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Bioökonomie in Norwegen

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Die Flagge von Norwegen Quelle: wikipedia.de

28.10.2015 - Reiche, natürliche Ressourcen bilden die Grundlage des Wohlstands in Norwegen. Insbesondere die Öl- und die Fischindustrie treiben die Exporteinnahmen in die Höhe, letztere mit dem Aquakultursektor als einer bedeutenden Säule. Zu den tragenden Wirtschaftszweigen des Landes, die für den Aufbau einer Bioökonomie ebenfalls besonders wichtig sind, zählen die Holz- und Papier- sowie die Lebensmittelindustrie. Im Frühjahr 2015 hat die Regierung beschlossen, eine nationale Bioökonomie-Strategie auszuarbeiten.

Forschungslandschaft

Die Fischerei zählt zu den wichtigsten Säulen der Wirtschaft, darüber hinaus bilden die Wälder eine wichtige biologische Ressource des Landes. So finden sich die Themen Nachhaltigkeit, Biomasse und Meeresforschung auch an den Hochschulen dieses skandinavischen Land wieder.

Bioökonomie-Forschungsinstitut gegründet

Im Juli 2015 nahm eines der größten Forschungsinstitute im Land seine Arbeit auf, das Institute of Bioeconomy Research (NIBIO). Es entstand durch die Fusion des Norwegischen Institute for Agricultural and Environmental Research (Bioforsk), des Forestry and Landscape Institute und des Agricultural Economics Research Institute (NILF), beschäftigt 725 Mitarbeiter und verteilt sich auf 18 Standorte im Land. Formal zugeordnet ist es dem Landwirtschaftsministerium, vergleichbar also einer Einrichtung der deutschen Ressortforschung. Als Jahresbudget sind 680 Millionen Norwegische Kronen vorgesehen. Schwerpunkte sind die Bereiche Nahrungsmittel, Forstwirtschaft, Pflanzengesundheit und Biotechnologie, Umwelt und Klima sowie Kartierung und Statistik. Beispielsweise arbeiten hier Forscher an Enzymen, mit deren Hilfe Holz in seine Bestandteile zerlegt oder biobasierte Chemikalien produziert werden können. Vorgesehen ist ein Herstellungsprozess für die Enzyme mit Tabakpflanzen als einem natürlichen Bioreaktor.

Trondheim als Technologiehauptstadt Norwegens

Trondheim gilt dank seiner Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) und SINTEF, dem größten unabhängigen Forschungsinstitut des Landes, inzwischen als Technologiehauptstadt Norwegens. Insbesondere in den Technologiezweigen Energie/Umwelt, Materialwissenschaften, Meeresforschung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie genießt die NTNU, mit 23.000 Studenten zweitgrößte im Land, Ansehen über die Landesgrenzen hinweg. Hier haben Wissenschaftler unter anderem einen Prozess zur Herstellung von Bioethanol aus Hol entwickelt, der gegenüber herkömmlichen Verfahren um ein Vielfaches beschleunigt ist. Daneben konzentrieren sich die Forscher auf neue Anwendungen mariner Biopolymere und auf marine Mikroorganismen.

Als Partner für Forschung und Entwicklung in Unternehmen und von öffentlichen Auftraggebern ist die SINTEF-Gruppe in Norwegen von großer Bedeutung. SINTEF ist die Abkürzung für Foundation for Scientific and Industrial Research at the Norwegian Institute of Technology (NTH) und gilt mit ihren rund 2.100 Mitarbeitern als größte unabhängige Forschungsorganisation in Skandinavien. In der Nähe der NTNU in Trondheim angesiedelt, existiert eine enge, insbesondere personelle, Verzahnung mit dieser Universität. Jedes Jahr unterstützt SINTEF die Entwicklung von 2000 norwegischen und anderen Unternehmen durch ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Eines ihrer acht Forschungsinstitute konzentriert sich auf Fischerei und Aquakultur. In enger Abstimmung mit dem Institut etablierten sich Norwegenweit Bioökonomie-relevante Interessengruppen. Die Gruppe Seetang bindet seit dem Jahr 2014 zahlreiche Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Mikroalgen stehen im Mittelpunkt einer weiteren Gruppe. Die Verwendung von Lignocellulose will eine neue, Anfang 2015 initiierte Gruppe stimulieren. Diese unterstützt auch das Paper and Fibre Institute (PFI), das wiederum eine Tochter der schwedischen INNVENTIA ist. Dieses in Form einer Aktiengesellschaft aufgebaute Forschungsinstitut hat zahlreiche Zellstoff- und Papierfabriken als Anteilseigner und forscht rund um den Rohstoff Holz.

