Genveränderungen bei Prostatakrebs entschlüsseln
15.02.2011 -
Prostatatakrebs gilt typischerweise als Leiden älterer Männer. Durch Obduktionen ist bekannt, dass bis zu 80 % der über 70-Jährigen einen latenten Prostatakrebs haben, ohne daran verstorben zu sein. Allerdings sind einige der Betroffenen noch keine 50 Jahre alt. Bei ihnen könnten genetische Ursachen die Krebsentstehung begünstigen, glauben die am Projekt beteiligten Wissenschaftler. Als Teil des Internationalen Krebsgenom-Konsortiums suchen sie nun nach Erbgutveränderungen, die den Ausbruch der Krankheit beschleunigen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Arbeiten mit einer Summe von 7,5 Millionen Euro.
Jedes Jahr wird bei mehr als 60.000 Männern erstmals eine Prostatakrebs-Diagnose gestellt. Damit ist es das bei Männern am häufigsten diagnostizierte Krebsleiden. Die Statistiker des Robert-Koch-Instituts haben berechnet, dass jeder achte Deutsche einmal in seinem Leben an Prostatakrebs erkranken wird. Entscheidend ist dabei das Lebensalter: Ein 40 Jahre alter Mann wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent in den nächsten zehn Jahren ein Prostatakarzinom entwickeln. Beim 70-jährigen liegt dasselbe Risiko ungleich höher und beträgt 6,3 Prozent. Durch Untersuchungen an höchstens 50-jährigen Patienten will ein bundesweiter Forschungsverbund eingebunden in das Internationale Krebsgenom-Konsortium nun die genetischen Ursachen dieses Leidens untersuchen. „Wir setzen große Hoffnungen darauf, mit dem Projekt neue Marker für die Diagnose und neue Therapieansätze von Prostatakrebs zu finden“, sagt Holger Sültmann, der Sprecher des Verbundes.
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Konzentration auf junge Patienten
Um den Krebsmarkern auf die Spur zu kommen, fahren die Forscher großes Geschütz auf. Gleich auf mehreren Ebenen suchen sie nach „Treiber-Mutationen“, also Veränderungen im Erbgut, die für einen frühen Krankheitsausbruch verantwortlich sein könnten. Das BMBF unterstützt die aufwendigen Arbeiten mit bis zu 7,5 Millionen Euro. Das zu Beginn des Jahres gestartete Projekt hat eine Laufzeit bis Ende Oktober 2015. In einem ersten Schritt sammeln sie dafür das Erbgut der Tumorzellen von 250 jungen Prostatakrebspatienten, die an der Martini-Klinik am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf operiert werden. „Mehr als 150 unserer Patienten fallen jährlich in die Gruppe der maximal 50-Jährigen“ sagt Thorsten Schlomm, der wissenschaftliche Leiter der Martini-Klinik, an der jedes Jahr mehr als 2000 Prostatakrebspatienten versorgt werden.
„Die Konzentration auf besonders junge Patienten wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Hinweise auf die Ursachen des erblichen Prostatakrebses ergeben“, erklärt Guido Sauter. Als Direktor des Instituts für Pathologie der Hamburger Uniklinik fällt seinem Team die Aufgabe zu, die Gewebeproben zu klassifizieren und zur weiteren Verwendung aufzubereiten. Anschließend werden die Proben dann an weitere Kooperationspartner gegeben, die sich mit unterschiedlichen Techniken auf die Suche nach den veränderten Erbgutabschnitten machen. So erfassen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin schließlich die Reihenfolge der Bausteine der DNA im Kern von gesunden Zellen genauso wie bei entarteten Tumorgeweben. Das Erbgut wird dann entziffert, um es mit den Gensequenzen aus gesunden Zellen derselben Männer zu vergleichen. Mit dieser sogenannten Aminosäuresequenz sollen die Tumore möglichst genau beschrieben werden.
ICGC |
Das International Cancer Genome Consortium (ICGC) wurde im Jahr 2008 eingerichtet, um den genetischen Veränderungen bei Krebserkrankungen systematisch auf den Grund zu gehen. Ziel ist es Genomkataloge von 50 der häufigsten Krebsarten zu erstellen und diese der Forschung zur Verfügung zu stellen. Bisher sind 35 Projekte angelaufen. Mehr Informationen: hier klicken |
Parallel dazu konzentriert sich eine Arbeitsgruppe am European Molecular Biology Laboratory EMBL, in Heidelberg, ganz auf die Sequenz solcher DNA-Abschnitte, die tatsächlich Bauanleitungen für Proteine enthalten. Sollten krankhaft veränderte Proteine zu einem frühen Ausbruch des Krebs’ führen, so würden sie die dafür verantwortlichen Eiweiße am ehesten finden können. In unmittelbarer Nachbarschaft, am ebenfalls in Heidelberg beheimateten Deutschen Krebsforschungszentrum analysieren Experten, welche Teile der DNA überhaupt von der Zelle abgelesen werden. Dazu überprüfen sie, ob DNA-Abschnitte durch das Anheften von winzigen chemischen Molekülen blockiert wurden. Diese sogenannten Methylierungen sind ein wichtiges Untersuchungsobjekt in der Epigenetik (mehr…). Die Arbeitsgruppe von Projektkoordinator Sültmann schließlich untersucht die Proben auf RNA-Ebene und erforscht insbesondere kurze RNA-Stücke. Sie sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Wissenschaftler gerückt, weil sie die Aktivität eines Gens regeln können (mehr…).
Ziel ist eine vollständige Karte der genetischen Veränderungen
Am Ende all dieser Bemühungen steht ein großes Ziel. Die Forscher wollen so solche Genmutationen entdecken, die den Krebs verursachen und vorantreiben. Dafür werden die Ergebnisse der Projektpartner zu einer vollständige Karte der genetischen Veränderungen beim Prostatakrebs zusammengeführt. Die Datenmengen, die es dafür zu bewältigen gilt, sind enorm: Das Erbgut einer Zelle ist aus rund drei Milliarden Bausteinen zusammengesetzt, die bei den verschiedenartigen Analysen bis zu 30-fach erfasst werden, um die Qualität der Ergebnisse abzusichern.
Alle Daten der deutschen ICGC-Projekte laufen bei Professor Roland Eils zusammen, der am Deutschen Krebsforschungszentrum die Abteilung Theoretische Bioinformatik leitet (mehr…). Eils baute dazu am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg eine der weltweit größten Datenspeichereinheiten für die Lebenswissenschaften auf. Die Kapazität der Anlage wird mehrere Petabytes betragen – ein Petabyte entspricht einer Million Gigabytes – eine Eins mit 15 Nullen. Das Prostatakrebs-Projekt ist ein Bestandteil der Arbeiten des Internationalen Krebsgenom-Projekts ICGC. In ihm arbeiten hunderte Wissenschaftler aus über 20 Ländern daran, die genetischen Ursachen der 50 häufigsten Krebsarten zu entschlüsseln. Seit dem Jahr 2008 wurden 35 Projekte zu den unterschiedlichsten Krebstypen gestartet, davon drei unter deutscher Federfführung. Neben dem Prostatakrebs forschen deutsche Wissenschaftler auch zu Hirntumoren in Kindern (mehr...) und Tumoren des Lypmphgewebes.