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Bioökonomie in Brasilien

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Die Flagge von Brasilien Quelle: wikipedia.de

15.9.2015 - Die stärkste Volkswirtschaft Südamerikas ist reich an biobasierten Rohstoffen. Das Land am Amazonas verfügt über eine unerreichte Artenvielfalt. Agarwirtschaftlich dominiert seit Jahrzehnten die Herstellung und der Verbrauch von Zuckerrohr-Alkohol. Die Bioethanol-Branche ist zum zweitgrößten Produzenten weltweit aufgestiegen. Neben Biosprit sind Rohrzucker und Soja weitere bedeutende Exportgüter. Der Einsatz gentechnisch veränderter Nutzpflanzen ist weit verbreitet: Brasilianische Äcker machen sie ein Fünftel der globalen gv-Anbaufläche aus. Künftige Potenziale liegen in der biobasierten Chemikalien-Produktion. Auch die Holzwirtschaft gilt als Wachstumsmarkt. Zudem hat sich Brasilien verpflichtet, die illegale Rodung von Regenwald bis 2030 zu stoppen.

Politische und rechtliche Grundlagen

Wie andere Länder in Südamerika profitiert das tropische Brasilien von seinen reichlich vorhandenen Ressourcen an pflanzlicher Biomasse. Allein das macht Brasilien zu einem der führenden Akteure in der Bioökonomie. Ein Schwerpunkt in der Produktion liegt im Gebiet Biotreibstoff. 

Zahlreiche Biotreibstoff-Initiativen

Erste Programme erlaubten bereits ab dem Jahr 1931, Bioethanol dem Benzin beizumischen. In den 1970er-Jahren steigerte die Regierung dann mit ihrer Proalcool-Initiative die Herstellung des Biosprits erheblich und schrieb seitdem kontinuierlich gestiegene Beimischungsquoten vor. 2004 wurde das Proinfa-Programm aufgelegt, das den allgemeinen Ausbau der erneuerbaren Energien vorsieht, die zu diesem Zweck mit Einspeisevergütungen gefördert wurden. 2004 verabschiedete die Regierung außerdem das Nationale Biodiesel-Programm (PNPB), mit dem das Einkommen der ländlichen Bevölkerung gesteigert und der brasilianische Energiemix künftig grüner werden sollte. Hinzukommen der „Plano Nacional de Agroenergía, 2006-2011“ und der “Plano Decenal de Expansão de Energia 2023“. Mit Blick auf die angewandte Biotechnologie war die brasilianische Gesetzgebung bis zum Jahr 2005 sehr restriktiv geprägt. Das 1995 in Brasilien ratifizierte Gesetz zur Biosicherheit, das Bestimmungen zur Grünen Gentechnik enthielt, bestand aus weitreichenden Verboten: Gesetzlich untersagt waren der Anbau von gv-Pflanzen. Durch sogenannte provisorische Maßnahmen war dieses Verbot jedoch zu Beginn des neuen Jahrtausends soweit aufgeweicht worden, dass am Schluss nur noch der Handel mit gentechnisch verändertem Saatgut tatsächlich verboten war. Nach einer mehrjährigen Debatte insbesondere um den Anbau von Gentech-Soja trat 2005 ein neues Gesetz in Kraft (Lei de Biosseguranca). Es erlaubte Forschung, Anbau, Lagerung, Verkauf und Handel mit gv-Pflanzen.

Biotechnologie-Strategie

Im Jahr 2007 verabschiedete das Land seine Biotechnologie-Strategie mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die künftige Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Koordiniert wird die Umsetzung durch das „National Biotechnology Committee“ und das Forum für biotechnologische Wettbewerbsfähigkeit. Langfristiges Ziel ist es, landesweit 1.000 Bioraffinerien zu bauen und bis 2025 der weltgrößte Exporteur von Bioethanol zu werden. Mit neuen Regelungen aus dem Jahr 2014 wurden komplexe Abläufe vereinfacht und Hürden abgebaut. In der Nationalen Strategie für Wissenschaft, Technologie und Innovation 2012-2015 (ENCTI) wird der Bereich Biotechnologie zudem als ein Technologiefeld benannt, dessen Innovationsfähigkeit von besonderer Wichtigkeit für die Entwicklung des Landes ist. 2011 wurde der Innovationsförderplan PAISS beschlossen, der durch die staatliche Brasilianische Entwicklungsbank (BNDES) und den Technologiefinanzierer FINEP mit einem Budget von 500 Mio. US-Dollar ausgestattet wurde und der Firmen bei der Finanzierung ihrer Projekte unterstützt. Biosprit der 2. Generation, neue Zuckerrohr-basierte Chemikalien und die Vergasung von Biomasse sowie die Skalierung der Herstellungsprozesse stehen hier im Fokus. Innovationen im Bereich der Biokraftstoffe sind zudem ein Bestandteil des ebenfalls 2011 veröffentlichten „Brasil Maior“-Plans der Regierung. Eine explizite Bioökonomie-Strategie der Regierung gibt es derzeit nicht. Im Jahr 2013 hat der brasilianische Industrieverband CNI mit dem Beratungshaus "Harvard Business Review" jedoch eine Bioökonomie-Agenda veröffentlicht. Das Papier macht sich für eine einheitliche nationale Bioökonomie-Politik stark (PDF-Download).