Öffentlich geförderte Exzellenzzentren

Neben den Universitäten spielen öffentlich geförderte Forschungszentren eine große Rolle in Norwegen. Die „Sentre for fremragende forskning (SFF)” – Zentren für exzellente Forschung – helfen Forschergruppen, ehrgeizige wissenschaftliche Ziele über eine langfristig orientierte Förderung zu erreichen. Die „Sentre for forskningsdrevet innovasjon (SFI) – Zentren für forschungsbasierte Innovation“ – stärken dagegen die Verbindungen von universitären Arbeitsgruppen zu forschungsintensiven Firmen. An der NTNU sitzen beispielsweise zwei Bioökonomie-relevante Exzellenzzentren: Das Centre for Biodiversity Dynamics (CBD) und das Centre for Autonomous Marine Operations and Systems (AMOS).

Starke Forschungsstandorte in Bergen und Oslo

Die Universität Bergen mit ihren fast 15.000 Studenten beheimatet wiederum zwei SFI-Zentren. Das Sea Lice Research Centre kümmert sich um Fischkrankheiten, das Centre for Research-based Innovation in Sustainable Fishing and Pre-processing technology (CRISP) bringt die Fischereiindustrie mit universitärer Forschung zusammen. Die Universität Bergen beheimetet zudem den größten biomarinen Schwerpunkt Norwegens in der Abteilung Biologie, dazu zählen die Institute Aquakulturen und Ernährung. Hier setzen die Forscher auf Tunikaten oder auch Manteltiere. Einmalig im Tierreich: Sie bestehen zu einem Teil aus dem Vielfachzucker Cellulose. Ziel ist nun, diese neuartige Rohstoffquelle für die Herstellung von Biokraftstoff und Futtermitteln zu nutzen. Das banachbarte Institut für Meeresforschung (IMR) mit seinem Hauptstandort in Bergen und ungefähr 700 Angestellten gilt als Norwegens größtes Forschungsinstitut dieser Art. Zu seinen Hauptaufgaben gehört insbesondere die Erforschung der Aquakulturen und Ökosysteme der nördlichen Meere und der norwegischen Küste. Das Institut wird daher fast zur Hälfte vom Ministerium für Fischerei finanziert.

Die größte und älteste Universität im Königreich ist allerdings die 1811 gegründete Universität Oslo mit ihren 27.000 Studenten. Das SFF-Centre for Ecological and Evolutionary Synthesis (CEES) ist dort der Abteilung Biowissenschaften angegliedert, im Zentrum stehen Fragen zur Ökologie. Ausgerichtet auf die Grundlagenforschung interessieren sich die Wissenschaftler innerhalb der Biowissenschaften unter anderem für Aquatische Biologie.

Von biomariner Forschung über Ökologie bis hin zu Ernährung

Wenn es um die Kommerzialisierung von Ideen geht, können sich Firmen auf dem Campus der Universität Oslo ansiedeln, im Oslo Science Park. Laut eigenen Angaben, mit 1.900 Menschen das größte Innovationszentrum des Königreichs. Zudem sitzen hier das MarLife-Netzwerk und -Business Centre, die Akteure mit biomarinen Interessen versammeln. An der nahe Oslo gelegenen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (NMBU) studieren 5.000 Studenten in den Bereichen Umwelt, nachhaltige Entwicklung, erneuerbare Energien und Nahrungsmittelerzeugung. Entstanden aus drei Vorgängerinstituten im Jahr 2003 stehen in der Abteilung Chemie, Biotechnologie und Lebensmittelwissenschaften Grundlagen als auch ihre Anwendungen im Mittelpunkt des Interesses. Seine Heimat an der NMBU hat das SFI-Zentrum FOODS – Foods of Norway. Zusammen mit internationalen Partnern und der Industrie sollen im Exzellenztrenum unter anderem Futtermittel aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt werden.

