Lasermessung für krankmachende Keime
24.05.2011 -
Bei der Blutvergiftung ist Zeit besonders wertvoll: Mit jeder Stunde steigt die Sterblichkeit um bis zu acht Prozent. Der deutsche Forschungsverbund „Fastdiagnosis“ will die Diagnose nun erheblich beschleunigen. Mit der sogenannten Raman-Spektroskopie könnten die krankmachenden Keime binnen weniger Minuten identifiziert werden, hoffen die sechs Verbundpartner aus Wirtschaft und Wissenschaft. Mit der bisher üblichen Blutkultur lassen Ergebnisse mindestens zwei Tage auf sich warten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit rund 2,5 Millionen Euro.
Die Raman-Spektroskopie ist jedem Physikstudenten ein Begriff. Schon 1930 hatte Namensgeber Chandrasekhara Venkata Raman den Nobelpreis für Physik eingeheimst, weil er beobachtet hatte, dass sich die Wellenlänge des Lichtes charakteristisch verändert, wenn es auf eine Oberfläche getroffen ist. Das liegt daran, dass ein kleiner Teil der einstrahlenden Lichtteilchen mit der Materie wechselwirkt. Je nachdem ob das Lichtteilchen dabei Energie aufnimmt oder abgibt, wird die Wellenlänge kürzer beziehungsweise länger. Bisher wurde die Technik vor allem zur Überprüfung von Materialeigenschaften genutzt, beispielsweise um Halbleiter in der Computerindustrie zu prüfen.
Erregeridentifikation binnen Sekunden
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung will ein deutsches Forschungskonsortium die Technik nun für die Medizin nutzbar machen. So soll die Diagnose lebensgefährlichen Sepsis beschleunigt werden. „Wenn sie Bakterien mit einem Laser anregen, dann bekommen sie je nach Membranaufbau und Zellinhalt ein ganz spezifisches Streulicht“, beschreibt Andreas Wolff, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Schwerpunkts Biophotonik, den Grundgedanken des Projektes. Durch den Abgleich der gemessenen Streulichtkurven mit einer Erregerdatenbank könnte der vorliegende Mikrobenstamm dann genau identifiziert werden. „Das Gerät schafft das innerhalb von Sekunden“, sagt Wolff mit hörbarem Stolz. Gerade bei der gefährlichen Sepsis ist diese schnelle Identifikation besonders wichtig.
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Zur Sepsis kommt es, wenn Krankheitserreger oder Toxine ins Blut gelangen und dadurch im gesamten Körper verteilt werden. Die darauf folgende systemische Immunantowrt bringt den Körper bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit – und darüber hinaus: Selbst bei einer intensivmedizinischen Maximaltherapie sterben mehr als die Hälfte aller erkrankten Patienten. Nach Einschätzung des Center for Sepsis Control and Care (CSCC) an der Universitätklinik Jena ist die Erkrankung die häufigste Todesursache auf Intensivstationen. Mit verantwortlich dafür ist die langwierige Diagnostik. Seit Jahrzehnten hat sie sich kaum verändert: einem möglichen Sepsis-Patienten wird Blut abgenommen, dieses wird kultiviert, anschließend erfolgt eine biochemische Charakterisierung der Erreger. Mindestens zwei Tage gehen ins Land, bevor die Diagnose steht – viel zu lang für eine Erkrankung, bei der die Sterblichkeit pro Stunde um fünf bis acht Prozent steigt.
Zur Entwicklung der neuen Technologie hat Fastdagnosis sechs Partner versammelt. Neben der Friederich-Schiller-Universität in Jena sind auch die Universitätskliniken in Dresden und Jena an dem Verbund beteiligt. Auch drei Firmen aus der Wirtschaft sind mit an Bord: die R-Biopharm AG aus Darmstadt, die Qiagen GmbH aus Hilden und die rap.ID GmbH aus Berlin. Das wichtigste Werkzeug in dem Projekt ist der Biopartikelexplorer, der vom Berliner Analysetechnik-Hersteller rap.ID gebaut wird. Innerhalb von wenigen Sekunden lässt sich mit ihm in einem zweistufigen Verfahren der molekulare Fingerabdruck einer Probe untersuchen. „Werden Bakterien mit Licht einer bestimmten Wellenlänge angeregt, neigen sie zur Eigenfluoreszenz“, so der Photonik-Experte Wolff. So kann das Gerät in einem ersten Schritt zwischen lebenden und toten Objekten unterscheiden. Dabei wird gleichzeitig die Position jedes einzelnen in der Probe vorhandenen Partikels gespeichert. In einem zweiten Schritt werden die einzelnen Strukturen dann mit einem fein gebündelten Laserstrahl abgerastert. Nach dem Datenbankabgleich steht der Erregerstamm dann fest, eine zielgerichtete Therapie kann beginnen.
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Das FastDiagnosis Projekt ist Teil der Förderinitiative "Optische Technologien in den Lebenswissenschaften": mehr Informationen zu FastDiagnosis: hier klicken mehr Informationen zum Förderschwerpunkt Optische Technologien: hier klicken mehr Informationen zum Forschungsschwerpunkt Biophotonik: hier klicken |
Erreger-Datenbank muss noch ausgebaut werden
Seit Anfang März 2011 wird das Projekt im Rahmen der Fördermaßnahme „Optische Technologien in den Lebenswissenschaften: Grundlagen zellulärer Funktionen“ unterstützt. Bei Projektabschluss im Februar 2014 könnten bis zu 4,1 Mio. Euro in das Projekt geflossen sein. Etwa zwei Drittel stammen von der öffentlichen Hand, den Rest geben die beteiligten Wirtschaftsunternehmen dazu. Doch schon jetzt gibt es erste Erfolge. „Auf der Ende Mai stattfindenden Fachmesse „Laser World of Photonics“ werden wir die ersten nach Kundenwunsch gefertigten Biopartikelexplorer ausstellen“, kündigt Wolff an. In den kommenden Projektphasen geht es dann vor allem darum, die Datenbank für die Stammidentifizierung auszubauen. „Hierfür arbeiten wir mit verschiedenen Referenzlaboren in Deutschland zusammen“, so Wolff. Außerdem sollen weitere molekularbiologische Tests entwickelt werden, die vor allem mögliche Resistenzen bei den Sepsis-Erregern detektieren sollen. „Danach können wir das Projekt bis in die Klinik bringen.“ Schließlich soll die neue Methode mindestens genau so gut wie die bisherigen mikrobiologischen Methoden funktionieren. Wenn nicht sogar besser.