Nachfrage nach Biosprit angekurbelt

Seit dem Frühjahr 2015 versucht die brasilianische Regierung mit zahlreichen Maßnahmen, die zurückgegangene Nachfrage nach Biotreibstoffen wieder anzukurbeln. So gilt in Brasilien eine neue Beimischungsquote für Bioethanol. Diese wurde per Gesetz um zwei Prozentpunkte auf 27% angehoben. Biodiesel darf künftig ebenfalls in größeren Mengen zugegeben werden. Zudem hob die Regierung die Steuern für fossiles Benzin und Diesel an, so dass deren Preise an den Zapfsäulen demnächst steigen könnten. Die Steuern (PIS / PASEP und COFINS) auf Rohstoffe zur Herstellung von Biodiesel wurden vorübergehend ausgesetzt. Die zur Bekämpfung der Inflation gedeckelten Benzinpreise gelten als ein Hauptgrund für den sinkenden Absatz des Biosprits. Überlegungen gibt es auch zu Treibstoff auf Mais-Basis. So könnte es Subventionen hierfür geben. Aufgrund der massiv gestiegenen Ernteerträge kam es zu einem Preissturz bei Mais. Um die heimische Industrie insbesondere vor US-amerikanischen Ethanol-Importen zu schützen, trat im Sommer ein Gesetz in Kraft, das diese Einfuhren höher besteuert. Steuerliche Vorteile gewährt die Regierung beim Kauf von Flex-Fuel-Fahrzeugen, die sowohl den angebotenen Ethanolkraftstoff wie auch das normale Benzin verwenden können. Zudem fallen auf Bioethanol von der Tankstelle geringere Steuern an. Brasilien hat sich im Vorfeld der UN-Klimakonferenz COP21 in Paris 2015 ambitionierte eigene Nachhaltigkeitsziele gesteckt: Dazu gehören die Wiederaufforstung von 12 Millionen Hektar Regenwald, den Stopp jeglicher illegaler Abholzung bis ins Jahr 2030 und die Neutralisierung der Carbon-Emissionen in Bezug auf die Abholzung in Amazonien.

Zuständige Zulassungsbehörde für die Freisetzung von Pflanzen

Die Biosicherheit in Brasilien wird von zwei Behörden reguliert. Die Politik zum Thema gestaltet der mit dem neuen Gesetz 2005 eingerichtete Rat zur biologischen Sicherheit (CNBS). CNBS ist für die Formulierung und Umsetzung der Richtlinien zur Biosicherheit verantwortlich. Hier werden die Vorgaben für die einzelnen mit Fragen der Biosicherheit befassten Bundesbehörden festgesetzt, sozioökonomische Auswirkungen und nationale Interessenlagen im Bezug auf einzelne gv-Sorten bewertet. Die Entscheidung über die Freigabe von gv-Organismen obliegt der Nationalen Regierungskommission für Biosicherheit (Comissao Técnica Nacional de Biosseguranca, CTNBio). CTNBio prüft gv-Pflanzen vor ihrer Freisetzung und erklärt sie im besten Fall für unbedenklich. Seit 2004 müssen Lebensmittel und Tierfutter, die mehr als ein Prozent gentechnisch verändertes Material enthalten, mit dem Transgen-Logo gekennzeichnet werden.  Für die Zulassung von biologischen Medikamenten ist die Arzneimittelbehörde ANVISA verantwortlich.

 

Hintergrund

Schwerpunkt: Bioethanol (Zuckerrohr), Agrarwirtschaft (Soja, Mais, Baumwolle), Tropenholz, Zellstoff
Branchenverband:

Biotechnologie BrBiotec


Für die Bioökonomie relevante Politik:

Biotechnologie-Programm, Biodiesel-Programm (PNPB),

Forschung

Agrarforschungszentrum Embrapa

Zulassungsbehörde

Comissao Técnica Nacional de Biosseguranca CTNBio

Rechtliche Grundlagen
zweitgrößtes Land für kommerziellen Gentechnikpflanzen-Anbau, insbesondere Soja, keine Mindestabstände. Freisetzung und Import von gv-Produkten sind zulassungspflichtig.

Downloads

Bioeconomy - An agenda for Brazil

CNI & Harvard Business Review, 2013 Download PDF (4,5 MB) PDF online ansehen

Brazil Biotech Map 2011

BrBiotech, 2011 Download PDF (6,3 MB) PDF online ansehen