Als weltweit nördlichste Universität beheimatet die Arktische Universität Norwegen fast 12.000 Studenten. 1.700 von ihnen sind an der Fakultät für Biowissenschaften, Fischerei und Wirtschaft eingeschrieben. Auf der Forschungsagenda stehen unter anderem arktische Ökosysteme und ihre Bewohner, Fischgenetik und Impfstoffe gegen Fischkrankheiten. In der Abteilung Chemie suchen Forscher nach kältetoleranten Enzymen aus dem Meer.

Das Forschungsinstitut Nofima gehört mit seinen rund 360 Mitarbeitern zu den größten Einrichtungen Europas, die im Bereich Fischerei, Aquakultur und Lebensmittelforschung anwendungsnah tätig sind. In Teilen vom Forschungsrat und dem Handelsministerium finanziert, zählt die Regierung auch zu seinen Anteilseignern.  Erfolgreich etablierte Nofima das SFI-Zentrum CtrlAQUA – Centre for Closed-containment Aquaculture. Das Bioenergy Innovation Centre (CenBio) gehört dagegen zur Gruppe von 11 norwegischen Forschungszentren für umweltfreundliche Energien (FME – Forskningssentre for miljøvennlig energi). Forschungsaktivitäten mit einem Bezug zur biobasierten Wirtschaft weist auch das IRIS (International Research Institute of Stavanger), im Besitz der lokalen Universität und einer Stiftung, mit seinen 200 Mitarbeitern und Schwerpunkten in industrieller Biotechnologie und Nahrungsmittelversorgung auf.

Bioraffinerien im ganzen Land
Pilotanlagen zur Prozessierung von Biomasse aus unterschiedlichsten Quellen und zahlreiche Bioraffinerie-Forschungsprojekte existieren ebenfalls im ganzen Land. So vereint beispielsweise das im Jahr 2014 initiierte NorBioLab die Expertise des PFI, der NTNU und der NMBU sowie des SINTEF, um Biokraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen . Des Weiteren wird in diesem Feld mit dem schwedischen Bioraffinerie-Konsortium Processum kooperiert, um den gemeinsamen Aufbau von Pilotanlagen weiter voranzutreiben. Hierfür stellen auch regionale Behörden Geld - zum Bespiel in Zentral-Norwegen - zur Verfügung.

Forschungsrat als wichtigster Fördermittelgeber

Der Norwegische Forschungsrat (Norges forskningsråd), finanziert vom Ministerium für Bildung und Forschung und vom Ministerium für Handel und Industrie, gilt als einer der wichtigsten Fördergeber für Wissenschaft und Forschung im Königreich. Mit einem Gesamtbudget von mehr als 7 Milliarden norwegischen Kronen ausgestattet werden Grundlagen- als auch anwendungsnahe Projekte gefördert. Neben dieser zentralen Rolle als Fördergeber unterstützt der Rat die Regierung mit Empfehlungen und Beiträgen zur Forschungspolitik etwa der Identifizierung von national relevanten Forschungsfeldern. Diese Ergebnisse helfen Entscheidungsträgern, den gesamten Bereich besser zu regeln und zu lenken. Als eine der künftigen Prioritäten des Landes sieht der Rat inzwischen Ressourcen-basierte Industrien an. In vorherigen Jahren galt schon der Biotechnologie und mit ihr auch Bioökonomie-relevanten Themen seine Aufmerksamkeit. So sind Biotek2021 („Biotechnology for innovation“, Laufzeit von 2012 bis 2021), und Bionaer („Sustainable Innovation in Food and Bio-based Industries“, Laufzeit von 2012 bis 2021) in diesem Zusammenhang bedeutende Forschungsprogramme. Flankierend wurde 2013 das „Biorefinery Progamme“ zur Förderung der noch jungen Bioökonomie aufgelegt.

