Mit Antikörpern gegen multiresistente Bakterien
09.11.2010 -
In Europa erleiden pro Jahr mehr als vier Millionen Patienten eine Bakterieninfektion, während sie im Krankenhaus liegen. In vielen Fällen ist der Erreger ein Bakterium mit dem Namen Staphylococcus aureus. Das Problem: Die Keime werden zunehmend resistent gegenüber den gängigen Antibiotika, was eine Behandlung immer schwieriger und langwieriger macht. Knut Ohlsen und Udo Lorenz von der Universität Würzburg haben nun bei Mäusen einen Antikörper entwickelt, der den Keim gezielt angreift und so das Immunsystem alarmiert. Das Projekt ist eines der Siegerprojekte aus der dritten Runde des GO-Bio-Wettbewerbs, das nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit drei Millionen Euro gefördert wird.
Am 28. September 1928 führte der Zufall Regie. Im Labor bemerkte Alexander Flemming, dass in eine seiner Staphylokokken-Kulturen hineingeratene Schimmelpilze der Gattung Penicillium eine keimtötende Wirkung hatten. Weitere Untersuchungen führten später zum Antibiotikum Penicillin. Mit dem Penicillin begann der eigentliche Siegeszug der Antibiotika in der Medizin. Heute zählen sie zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Müsste Flemming sein verunglücktes Experiment heutzutage wiederholen, bliebe ihm seine wichtigste Entdeckung möglicherweise verwehrt. Denn Keime werden zunehmend resistent gegen einzelne oder sogar mehrere der Antibiotika-Wirkstoffe. Ein immer größeres Problem wird eine Mikrobe mit dem Namen Staphylococcus aureus. Sie kommt fast überall in der Natur vor, bei jedem dritten Menschen besiedeln die Mikroben auch die Haut und die oberen Atemwege. Meist lösen sie hier keine Krankheitssymptome aus. Ist die Immunabwehr eines Patienten jedoch geschwächt, haben die Bakterien leichtes Spiel. So kommt es beispielsweise beim Diabetischen Fuß-Syndrom zu schweren Infektionen (mehr...).
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Den resistenten Stämmen den Garaus machen
Die Forscher um Knut Ohlsen und Udo Lorenz von der Universität Würzburg haben einen Weg gefunden, wie auch den resistenten Stämmen der Garaus gemacht werden kann. „Es ist uns gelungen, bei Mäusen mit der Hilfe von Antikörpern einen Abwehrmechanismus gegen Staphylococcus-Erreger zu aktivieren“, sagt Lorenz, von der chirurgischen Klinik I der Universität. Entsprechende Versuchsergebnisse hat das Forscherteam im Fachmagazin Antimicrobial Agents and Therapies (mehr...) veröffentlicht. Die Antikörper binden an bestimmte Strukturen an der Oberfläche der krankmachenden Keime. Für die körpereigene Abwehr gleicht diese Bindung einem Alarmsignal. Die so markierte Struktur wird besser erkannt und die Bekämpfung eingeleitet. Fresszellen des Immunsystems umfließen die Bakterien und verschlucken sie regelrecht. Dabei werden die Keime in kleine membranumschlossene Bläschen, die Phagosomen gesperrt. Die Fresszelle flutet diese Bläschen dann mit Stoffen, die die Bakterien töten.
Lorenz und Ohlsen haben im Labor gemessen, wie groß dieser Effekt ist. „Wir konnten zeigen, dass die Rate der abgetöteten Bakterien nach der Gabe des Antikörpers um 30 Prozent gestiegen ist." Das sei ein „ganz dramatischer Vorteil, der den Unterschied zwischen Sterben und Überleben ausmachen kann“, so der Mediziner. Nun soll der Antikörper mit der finanziellen Förderung vom BMBF so weit modifiziert werden, dass er in klinischen Studien am Menschen getestet werden kann. Die Würzburger sind eines von sechs Siegerteams, die Ende 2009 in der dritten Auflage des GO-Bio-Wettbewerbs gekürt wurden (mehr...). Mit dem Wettbewerb fördert das BMBF gründungsbereite Forscherteams in den Lebenswissenschaften, um technisch anspruchsvolle Ideen zu einer tragfähigen Unternehmensgründung reifen zu lassen. Das Team um Ohlsen und Lorenz bekommt in den nächsten drei Jahren drei Millionen Euro, um die Idee bis zu einem marktreifen Produkt voranzutreiben.
GO-Bio |
Mit dem Wettbewerb GO-Bio fördert das BMBF gründungsbereite Forscherteams in den Lebenswissenschaften. Seit dem Start im Jahr 2005 gab es bisher drei Auswahlrunden, 28 Teams wurden für eine Förderung ausgewählt. Mehr Infos zu GO-Bio beim BMBF: hier klicken |
Gründung einer eigenen Firma geplant
Bis es soweit ist, sind noch einige Hürden zu nehmen. Der nächste Schritt: Den Maus-Antikörper für die Verwendung im Menschen fit machen. Damit der Maus-Antikörper nicht als Fremdstoff erkannt wird, muss er humanisiert werden. „Wir nehmen nur die Stelle des Antikörpers, die an das Bakterium andockt, und bauen den Rest des Moleküls künstlich auf, so dass es für den Menschen geeignet ist“, sagt Lorenz. Bis es soweit ist, wird aber noch einige Zeit vergehen. Frühestens Ende 2012 könnte die erste klinische Studie anlaufen. Vorher steht aber ein anderes Großereignis ins Haus: Die beiden Uni-Forscher wollen eine eigene Firma gründen, die den Antikörper weiterentwickelt. SmartmAb, so der Name des neuen Unternehmens, soll den Antikörper erst durch die erste klinische Prüfung und dann gemeinsam mit einem Pharma-Partner zur Marktreife bringen.