten-Nutzen-Analysen gehören in anderen europäischen Ländern längst zu den Erstattungsvoraussetzungen durch die öffentliche Hand. So wurde gerade im Januar 2007 der Firma Merck die Erstattung ihres Krebsmedikaments Erbitux® durch die britische Gesundheitsbehörde NICE verweigert, die ähnlich wie das IQWiG auch die Kosten-Effektivität von Therapien für den staatlichen Gesundheitsdienst prüft. Patienten-Gruppen warfen der Behörde daraufhin vor, sie würden Patienten im staatlichen Gesundheitswesen den Zugang zu modernen - aber teuren - Krebsbehandlungen verwehren. Als Folge von mittlerweile 22 Überprüfungen durch das IQWiG werden bereits einige Medikamente auch in Deutschland nicht mehr von den gesetzlichen Kassen übernommen. Vor allem Arzneimittel gegen verbreitete Krankheiten wie Diabetes oder Hypertonie werden genau auf ihre Kosten-Nutzen-Relation überprüft. Im Focus der Qualitätssicherer sehen Analysten dabei auch teure Spezialmedikamente wie sie zunehmend bei Krebstherapien und bei großen Patientengruppen Anwendung finden. Nach Markforschungsdaten von Insight Health verzeichnen diese Medikamente in Deutschland zweistellige Wachstumsraten und werden aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung als besonders lukrativ eingeschätzt.

Hintergrund

Umfangreiche Informationen zum Thema Krebs gibt hier:

Krebsinformationsdienst des DKFZ: www.krebsinformationsdienst.de

Deutsche Krebsgesellschaft: www.krebsgesellschaft.de

Deutsche Krebshilfe: www.krebshilfe.de

Übersicht über die in Deutschland zugelassenen gentechnisch hergestellten Arzneimittel (VFA): hier klicken

Downloads

Krebs in Deutschland 2003-2004: Häufigkeiten und Trends

Robert-Koch-Institut/ Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. Download PDF (4,7 MB)