300 Mio. Euro Budget für Bionaer-Programm

In Bionaer, im Jahr 2012 aufgelegt, sollen etwa 300 Millionen Euro investiert werden. Im Zentrum steht die Reduzierung der Emissionen klimaschädlicher Gase, Ressourceneffizienz, neue Wertschöpfungsketten und die Entwicklung von Märkten. Hierbei wird festgestellt, dass Forschung und Innovation wichtig sind, um eine biobasierte Wirtschaft zu unterstützen. Kooperationen, auch international, und Interdisziplinarität gelten als unverzichtbar für die Entwicklung. Essentiell für den Erfolg sei, den Nachhaltigkeitsaspekt klar umzusetzen und in geschlossenen Kreisläufen zu denken. Prioritäten des industrie-orientierten Programms liegen auf Landnutzung und Biomasse (vor allem Holz), der Produktion gesunder Lebensmittel (insbesondere aus marinen Quellen). Ausschlaggebend für den Erfolg sei auch die systematische Kooperation und Koordination zwischen weiteren, sich thematisch überlappenden Programmen wie Biotek2021.

Biotek2021: Public-Private Partnerships als Treiber

Die BIOTEK2021-finanzierten Forscher der NMBU sind unter anderem federführend im NorZymeD-Projekt eingebunden. Ziel der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus Wissenschaft und Industrie sind neue Enzyme für die Prozessierung von agrarischen und marinen Rohstoffen. Getestet werden diese in einer Anlage des Unternehmens Borregard. Arbeitsgruppen der Universitäten in Bergen und in Tromso sowie des SINTEF sind ebenfalls an Bord. An der NTNU könnten künftig marine Ressourcen für neuartige bio-basierte Materialien genutzt werden. Zumindest arbeiten die Forscher des Departments of Biotechnology im ebenfalls BIOTEK2021-finanzierten Projekt MarPol an diesem ehrgeizigen Ziel. Wieder in Zusammenarbeit mit weiteren norwegischen Forschungseinrichtungen und Industriepartnern etwa FMC Biopolymer. Das NIFU Nordic Institute for Studies in Innovation, Research and Education leitet unterdessen das Bionaer-Projekt SusValueWaste. Hier werden im Verbund mit weiteren akademischen Partnern Bioökonomie-Wertschöpfungsketten auf den Prüfstand gestellt.

Bedeutend für die Forschungsförderung sind auch die norwegische Innovationsagentur, die einen Schwerpunkt auf die Bioökonomie gelegt hat, und die Gesellschaft für industrielle Entwicklung, Siva. Zudem existieren enge Verbindungen zur EU – obwohl Norwegen kein Mitglied ist. So ist der Forschungsrat als Beobachter am ERA-NET Industrial Biotechnology beteiligt. Darüber hinaus sind norwegische universitäten oder Unternehmen als Partner in europäischen Forschungsprojekten vertreten.

 

Hintergrund

Schwerpunkt: Aquakultur, Holz- und Nahrungsmittelindustrie, Bioenergie

Branchenverband:

Industrial Biotech Network Norway (IBNN)

Norwegian Bioindustry Association (NBA)

Verband Norsk Bioenergiforening (NoBio)


Für die Bioökonomie relevante Politik:

National Strategy for Biotechnology 2011 – 2020 (PDF)

Marine bioprospecting – a source of new and sustainable wealth growth (PDF)

Biobasierte Cluster:

Cluster Legasea

Ocean Ingredients-Cluster (OIC)

Norwegian Centres of Expertise“ (NCE) 

Forschungsförderung

Innovationsagentur Innovasjon Norge

Gesellschaft für industrielle Entwicklung Siva

Norwegische Forschungsrat 

SINTEF-Gruppe 

Forschung

Institute of Bioeconomy Research (NIBIO)

 Centre for Biodiversity Dynamics (CBD)