Jubiläum: Zehn Jahre Humangenom
Der 26. Juni 2000 markiert einen Meilenstein in der Humangenom-Forschung. Vor nunmehr zehn Jahren legte der US-Unternehmer Craig Venter gemeinsam mit seinem staatlich geförderten Konkurrenten Francis Collins eine Rohversion des entschlüsselten menschlichen Genoms vor. Seither hat das menschliche Erbgut die Biomedizin enorm beschleunigt, auch wenn viele der hochgesteckten medizinischen Ziele von damals bislang nicht erreicht wurden. Durch das Humangenom wurde jedoch die Technik der Sequenzierung in kürzester Zeit revolutioniert. Dieser enorme Fortschritt lässt nun die einstigen Hoffnungen deutlich realistischer erscheinen. Dabei zeichnet sich ein Wandel hin zu individuellen Therapien ab - durch die immer engere Verknüpfung von Diagnostik und Medikament, die für den Patienten maßgeschneiderte Behandlungen ermöglichen.
Eine neue Ära der Genomforschung
Die immense Kostensenkung der Sequenzierung ermöglicht Wissenschaftlern inzwischen ganz neue Groß-Projekte, die zuvor aus Kostengründen völlig unrealistisch erschienen.
- 1000 Genomes Project: 2008 formte sich ein internationals Konsortium aus Genomzentren in den USA, Großbritannien und China. Bis Ende 2011 will die Allianz das komplette Erbgut von 1000 Menschen aus aller Welt entziffern, um genetische Unterschiede zwischen Individuen (genetische Variation) aufzudecken. Mittlerweile ist das Projekt sogar um weitere 1000 Genome aufgestockt worden. Beteiligt ist auch das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin, für die Decodierung stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung fünf Millionen Euro bereit (mehr...).
- Metagenom der Darmflora: Gemeinsam mit Danone Research und dem Unternehmen UCB Pharma in Madrid haben Forscher des chinesischen Bejing Genomics Institute in Shenzen die gesamte Darmflora des Menschen sequenziert (mehr...). Ziel der im Metahit-Konsortium organisierten 23 Arbeitsgruppen: Zu ermitteln, welche Rolle die Zusammensetzung der Darmbewohner bei Krankheiten wie den chronischen Darmentzündungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn spielen und diese so zu steuern, dass ein gesundheitsfördernder Effekt zustandekommt.
- Krebsgenom-Projekt: Krebs ist zu großen Teilen ein genetisch bedingte Erkrankung. Mehrer Großvorhaben haben sich zum Ziel gesetzt, die genetischen Wurzeln von Tumorleiden umfassend aufzudecken. Das Aufspüren erworbener Mutationen in der Erbinformation vieler verschiedener Krebszellarten steht im Mittelpunkt des humanen Krebsgenomprojektes (mehr...). So soll künftig die Diagnose und Behandlung von Krebs zu verbessert werden. Ähnliche Vorhaben laufen bereits in Großbritannien und den Vereinigten Staaten: Das Krebsgenom-Projekt des Sanger-Instituts und der Krebsgenom-Atlas des Nationalen Krebsinstituts der USA.
- Epigenom-Projekt: Derzeit formiert sich das International Human Epigenome Consortium (IHEC). Es zielt darauf ab, genomweit das DNA-Methylierungsmuster in Zellen aus sämtlichen Geweben des Menschen zu identifizieren – und damit die bei Krankheiten aktiven Gene zu erfassen und ihre An-und Abschaltautomatik zu verstehen (mehr...).
Im Zuge der zahlreichen Mammutprojekte in der Genomforschung („Big Biology“) sind in der letzter Zeit auch immer wieder kritische Stimmen laut geworden. Manche Forscher fürchten gerade in Zeiten knapper Budgets, dass die Sequenzierungsprojekte zuviel öffentliche Fördergelder vereinnahmen und die klassische, auf Hypothesen gestützte Forschung zurückgedrängt wird. In vielen Fällen liefern die Genomprojekte massenhaft Daten, die durch Bioinformatiker ausgewertet und validiert werden müssen. Nur wenige dieser Informationen mündeten auch wirklich in medizinische Anwendungen, von denen Patienten profitieren.