Roland Eils: Mit Systembiologie gegen Krebs
16.10.2008 -
Roland Eils ist deutscher Vorreiter für einen noch recht jungen Wissenschaftszweig: der Systembiologie. Der promovierte Mathematiker vereint die Zahlenwissenschaft mit der Biologie, um die komplexen Zusammenhänge der Natur besser zu verstehen. Seine Arbeit hat sich schon 1999 ausgezahlt: Eils – damals Postdoc und gerade 34 Jahre alt – gewann den begehrten BioFuture-Preis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, den höchstdotierten Preis für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland.
Anfang der 1990er Jahre steckte die Systembiologie noch in den Kinderschuhen. In seiner Promotion entschlüsselte Roland Eils auf der Basis mathematischer und biowissenschaftlicher Methoden den Zusammenhang zwischen der genetischen Aktivität von Chromosomen und ihrer räumlichen Gestalt im Zellkern. „Mithilfe der Mathematik war mir hier ein Erkenntnissprung gelungen, der experimentell nur sehr schwer möglich gewesen wäre,“ erklärt der Heidelberger Professor. Diese Art der Forschung war damals jedoch noch so neu, dass die Arbeit von der Fakultät für Mathematik zunächst nicht anerkannt wurde. Doch Eils setzte sich durch und wurde ein paar Jahre später für seine Mühen auch belohnt. Der BioFuture-Preis im Jahr 1999 war das i-Tüpfelchen seiner Promotion. Das Preisgeld in Höhe von 1,2 Mio. Euro setzte er zum Aufbau seiner eigenen Arbeitsgruppe ein. „Der BioFuture-Preis war der Wegbereiter zu meiner wissenschaftlichen Karriere.“
Durch die eigenen Kinder zum perfekten Zeitmanagement
Lebenslauf |
1965 geboren in Krefeld 1990 Diplom der Mathematik an der RWTH Aachen 1995 Promotion (magna cum laude), Universität Heidelberg 1996 Gastwissenschaftler am Institut Albert Bonniot, Universität Grenoble 1996 – 1999 Leiter der Arbeitsgruppe „Structure and Function in Cell Biology“, Universität Heidelberg 1999 – 2002 Leiter der Arbeitsgruppe „Intelligente Bioinformatiksysteme“ am DKFZ 2000 – 2003 Gründer und Wissenschaftlicher Vorstand der phase-it intelligent solutions AG, Heidelberg seit 2002 Leiter der Abteilung „Theoretische Bioinformatik“ am DKFZ seit 2004 Direktor der Abteilung „Bioinformatik und Funktionelle Genomik“ am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg 2005 Gründer und Leiter des Steinbeis-Forschungszentrums "Systembiologie“ 2006 Berufung zum Gründungsdirektor BIOQUANT-Zentrum für quantitative Biologie an der Universität Heidelberg |
Seit 2004 leitet Eils zwei Arbeitsgruppen. Zum einen ist er Direktor der Abteilung „Bioinformatik und Funktionelle Genomik“ am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg, die mit einer Abteilungsleiterstelle für „Theoretische Bioinformatik“ am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) verknüpft ist. Seine beiden interdisziplinären Arbeitsgruppen bestehen aus insgesamt 50 Wissenschaftlern. Doch damit ist noch nicht genug: Der gebürtige Krefelder ist zudem Gründungsdirektor des Bioquant-Systembiologiezentrums der Universität Heidelberg, das durch das BMBF im Rahmen der Systembiologie-Initiative FORSYS unterstützt wird (mehr...),und hat etliche Gutachtertätigkeiten in den höchstrangigen Zeitschriften wie Nature, Cell und Science inne.
Bislang hat der 43-jährige Professor und vierfache Familienvater schon etliche Rufe an deutsche und internationale Universitäten erhalten. Doch Eils bleibt dem idyllischen Heidelberg treu. „Dort finde ich alles vor, um meine Forschungen optimal voranzubringen,“ erklärt er. Die vielen Projekte und leitenden Funktionen unter einen Hut zu bringen, ist für ihn nicht schwer. Schon als Student ist Eils Vater geworden, dadurch hat er gelernt, seine Zeit optimal zu nutzen. „Mit Nachwuchs wird man automatisch in Logistik, Management und Personalführung geschult. Und man muss sich außerordentlich gut strukturieren", so der Forscher.
Medizinische Fragen mit Hilfe von Computermodellen beantworten
Zur Systembiologie kam der Mathematiker nur durch einen Zufall. Während eines Studienaufenthaltes in Indonesien berichtete ihm ein Bekannter vom „Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen“ der Universität Heidelberg. Eils war sofort vom Konzept überzeugt und begann 1990 seine Promotion an diesem Institut. Bis dato hätte sich Eils nie träumen lassen, dass die Biologie Einzug in sein Leben findet. „In der Schule fand ich Bio immer langweilig,“ erzählt Eils mit einem Schmunzeln. „Ich hatte es in der Oberstufe sogar abgewählt.“ Doch das Blatt hat sich gewandelt. Heute faszinieren den Systembiologen biologische und medizinische Fragestellungen, die er mithilfe von Computermodellen beantwortet. Am DKFZ erforscht seine Arbeitsgruppe mithilfe der Genchip-Technologie den individuellen Krankheitsverlauf bei Krebs. „Jeder Chip liefert eine Fülle an Informationen“, so Eils. „Pro Patient können wir heutzutage mehr als 20.000 Gene untersuchen.“ Daraus erhalten die Forscher riesige Datenmengen – und dank Eils Computermodellen können aus dem Datengewirr die relevanten Informationen herausgefiltert werden. Diese Informationen öffnen dem Patienten das Tor zur maßgeschneiderten Therapie, die die Heilungs- und Überlebenschancen deutlich verbessern sollen. Bislang hat die Arbeitsgruppe um Eils schon über tausende von Patientendaten analysiert.
Umprogrammierte Bakterien zerstören Krebszellen
Hintergrund |
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Ein anderes Steckenpferd des Professors ist die Synthetische Biologie. Dieser Wissenschaftszweig hat es in sich: So entwickeln Studenten um Eils ganz neue Organismen, die in der Natur nicht vorkommen. Dies geschieht u.a. im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs für Synthetische Biologie (IGEM), der jedes Jahr am Massachusetts Institute of Technology stattfindet. Seine Nachwuchsforscher erschufen in diesem Jahr ein neues Bakterium: Das Haustier der Molekularbiologen namens Escherichia coli wurde dahin gehend umprogrammiert, krankheitsauslösende Gene oder Tumorzellen aufzuspüren, anzuschwimmen und zu vernichten. „Das Design dieser genetischen Vernichtungsmaschine wäre ohne Erkenntnisse aus der Systembiologie überhaupt nicht möglich gewesen,“ erklärt Eils.
Autorin des Textes: Andrea van Bergen